Nun sind wir schon ziemlich fortgeschritten, was die Analyse der Taschenspielertricks angeht und haben einige Kapitel in Arthur Schopenhauers “Die Kunst Recht zu behalten” in der Serie “Sie baden gerade Ihr Gehirn darin…” gemeinsam betrachtet.
Man sollte meinen, dass der wache Verstand die allzu platten Manipulationsversuche entdeckt, wenn man sich schon mit ganz ausgefeilten Techniken befasst hat. Leider ist das nicht immer so. Wenn der andere gar keine Chance hat, eine Debatte zu gewinnen, greift er manchmal zu ebenso verzweifelten wie aussichtsreichen Taktiken.
Jemand, der etwas von uns möchte, das dem gesunden Hausverstand oder der natürlichen Mitmenschlichkeit schon auf den ersten Blick eklatant widerspricht, hat eigentlich schlechte Karten. Er muss zu ganz fiesen Zaubertricks greifen.
An dieser Stelle sprechen wir über die Verkehrung eines stichhaltigen Arguments in sein genaues Gegenteil.
Es gibt Zwecke und Absichten, denen kaum jemand widersprechen würde, weil sie im allgemein anerkannten Wertesystem ganz weit oben stehen. Gesundheit, Sicherheit, Rücksichtnahme, Gemeinschaftssinn, etc. sind solche Werte. Gibt man vor, ehrenhafte Ziele zu verfolgen, hat man kein Risiko, für die Überzeugungen infrage gestellt zu werden und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass dies vorgeblich ehrenhafte Handeln hingenommen wird, auch wenn es im Grunde schädlich oder sogar böse ist.
Man muss nur hinhören, auf welchem Wert der Gegner sein Hauptargument aufbaut und dreist behaupten, mit dem gegenteiligen Handeln genau diesem Zweck zu folgen.
Wir kehren zurück zum Esstisch und verfolgen die Debatte, in der die Mutter durch den Gesundheitsaspekt eigentlich ein wirklich gutes Argument auf ihrer Seite hat. Nehmen wir an, die Mutter sagt „Wenn Du Dich gesund ernähren möchtest, ist es wichtig, dass Du Spinat isst.“ würde der Zögling im Sinne der Verkehrung entgegnen „Gerade WEIL ich gesund sein und bleiben will, werde ich diesen Spinat nicht essen.“ und dann eine wortreiche Erklärung anfügen, z.B.: „Ich gehe davon aus, dass meine Abneigung gegen das Gemüse Ausdruck meiner inneren Weisheit ist, welche Nahrung mein Körper nicht gut verdauen kann.“ und so weiter und so fort.
Sie finden in der tagesaktuellen Presse einen bunten Reigen genau solcher Verdrehungen.
Seien Sie besonders wachsam, wenn man Ihnen etwas offenkundig Ungesundes als gesund, einen für jedermann ersichtlichen Zwang als Weg in die Freiheit oder das Ausgrenzen von Menschen als Akt der Solidarität verkaufen will.
Orwellsches Neusprech darf bei Ihnen alle Alarmglocken läuten lassen.
Nehmen wir an, ein Hersteller von Blei und Beton wollte Ihnen Schuhe verkaufen, mit denen Sie nur noch ganz schwer gehen können. Niemand würde diese Schuhe freiwillig anziehen. Es sei denn, man wendet den Trick der 180-Grad-Verdrehung an und behauptet frech, dass GENAU DIESE SCHUHE das Gehen verbessern, statt es zu behindern.
Pfiffige Marketing-Menschen würden die Schuhe als „gesunde Gehschutz-Sicherheitsschuhe“ betiteln. In der Werbung würde man sehen, wie wir durch das langsamere Gehen davor bewahrt werden, ungestüm eine Treppe hinabzustürzen, was unser aller Leben sicherer und gesünder macht. Wir könnten dann auch niemanden mehr umrennen, daher sei der Gehschutz ein Ausdruck von Solidarität. Nur mit den Gehschutz-Sicherheitsschuhen könne man sicher gehen. Menschen ohne Gehschutz-Schuhe wären eine Gefahr für die Allgemeinheit. Man müsse damit rechnen, dass sie überall stürzen. Das Risiko sei enorm, dass man ständig über einen Geschutz-Sicherheitsschuh-Verweigerer fällt und sich trotz des eigenen Gehschutzes ein Bein bricht.
Glauben Sie, das sei absurd? Ich auch. Trotzdem hören wir solche Argumente jeden Tag.
Die falsche Logik lösen Sie auf, indem Sie sich aus dem Glaubenssatz befreien, der Zweck heilige die Mittel. Das tut er nämlich nicht. So lange Sie das denken, kann man Ihnen jede noch so absurde Handlungsweise abverlangen, indem man einfach einen Ihrer Werte als angebliches Ziel in den Raum stellt. Sie tun dann sogar das glatte Gegenteil dessen, was tatsächlich Ihren Werten dienen würde.
Hören Sie nicht hin, wenn blumige Werbebotschaften Sie mit Ihren Werten locken wollen, sondern betrachten Sie mit offenen Augen, was tatsächlich passiert. Beobachten Sie ein Kind mit den „gesunden Gehschutz-Sicherheitsschuhen“. Ganz ehrlich: Wollen Sie, dass alle Kinder in Zukunft SO durch die Welt gehen? Klar, wenn sie dann sicherer sind? Wie sicher wäre es, wenn Kinder einfach GAR NICHT mehr laufen? Noch sicherer? Oder wenn sie gar nicht mehr atmen?
Vielleicht war der kategorische Imperativ als Richtschnur für unser Zusammenleben in der Gemeinschaft gar nicht so schlecht. Wenn Sie das wollen, legen Sie diesen Maßstab auch heute noch an: Kann Ihr momentanes Handeln zu jeder Zeit und in allen Zusammenhängen als vorbildlich gewertet werden? Nein, nicht Ihr Ziel. Ihr Handeln.
Ihr Wertesystem darf ganz eigen sein und von meinem beliebig abweichen. Doch vielleicht können wir uns als Menschheitsfamilie auf EINEN gemeinsamen Wert einigen: das Leben an sich. Messen wir unser Tun an dem, was dem Leben dient, und fragen wir uns, ob das, was wir erleben, lebendiges Leben ist. Dann beantworten sich viele Fragen im Handumdrehen und andere etwas leichter.
Text und Bild: Petra Weiß
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Zur Autorin
Petra Weiß ist Heilpraktikerin, psychologische Beraterin und Therapeutin. Ihre Liebe zur Sprache begleitet sie schon ihr Leben lang. Als Fachjournalistin für das Ressort Medizin und Gesundheit mit den Schwerpunkten Naturheilkunde und Psychologie hat sie zahlreiche Beiträge in Print und Online veröffentlicht.
An mehreren Sachbüchern hat sie als Lektorin und Co-Autorin mitgewirkt. Ihr neues Buch SO BIN ICH ECHT ist im Februar 2022 im Hardcover erschienen.
Seit Sommer 2020 gibt Sie die Zeitschrift “Weißheiten: vom Ich zum Selbst” heraus. Mit psychologisch fundierten Essays, praktischen Tipps und Denkanstößen begleitet sie Menschen, die sich weiterentwickeln wollen, auf ihrer spannenden Reise zu sich selbst.