Ist Ihnen auch so heiß?

Sie werden sich wundern, was dieser scheinbar harmlose Satz im ursprünglichen Wortsinne bedeutet. Und künftig genau abwägen, wem Sie eine solch delikate Frage stellen. Dieser Beitrag fasst meine Gedanken zur Bedeutung von sinngetreuen Formulierungen zusammen und gibt weitere Beispiele für die unbewusste Sexualisierung unserer Sprache.

Die Sprache „verwörtlicht“ unsere äußeren Eindrücke, inneren Bilder und Empfindungen. Sie gibt ihnen einen Namen und damit unserem Erleben Struktur und Ordnung. Das wirkt auf die Psyche wie eine Landkarte, mit deren Hilfe wir uns im Leben besser zurechtfinden.

Eine spezifische Bezeichnung für einen Gegenstand, ein Gefühl oder eine Sinneswahrnehmung zu haben, ist ein wichtiger Schritt in jeder individuellen Entwicklung. Das trifft nicht nur auf Kleinkinder zu, sondern für die Menschheit als Ganzes.

So wie der Wortschatz eines Kindes sich ausbildet, erwächst die Sprache eines Volkes auf natürlich Weise. Sie kommt aus der Bildsprache und verfeinert sich über die Zeit immer weiter. Worte aus benachbarten Ländern oder von Reisenden fließen in einem organischen Prozess mit ein. Manchmal kommt es zu gewaltsamen Veränderungen der Sprache durch einen Krieg oder die Besetzung eines Landes. Oder durch eine amtlich verordnete „Reform“.

Aufgrund der internationalen Verflechtungen der vergangenen Jahrzehnte haben wir in kurzer Zeit eine große Anzahl von Worten aus weit entfernten Regionen der Erde in unsere Sprache übernommen. Das erleichtert einerseits die weltweite Kommunikation, verwässert andererseits das Sprachgefühl der Menschen. Keine Fremdsprache geht uns so zu Herzen, berührt unsere tiefen Empfindungen und erzeugt lebendige Bilder in uns wie unsere Muttersprache.

Für diese exklusiven Eigenschaften spielt die Prägung der ersten Lebensjahre eine Rolle und möglicherweise das morphogenetische Feld. Der Begriff geht auf den Harvard-Professor Rupert Sheldarke zurück, der in seiner Forschung von „Wissenden Informationsfeldern“ ausgeht, welche bis in die Formgebung von Organismen hineinwirken. Im Russischen nennt man solche geistigen Gebilde Egregoren und versteht sie als Wesenheiten. Diese Sichtweise muss uns gar nicht fremd sein. Wir sprechen im Deutschen vom Bildungswesen, vom Finanzwesen und vom Gesundheitswesen.

Seit unzähligen Generationen sind die Erfahrungen der Menschen in morphogenetischen Feldern gespeichert, unter anderem die Bezüge zwischen Klängen, Schriftzeichen und Erfahrungen. Wir haben oft ein Gefühl für die genaue Bedeutung eines Begriffs. Althergebrachte Worte wurden traditionell in bestimmten Zusammenhängen gebraucht. Sie sind im morphischen Feld dieser Sprache mit ganz speziellen emotionalen oder wertenden Färbungen versehen. Deshalb lösen manchmal Redewendungen etwas in uns aus, obwohl wir sie noch nie bewusst gehört haben. Wir empfangen den Zusammenhang unbewusst und ohne weiteres Zutun aus dem Feld. An dieses Feld sind wir angeschlossen. Das Feld verbindet Menschen, welche dieselbe Sprache sprechen.

Jede Sprache entwickelt sich weiter. Neue Erfindungen verlangen nach Begriffen, die sie genau beschreiben. Wir setzen neue Wörter aus den bestehenden zusammen. Oder wir erschaffen ganz neue Begrifflichkeiten. Belegen wir ein Ding mit einem Wort aus einer fremden Sprache, erscheint es neu und anders. Dadurch ist es exakt definiert – unabhängig davon, was der Begriff in seiner Ursprungssprache eigentlich bedeutet. Oder ob es ihn in der vermeintlichen Sprache überhaupt gibt.

Von Chop Suey bis Tamagochi

Viele Menschen in Deutschland haben eine klare Vorstellung von dem Geschmack einer Speise, die den Beinamen „Chop Suey“ trägt. Tatsächlich bedeuten die beiden Wörter nichts weiter als „klein geschnitten“ und sagen über die Gewürze nicht das geringste aus. Der Begriff findet sich in Asien nicht auf Menükarten. Er wurde für Europäer erfunden und kennzeichnet Gerichte, die eben gar nicht landestypisch gewürzt worden sind.

Wenn Sie meiner Generation entstammen, wissen Sie genau, was ein Tamagotchi ist. Sie brauchen dafür keine Ahnung vom Ursprung des Ausdrucks oder seiner Bedeutung zu haben, oder zu wissen, dass das Japanische Wort für Ei (tamago) und das englische Wort für Uhr (watch) für die Bezeichnung eines elektronischen Spielzeugs in einem Kunstwort verschmolzen worden sind. Wir verwenden viele solcher Worte, ohne uns darüber gewahr zu werden, ob der Begriff den Gegenstand unserer Betrachtung treffend beschreibt oder was er eigentlich/ursprünglich/tatsächlich bedeutet.

Um verdrehte Bedeutungen zu bestaunen, müssen wir nicht nach Asien blicken. Schlagen Sie einfach eine Zeitung auf oder unterhalten Sie sich ganz belanglos mit dem Nachbarn übers Wetter. Wenn er Sie über den Gartenzaun anspricht „Ist Ihnen auch so heiß?“ überschreitet er dabei – sicher ohne Absicht – eine Ihrer intimsten Grenzen. Vermutlich hat er die Temperatur gemeint und wollte wissen, ob die Wärme Ihnen zu schaffen macht. Im ursprünglichen Wortsinne hat er gerade nach Ihrer Paarungsbereitschaft gefragt. Nur weil sich alle einig sind, das Wort mit der Bedeutung von sehr warm zu verwenden, verliert es nicht die sexuelle Färbung im kollektiven Bewusstseinsfeld.

Geiz macht nicht geil

Seit Jahren wundere ich mich, wenn jemand begeistert ausruft „Das ist ja GEIL!“ Falls das Lob sich auf eine anziehende Frau oder einen attraktiven Mann bezieht, mag der Ausdruck angemessen erscheinen. Dann hätte ich mir halt ein anderes Pronomen gewünscht. Da sich der Grad sexueller Erregung nicht so ohne weiteres erkennen lässt, müssten wir uns von der Geilheit der Person erst einmal überzeugen. Dazu möchte ich hier freilich niemanden aufrufen.

Vollkommen daneben ist aus meiner Sicht der inflationären Gebrauch dieses Modewortes, das wir allenthalben finden. Als geil wird heutzutage ein beschwingtes Lied bezeichnet oder eine fruchtige Limonade, ein kunstvoll gearbeitetes Schmuckstück oder eine Tüte Chips.

Was dabei passiert ist, dass die Sprache und mit ihr das Denken und Empfinden in seiner Vielfalt verarmt. Indem wir sagen, etwas sei geil, geben wir dem Objekt nicht den an sich passenden Ausdruck mit. Wir müssen nicht sagen, auf welche Eigenschaft der Chips sich unsere Freude bezieht. Sind sie knusprig? Schmackhaft gewürzt? Hauchdünn geschnitten? Für solche präzise Beschreibungen sind die im Deutschen haarfein zu unterscheidenden Adjektive – früher nannte man sie sprechend Eigenschaftswörter – nämlich da. Mit dem Mangel an Differenzierung verblasst die psychische Landkarte, wird ungenau und lückenhaft.

Ich plädiere nicht dafür, sich jedes Mal mit lüsternem Grinsen wonnig in den Schritt zu greifen, sobald wir das Wort geil aussprechen. Allerdings wären wir dann wieder am ursprünglichen Sinn angelangt und würden uns gewahr, was wir da so von uns geben…

Meine Kritik am Verzerren von Wortbedeutungen schließt nicht aus, dass auch mir hin und wieder ein solcher Faux-pas unterläuft. Zumindest bin ich mir dessen bewusst. Meistens. Schauen wir auf das gerade Geschriebene: Faux pas stammt aus dem Französischen und heißt wörtlich „falscher Schritt“. Ja, genau das hatte ich gemeint.

In dem Zusammenhang bemerke ich eine vollkommen unbeabsichtigte Doppeldeutigkeit. Herrlich! Natürlich wollte ich nicht schlüpfrig sein. Und es ist mir trotzdem passiert. Obwohl es mir ein bisschen peinlich ist, lasse ich die Passage im Text – zur Veranschaulichung.

Zu Risiken und Nebenwirkungen

Dieser Text ist ausschließlich für Ihren persönlichen Gebraucht gedacht. Sie können daraus Erkenntnisse für Ihre eigene Ausdrucksweise gewinnen. Sie wählen frei, ob Sie mit diesem Wissen bei Ihren bisherigen Sprachgewohnheiten bleiben wollen oder ob Sie bei Bedarf Veränderungen in Ihrer Wortwahl vornehmen. Ich maße mir nicht an, Ihnen vorzuschreiben, wie Sie reden oder schreiben sollen. Dasselbe darf auch für Sie gelten: Bitte laufen Sie jetzt nicht umher und belehren Ihre Mitmenschen, wie sie sich ausdrücken müssen. Denn das wäre ein Eingriff ins Allerintimste, der weder mir noch Ihnen zusteht.

Text: Petra Weiß
Foto: Volker Kraus / pixelio.de

Danke schön

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Zur Autorin

Schreibkunst Redakteur PR-Text
Petra Weiß ist Heilpraktikerin, psychologische Beraterin und Therapeutin. Ihre Liebe zur Sprache begleitet sie schon ihr Leben lang. Als Fachjournalistin für das Ressort Medizin und Gesundheit mit den Schwerpunkten Naturheilkunde und Psychologie hat sie zahlreiche Beiträge in Print und Online veröffentlicht.

An mehreren Sachbüchern hat sie als Lektorin und Co-Autorin mitgewirkt. Ihr Buch SO BIN ICH ECHT ist im Februar 2022 im Hardcover erschienen. Ihr neues Buch PERLENTAUCHER DER REDEKUNST wird voraussichtlich im Herbst 2022 geboren.

Seit Sommer 2020 gibt sie die Zeitschrift “Weißheiten: vom Ich zum Selbst” heraus. Mit psychologisch fundierten Essays, praktischen Tipps und Denkanstößen begleitet sie Menschen, die sich weiterentwickeln wollen, auf ihrer spannenden Reise zu sich selbst.

 

 

 

 

 

 

“Wir sind die Borg.”

„Wir sind die Borg. Sie werden assimiliert. Widerstand ist zwecklos.“
Zitat aus STAR TREK, Serien Next Generation und Voyager, diverse Folgen

Früher wurden tiefe Weisheiten in Form von Märchen von Generation zu Generation weitergegeben. Die mündlichen Überlieferungen haben sich über die Jahrhunderte gehalten, weil grundlegende Muster des Menschseins, wiederkehrende innere und äußere Konflikte sowie mögliche Lösungen als Parabeln und Gleichnisse in den Erzählungen enthalten sind.

Die Gebrüder Grimm haben die Volksmärchen aufgeschrieben und gesammelt. Damit sind die Texte erfasst, dokumentiert und zentralisiert worden. Plötzlich gab es eine institutionelle „Hoheit“ über die Geschichten, die vorher Allgemeingut waren.

Mit jeder Rechtschreibreform, mit jedem Versuch, die Texte sprachlich oder inhaltlich dem Zeitgeist anzupassen, mit jedem Verbiegen des Ursprünglichen zugunsten der Political Correctness werden sie wertloser, weil der Leser immer schwieriger zur eigentlichen Bedeutung vordringt und kaum mehr am Kern der Botschaft andocken kann.

Heute werden Märchen in Umlauf gesetzt, die auf einer tiefen symbolischen Ebene die Weltsicht prägen, die das Bild der Allgemeinheit verzerren, was als „normal“ oder „üblich“ zu betrachten sei, und wie man mit Konflikten umzugehen habe. Viele davon kommen aus Hollywood. Moderne Märchen heißen Spielfilme oder Serien. Vordergründig dienen sie der Unterhaltung. Ich würde nicht behaupten, dass hinter jedem Blockbuster eine andere Absicht steckt, als damit kräftig Kasse zu machen. Tatsächlich kann sich aber niemand dem unterschwelligen oder offenkundigen Einfluss entziehen, durch den die Filme sein Welt- und Menschenbild formen.

Dass wir uns dessen bewusst werden, kann ein guter erster Schritt sein, zu einem natürlichen Empfinden für individuell passende Werte, Lebensweisen und Konfliktlösungen zurückzufinden. Meine Manipulationsspürnase schlägt Alarm, wenn in der Action oder in der Soap eine Ideologie verpackt ist, die moralisiert und damit spaltet. In der Folge verhindert das Moralisieren die Ausbildung einer echten Ethik. Statt uns unseren eigenen Werten bewusst zu werden und nach diesen Richtlinien zu leben, lassen wir uns von der Gemeinschaft sagen, was wir als gut oder böse einzusortieren haben.

Fragen Sie sich nach dem Anschauen einer Folge oder eines Films, welche Botschaft der Sender Ihnen vermitteln wollte. Wie wurden die Charaktere dargestellt? Welche Eigenschaften zeigten „die Guten“, welche „die Schlechten“? So erkennen Sie Ihr Erziehungsprogramm aus diesem Beitrag. TV-Produktionen, die mithilfe von Zwangsgebühren ins Leben finden, darf man auf ihren inhaltlichen Nährwert hin betrachten: die vorhersehbaren Storys, die seichten Dialoge, die Tränendrüsen-Drücker, die Echauffierer – was soll uns das alles bringen? Entspricht eine solche Produktion dem offiziellen Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens? Folgen da nur die Schauspieler dem Drehbuch oder auch die Zuschauer?

Serien, die ohne stattliche Bezuschussung über Jahrzehnte laufen, beherbergen möglicherweise Weltsichten, die direkt oder indirekt der gefühlten Wahrheit einer großen Anzahl von Zuschauern entsprechen. Vor diesem Hintergrund betrachte ich die STAR TREK Begeisterung. Millionen von Zuschauern verfolgen gespannt die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise und seiner Vorgänger oder Nachfolger. Spielfilme und Serien mit unzähligen Staffeln zeugen davon, dass dieses moderne Märchen viele Menschen berührt.

Kirk und Spok waren mir als Kind aus der Flimmerkiste bekannt. Ich habe wohl den einen oder anderen Kinofilm gesehen, konnte aber keinen rechten Gefallen an technikverliebtem Sience Fiction finden. Mit meinem Mann hielt vor ein paar Jahren das STAR TREK Universum Einzug in mein Wohnzimmer. Und nun begann ich, die (Ge-)Schichten hinter den Weltraumabenteuern zu entdecken. Mir ist früh aufgefallen, dass menschliche Eigenschaften auf andere Spezies übertragen und dort übertrieben dargestellt worden sind. Wie Karikaturen des facettenreichen Menschseins wirken auf mich die gefühlsunterdrückten Vulkanier, die profitgierigen Ferengees, die bis zur Paranoia misstrauischen Andorrianer, die gewaltverherrlichenden und dabei auf ihre Ehre pochenden Klingonen und die nach Perfektion strebenden Borg – eine Mischung aus Mensch und Maschine.

Mich erinnert das taktische Auslagern von Eigenschaften an Strategien aus der Psychotherapie. Bei der Reinkarnationstherapie beispielsweise können Patienten mit ein paar Jahrhunderten Abstand ihre weniger geschätzten Eigenschaften besser erkennen und leichter annehmen. Dadurch sind sie in der Lage, bewusst zu entscheiden, ob sie so bleiben oder sich verändern wollen. Vielleicht können wir Menschen unsere weniger geschätzten Eigenschaften besser erkennen und leichter annehmen, wenn wir sie an fremden Spezies vorgeführt bekommen.

Ich erlebe STAR TREK wie eine Ego-State-Aufstellung: Menschliche Eigenschaften werden getrennt voneinander betrachtet und miteinander in Interaktion gebracht – so wie wenn man verschiedene Seelenanteile aufstellt und zueinander in Bezug setzt. Innere Konflikte als Ursachen von Hindernissen werden dadurch sichtbar und Lösungen gefunden, die für alle Anteile akzeptabel sind.

Der Anteil, welcher den Gesamtorganismus in Bedrängnis bringt, hat dafür meist einen guten Grund, der gewürdigt werden will. Andernfalls wird er zum Saboteur aller Lösungsversuche. Ist seine Absicht hingegen bösartig und lebensfeindlich, braucht es ein entschlossenes und tatkräftiges Abgrenzen gegen den Feind.

Die lebensfeindliche Bösartigkeit wird in der Serie durch die Borg verkörpert. Sie überfallen fremde Spezies, um deren Technologie und Wissen zu erbeuten. Dafür fügen sie die Individuen gewaltsam in ihr Kollektiv ein. Sie „verbessern“ die Körper der „assimilierten“ Wesen mithilfe technischer Implantate. Als nummerierte Drohnen ist sodann ihr oberster Lebenszweck, dem Kollektiv zu dienen. Die einstigen Opfer werden zu Tätern und assimilieren ihrerseits fortan fremde Spezies.

Die Borg verlieren ihre Individualität, solange sie dem Gruppenbewusstsein angehören. Werden sie vom Kollektiv getrennt, erwacht ihre Erinnerung an ihre Einzigartigkeit wieder, was zu großer Verwirrung führen kann oder zur Entschlossenheit, wieder ein Individuum zu sein. Je jünger eine Drohne war als sie in das Kollektiv eingefügt wurde, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie ohne die Anbindung an das Kollektiv in Panik gerät. Ohne die tausend Stimmen der Gruppe fühlt sie sich einsam und hat Angst. Aus dem kindlichen Bedürfnis nach Schutz wird sie die Versuche ihrer Mit-Drohnen notfalls mit Gewalt untergraben, selbstständige Individuen zu werden.

Na, kommt Ihnen da eine Parallele in den Sinn?

Aus psychologischer Sicht beschreibt die Folge 224 aus der Serie „Voyager“ die Auswirkungen einer nicht erfolgten Individualisierung auf das Unabhängigkeitsbestreben des Umfelds – und die vollkommen andere Vorgehensweise bei fortgeschrittenem Mentalisierungsprozess. Die Moral von der Geschicht:

Solange ich selbst panische Angst davor habe, unabhängig zu werden, unterminiere ich das Unabhängigkeitsbestreben meiner Mitmenschen. Habe ich entdeckt, was es bedeutet, ein Individuum mit eigenen Werten und Vorstellungen zu sein, das seine Einzigartigkeit weiterentwickelt und als solches in der Gruppe Rückhalt und Akzeptanz findet, kann ich vom Kollektivismus und seiner Gleichmacherei ablassen.

In der Folge trifft die ehemalige Drohne SEVEN OF NINE die Entscheidung, dass es besser ist, ein kurzes Leben als Individuum zu führen als den Rest seiner Tage in einem Kollektiv gefangen zu sein. Vielleicht ist Widerstand gegen den Kollektivierungs-Wahn ja doch nicht ganz zwecklos….

Mir geht es keinesfalls drum, eine aufrührerische Streitschrift zu verfassen, die womöglich wieder in eine Ideologie verführt. Neulich las ich einen Aufruf: „Steht endlich alle auf!“ Solche Aussagen halte ich für hochgradig übergriffig. Sie zeugen außerdem von einem beschränkten Bewusstseinsniveau. Jeder wird sich an seinem Punkt der Entwicklung weiter wandeln oder auch nicht. Das ist jedem einzelnen überlassen. Wir können uns gegenseitig bei Bedarf und auf Wunsch unterstützen. Nicht mehr und nicht weniger.

Eine Weltsicht, die das Mitmachen aller erfordert, um ein Ziel zu erreichen, ist eine Ideologie. Ideologien leben von der Ab- und Ausgrenzung. Sie brauchen immer Außenstehende, die daran schuld sind, dass ihre Visionen der Zukunft sich nicht realisieren lassen. Denn an den Visionen selbst kann es nicht liegen. Sie werden nicht infrage gestellt. Ideologien haben insofern etwas Narzisstisches.

Gegenüber Ideologien bin ich besonders wachsam. Warum? Weil aus Ideologien Fanatismus entsteht, und zwar vor allem bei denjenigen, die dringend ein Kollektiv brauchen, weil sie noch nicht so weit sind, alleine zu stehen. Sie werden notfalls mit Gewalt die egal wie absurden Ideen Ihrer Gemeinschaft durchzusetzen suchen. Geht die Idee den Bach runter, verlieren sie ihre Ersatz-Identität und stehen plötzlich schutzlos da.

Das ist der Punkt, an dem der Einzelne Hilfe brauchen kann. Aber nicht wieder im kollektivistischen Sinne: „Du kannst nichts dafür, dass Du mitgemacht hast. Du warst ja im Kollektiv gefangen.“ Sondern in voller Verantwortung für jede Tat und für jede Unterlassung.

Weshalb ist das so wichtig, keine Schwamm-Drüber-Mentalität zu kultivieren?

Die Seele verlangt immer nach Ausgleich. Wenn ich mich schuldig gemacht habe, muss ich es wieder gut machen oder eine Strafe erhalten oder mich in Selbstvergebung üben. So funktioniert die menschliche Psyche. Andernfalls sühne ich unbewusst für meine Sünden. Dann entwickle ich psychosomatische Erkrankungen oder seelisch-geistige Störungen, die erstaunlich therapieresistent sein können. Das Bedürfnis zu sühnen wird wie die Nachwirkung eines Trauma über Generationen hinweg vererbt.

Falls Sie die Versuchung verlockend finden, sich im warmen Schoß eines Kollektivs einfach aufzulösen, keine eigene Identität und vielleicht sogar kein Geschlecht mehr zu haben, dann schauen Sie sich einfach mal ein paar alte Folgen STAR TREK an. Oh, natürlich ist das Science Fiction. Aber das Wesentliche der Botschaft wird Sie auf einer tiefenpsychologischen Ebene erreichen.

Prüfen Sie einmal, wie viel Borg, Klingone, Andorrianer, Ferengee oder Vulkanier in Ihnen steckt. Und hinterfragen Sie das Bild, welches die Menschen von ihrer eigenen Spezies in den Folgen und Teilen zeichnen.

Welche Werte sollen uns hier vermittelt werden? Und wie werden diese umgesetzt?

Was bedeutet Individualität in einer Gruppe, die ihre Mitglieder uniformiert, in der Privatsphäre nicht existiert und jeder nach Vorschrift und Hierarchie zu funktionieren hat?

Wie viel Doppelmoral verträgt eine Gesellschaft? Wollen wir so leben?

Text: Petra Weiß
Bild: Bernd Deschauer / PIXELIO

Danke schön

Mein Anliegen ist es, mit meinen Beiträgen an der Entwicklung der Menschheit in Richtung Aufrichtigkeit mitzuwirken. Das Schreiben liegt mir und ich habe etwas zu sagen, das gerade jetzt sehr gebraucht wird. Daher teile ich mein psychologisches Wissen, meine Praxis-Erfahrungen und meine Überlegungen mit Ihnen.

Ich freue mich über jeden Leser, der mich selbst gefunden hat oder über eine Empfehlung auf meiner Weltnetzseite landet. Danke fürs Weiterleiten meiner Beiträge! Und danke auch für Ihre wertschätzenden Kommentare.

Mit großem Vertrauen bin ich zuversichtlich, dass all das Gute, welches ich in die Welt gebe, auf irgendwelchen Wegen zu mir zurückfinden wird. Manchmal sogar in Euro. Herzlichen Dank an alle, die meine freiberufliche Tätigkeit durch einen Energieausgleich würdigen.

Konto: IBAN DE48 4306 0967 6022 2369 03
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Zur Autorin

Schreibkunst Redakteur PR-Text
Petra Weiß ist Heilpraktikerin, psychologische Beraterin und Therapeutin. Ihre Liebe zur Sprache begleitet sie schon ihr Leben lang. Als Fachjournalistin für das Ressort Medizin und Gesundheit mit den Schwerpunkten Naturheilkunde und Psychologie hat sie zahlreiche Beiträge in Print und Online veröffentlicht.

An mehreren Sachbüchern hat sie als Lektorin und Co-Autorin mitgewirkt. Ihr Buch SO BIN ICH ECHT ist im Februar 2022 im Hardcover erschienen. Ihr neues Buch PERLENTAUCHER DER REDEKUNST wird voraussichtlich im Herbst 2022 geboren.

Seit Sommer 2020 gibt sie die Zeitschrift “Weißheiten: vom Ich zum Selbst” heraus. Mit psychologisch fundierten Essays, praktischen Tipps und Denkanstößen begleitet sie Menschen, die sich weiterentwickeln wollen, auf ihrer spannenden Reise zu sich selbst.

 

 

 

 

 

Vom Glück keine falsche Anerkennung zu ernten

Unter Menschen ist es normal, dass wir uns gegenseitig Anerkennung spenden. Die Anerkennung drückt sich in wertschätzenden Worten aus, in Lob und Komplimenten, in Dankbarkeit und manchmal auch in symbolischen Auszeichnungen wie Orden, Prädikaten oder Titeln.

In dem Wort Anerkennung ist das „Erkennen“ enthalten. Wir können nur etwas oder jemanden anerkennen, das oder den wir erkannt haben. Was mag das sein? Bestenfalls erkennen wir den anderen in seiner Einzigartigkeit und wertschätzen diese. Das ist die Version für „Erleuchtete“. Im Alltag reicht es, wenn wir bestimmte Eigenschaften am anderen ausmachen.

Loben für Fortgeschrittene heißt nicht „Sie sind eine tolle Mitarbeiterin“, sondern „Sie haben die Quartalszahlen wieder sehr präzise und gleichzeitig übersichtlich dargestellt. Ich schätze Ihre Zuverlässigkeit, Ihre strukturierte Vorgehensweise und Ihren Blick fürs Wesentliche.“

Häufig erhalten wir aber Anerkennung für eine Leistung oder eine Tat. Und viele denken, dass das so sein müsste. Das ist ein Trugschluss, der uns sehr in die Irre führen kann und viele sinnlose Bemühungen nach sich zieht. Kaum etwas ist so aussichtslos und kräftezehrend wie der ständige Huzzle um Anerkennung für das Tun. Stattdessen sollten wir uns wünschen, für unser So-Sein wertgeschätzt zu werden. Sonst kann man uns durch Lob und Tadel beliebig lenken und für Zwecke einspannen, die wir sonst gar nicht unterstützen würden.

Das Thema begegnet mir immer wieder in der Sprechstunde. Daher will ich hier mit eine paar weit verbreiteten Missverständnissen aufräumen. Das Schwierigste zuerst: Wir haben keinen Anspruch auf Anerkennung. Wie sollten wir auch? Manche Menschen liegen auf einer derart abweichenden Wellenlänge zu der eigenen, dass wir nicht erwarten können, sie mögen uns erkennen geschweige denn anerkennen. Das hat viel mit der Unterschiedlichkeit von Eigenschaften und Fähigkeiten zu tun, aber auch mit verschiedenen Erfahrungen, Glaubensätzen und Wertesystemen.

Mit einem ausführlichen Beispiel aus meiner eigenen Biografie will ich Ihnen verdeutlichen, wie viel Leid falsche Vorstellungen von Anerkennung hervorbringen und welche andere Haltung hilfreich sein kann.

Autobiografisches Fallbeispiel

Als junge Frau war ich nach meiner kaufmännischen Ausbildung in einem großen Konzern als Sekretärin des Vertriebsleiters gelandet. Was nach einem perfekten Einstieg ins Berufsleben für eine 21-Jährige klang, entpuppte sich als Einöde. Ich langweilte mich zu Tode. Der Chef war selten da. Außer ein paar routinemäßigen Statistiken, die ich für ihn auswertete, und dem Sammeln von Telefonnotizen hatte ich kaum etwas zu tun.

Den anderen Damen auf der Geschäftsleitungsetage schien die Ereignislosigkeit ihres Arbeitstags nichts auszumachen. Die meiste Zeit gingen sie ihren Hobbys oder Zweitberufen nach, hielten Schwätzchen und lackierten sich die Nägel. Ihre Haupttätigkeit war das Buchen, Stornieren und Umorganisieren der zahlreichen Dienstreisen ihrer Vorgesetzten sowie das Sortieren von Korrespondenz und Ablage. Wenn der Boss dann doch einmal vor Ort war, schwangen sie emsig den Telefonhörer und zitierten Abteilungsleiter und Stabsstellen-Chefs herbei. Mit ihrer (Un-)Tätigkeit verdienten sie aus meiner damaligen Sicht ein Vermögen. Dieser “Traumjob” war nichts für mich. Ich war jung und energiegeladen und brannte darauf, meinen Tag mit einer sinnvollen Beschäftigung auszufüllen.

Meine Zeit füllte ich mit einer berufsbegleitenden Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin und hielt die Augen nach einer Wechselmöglichkeit offen. Nach einem Jahr fand ich eine Stelle als Direktionsassistentin in einem aufstrebenden Großunternehmen der IT-Branche mit internationalen Verbindungen. Der Chef war mir sympathisch, die Aufgaben waren wesentlich breiter gefächert und das Umfeld mit einem jungen engagierten Team wirkte deutlich lebendiger. Die Produktpalette bestand aus Homecomputern zum Discount-Preis. Unser gemeinsames Ziel war es, den technischen Fortschritt der 1990er Jahre für jedermann zugänglich zu machen. Damals schien uns das eine gute Idee zu sein. Gleichzeitig machte ich einen Gehaltssprung von 30 % und weiteren 10 % nach der Probezeit. Ich hatte allen Grund zu frohlocken.

Als ich meine überschäumende Freude mit meiner Familie teilen wollte, erlebte ich eine Überraschung: Statt mir begeistert zu dem Karriereschritt zu gratulieren, bekam ich mit entrüstetem Tonfall zu hören „Das hat es in unserer Familie noch nie gegeben, dass jemand den sicheren Arbeitsplatz in einem Konzern aufgibt!“ Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Anerkennung und Mitgefühl hätte ich mir gewünscht. Unverständnis und Verurteilung habe ich geerntet.

Zwar habe ich zwischenzeitlich verstanden, auf welchen Werten und Erfahrungen dieser Kommentar beruhte. Ich ziehe sogar in Betracht, dass eine gute Absicht vorhanden war. Verletzt hat der Ausspruch mich damals als junge Frau trotzdem und war lange prägend für meine eigene Bewertung meines beruflichen Tuns. Stets befand ich mich in einem Zwiespalt zwischen meinen eigenen Bedürfnissen und den (ausgesprochenen und unterschwelligen) Erwartungen aus dem Elternhaus.

Falsche Erwartungen werden enttäuscht

Die Erzählung ist wie eine Miniatur dessen, was Menschen allenthalben erleben, wenn sie mit der Erwartung von Anerkennung auf andere zugehen: Sie werden enttäuscht. Natürlich nicht immer. Es hängt von der gemeinsamen Wellenlänge, dem daraus entstehenden Verständnis und dem Maß an Mitgefühl ab, das jemand zu entwickeln in der Lage ist.

Die Enttäuschung ist zwangsläufig, wenn der andere uns nicht (er-)kennt , wenn er sich für unsere Sichtweise nicht interessiert oder für unseren Blickwinkel nicht offen ist, wenn er sein Weltbild und Wertesystem für das einzig richtige hält und wenn er außerdem kein Mitgefühl für unser Freude empfindet – das geht nämlich auch unabhängig vom Verständnis für die abweichende Position.

Mein berufliches Bestreben zielte nicht auf Sicherheit und möglichst lange Betriebszugehörigkeit, sondern auf Sinnhaftigkeit und Selbstverwirklichung. Das hätte ich seinerzeit noch nicht so klar ausdrücken können. Ich merkte nur, dass ich in den unpassenden Situationen einfach nicht verweilen konnte. Ich wusste, dass ich noch etwas anderes wollte, auch wenn ich gar nicht genau sagen konnte, was das sein würde.

Auch der Folgejob hat mich nur kurz erfüllt. Rasch war ich darüber hinaus gewachsen und brauchte neue Tätigkeitsfelder, die ich zunächst als Personalreferentin, später als Projektmanagerin und letztlich in der Selbstständigkeit fand, wo sich meine Arbeit und mein Bewusstseinsstand parallel weiterentwickeln konnten. Die Entwicklung an sich ist für mich entscheidend. Umfelder, die mein inneres Wachstum behindern, dienen mir nicht. Und mehr als das: Ich halte sie nicht aus, ohne krank zu werden.

Dieses So-sein wurde nicht wahrgenommen. Dafür kann ich niemanden anklagen. Wenn jemand eine Rot-Grün-Schwäche hat, sieht er diese Farben einfach nicht. Lebenskonzepte sind wie Schwingungsmuster, für die der eine ein waches Auge hat und der andere gar keinen Blick. Oder er missdeutet sie.

Was also hätte jemand anerkennen können?

Im Idealfall hätte er mich als einzigartiges Wesen gesehen, das einen ganz eigenen Weg einschlagen wird, bei dem es sich individuell entwickeln darf. Das ist natürlich viel verlangt.

Weil der Schritt für mich mit Angst verbunden war, die ich überwunden habe, hätte ich mir gewünscht, dass jemand meinen Mut bewundert, aus der sicheren Position heraus freiwillig ins kalte Wasser einer neuen Stelle zu springen – mit all den Unsicherheiten, die ein solcher Schritt mit sich bringt. Aus einem hierarchischen Weltbild heraus hätte er stolz sein können, dass ausgerechnet ich unter den vielen Kandidatinnen ausgewählt wurde, um diese wichtige Funktion für den Vorstandsvorsitzenden auszufüllen. Er hätte sich aus seinem Wertesystem heraus an meinem Fleiß erfreuen können, der es mir unmöglich machte, in dem lauen Job weiterhin vor mich hinzudümpeln.

Stattdessen hielt er mich in meinem jugendlichen Leichtsinn für unfähig, die Chance zu erkennen, die mir das Leben bot. Für vermessen zu denken, ich könne noch etwas Besseres haben oder sein. Und für undankbar. Das war das Schlimmste.

Seine Sichtweise scheint auf den ersten Blick etwas Wohlwollendes und vielleicht sogar Beschützendes haben zu können. Auf den zweiten scheint es mir an meinem eigentlichen Sosein vollkommen vorbei gesehen. Ja, mein Sosein wurde sogar um 180 Grad verdreht. Gerade WEIL ich die Chance erkannte, die mir das Leben bot, ergriff ich diese Gelegenheit. Dort machte ich viele wertvolle Erfahrungen, von denen ich heute noch gerne erzähle. Die Zeit hat mich menschlich und fachlich sehr bereichert. Und dafür bin ich dankbar. Seither habe ich mich immer weiterentwickelt. Dadurch waren meine beruflichen Aufgaben und Umfelder auch im steten Wandel. Mir geht es nicht darum, etwas Besseres zu haben oder zu sein, sondern den für mich passende Platz im (Berufs-)Leben zu finden. Und da bin ich jetzt.

Hätte ich mit aller Konsequenz um die Anerkennung dieser Person gerungen, hätte ich Physik studiert und mich beim Max-Planck-Institut für Kernforschung beworben. Was dann wohl aus mir geworden wäre? Eine mittelmäßige Wissenschaftlerin in einem frustrierenden Job. Wir werden nicht gut in dem, was uns nicht entspricht. Nur wenn wir unser Selbst in die Welt bringen, entfalten sich unsere einzigartigen Gaben und Talente zu etwas ganz besonderem.

Angenommen, die Qualität, mit der ich diese Position ausfülle, wäre dem Erwartungsanträger egal: Wie wäre es mir mit seinem Lob, seinem Stolz und seiner Wertschätzung wohl ergangen?

Wir stellen uns die Anerkennung immer so labend vor wie einen Zaubertrunk, ein Elixier, nach dem wir so lange gedürstet haben. Vermutlich wären die meisten von uns sehr enttäuscht von dem Resultat der Bemühungen in einem Fall wie oben beschrieben. Anerkennung für das, was uns nicht entspricht, berührt uns nicht, weil sie uns als Mensch gar nicht meint, sondern nur etwas, das wir vorgeben zu sein.

Das ist also auch keine Lösung.

Ein hoffnungsfroher Weg, wahrhaftige Wertschätzung zu erfahren, liegt darin, unser wahres Wesen zu leben. Wer uns darin anerkennt und erkennt, kennt uns wirklich. Seine Resonanz erquickt unser Herz, weil sie aufrichtig ist. Ja, wir sind gemeint, nicht irgendetwas, das wir getan haben, sondern unsere ureigene Art.

Ein guter erster Schritt ist es, dass wir uns selbst erkennen, unser wahres Wesen hinter all den Persönlichkeitsmerkmalen suchen, dessen Kern sich wie ein ganz bestimmter Unterton, eine Art definiertes Grundrauschen durch unsere komplette Existenz zieht. Daraus erfolgt die Anerkennung.

Ironischerweise ist die Kernforschung genau mein Metier geworden, aber anders als gedacht: Ich forsche nach dem Wesenskern von Menschen, zuvorderst natürlich nach meinem eigenen. Und genau das empfehle ich Ihnen auch.

Praktische Tipps

Sie dürfen mit einer leichten Aufgabe einsteigen: Finden Sie heraus, welche Ihrer starken Eigenarten Sie mögen und schreiben Sie sie auf. Spenden Sie sich selbst Anerkennung. Schicken Sie den kleinen Richter in Urlaub, den Sie in Ihrem Rucksack umhertragen, wenn er Ihnen mit dem Aufzählen von Ausnahmen auf den Zeiger geht und Ihnen vorwerfen will, dass Sie nicht perfekt sind. Schreiben Sie auf Ihre Anerkennungsliste, wenn Sie wollen: „Ich bin seit 52 Jahren nicht vollkommen und komme damit klar.“ Das nimmt den Druck raus.

Den inneren Perfektionisten können wir manchmal mit einer Skala überlisten. Statt sich zu fragen „Bin ich eher aufgeschlossen oder eher verbohrt?“ Könnten wir fragen „Auf einer Skala von 0 bis 10: Wie aufgeschlossen bin ich?“ Die Welt ist nicht nur schwarz-weiß.

Das Anerkennen des eigenen Selbst strahlt in die Welt und hat gleich eine ganze Reihe erfreulicher Folgen:

    • Wenn wir uns selbst anerkennen, verbiegen wir uns nicht mehr so sehr, um anderen zu gefallen, deren Anerkennung für das Ergebnis des Verbiegens uns ohnehin nicht dient.
    • Durch das Mehr an Authentizität geben wir uns Gelegenheit, Anerkennung von jenen, zu erhalten, die unser eigentliches So-Sein wertschätzen.
    • Niemand fühlt sich mehr unter Druck, uns Anerkennung zollen zu müssen, weil wir uns dieses Bedürfnis ja selbst erfüllen. Folglich erhalten wir nur noch aufrichtige Komplimente und echte Wertschätzung.
    • Wenn wir unser Wesen wahrhaftig in die Welt stellen, spart uns das viel Energie fürs Verbiegen. Unsere Aufmerksamkeit können wir anderen Dingen zuwenden.
    • Unser Blick für den Wesenskern wird geschärft, so dass wir auch bei anderen besser erkennen, wie sie im Grunde sind.
    • Ohne Stress können wir Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen uns und anderen bemerken und uns an ihnen erfreuen. Der ewige Konkurrenzkampf hört auf.

Verabschieden Sie sich ganz bewusst von dem Anspruch, es allen recht machen zu wollen. Lassen Sie ihr kindliches Bemühen los, Liebe durch Leistung erzwingen zu müssen. Die traurige Wahrheit ist: Solche “Liebe” ist keine. Diese Einsicht bedeutet den Verzicht auf Anerkennung.

Unterstützende Bewusstseinsübungen

Sprechen Sie den Satz für sich im stillen Kämmerlein, aber im Geiste an eine bestimmte Gruppe oder Person gerichtet aus „Ich verzichte bewusst auf Eure/Deine Anerkennung“. Üben Sie diesen Satz täglich bis er in Fleisch und Blut übergegangen ist.

Bei Bedarf unterstützen Sie den Prozess durch ein Loslass-Ritual, eine Familienaufstellung oder ein naturheilkundliches Medikament. Die Bachblüte Larch beispielsweise stärkt das Selbstvertrauen. Man kann auch nach einem homöopathischen Konstitutionsmittel Ausschau halten. Und bestimmt gibt es noch viele andere Unterstützungen, die Sie für sich finden können.

Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie schon bald die befreiende Wirkung Ihres neuen Umgangs mit Ihrem Bedürfnis nach Anerkennung spüren werden.

Text: Petra Weiß
Foto: Patti1902 / PIXELIO

Danke schön

Herzlichen Dank an alle Leser, die meine freiberufliche Tätigkeit durch einen Energieausgleich würdigen. Ich liebe die Arbeit an Texten. Mir macht es Freude, mein psychologisches Wissen, meine Praxis-Erfahrungen und meine Überlegungen mit Ihnen zu teilen. Gleichzeitig habe auch ich alltägliche Bedürfnisse wie ein Dach über dem Kopf und etwas Sojasahne im Kühlschrank. Daher bitte ich Sie, freiwillig einen angemessenen Energieausgleich zu leisten:

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Zur Autorin

Schreibkunst Redakteur PR-Text
Petra Weiß ist Heilpraktikerin, psychologische Beraterin und Therapeutin. Ihre Liebe zur Sprache begleitet sie schon ihr Leben lang. Als Fachjournalistin für das Ressort Medizin und Gesundheit mit den Schwerpunkten Naturheilkunde und Psychologie hat sie zahlreiche Beiträge in Print und Online veröffentlicht.

An mehreren Sachbüchern hat sie als Lektorin und Co-Autorin mitgewirkt. Ihr neues Buch SO BIN ICH ECHT ist im Februar 2022 im Hardcover erschienen.

Seit Sommer 2020 gibt Sie die Zeitschrift “Weißheiten: vom Ich zum Selbst” heraus. Mit psychologisch fundierten Essays, praktischen Tipps und Denkanstößen begleitet sie Menschen, die sich weiterentwickeln wollen, auf ihrer spannenden Reise zu sich selbst.

 

Warum wir (keine) Insekten essen sollten.

Immer wieder liest man in der Presse, dass Menschen künftig ihren Eiweißbedarf aus dem Essen von Insekten decken sollen. Vielleicht möchten Sie einen Moment lang in sich hineinspüren, welche spontane Reaktion dieser Gedanke bei Ihnen auslöst.

In äußerster Not oder unter akuter Lebensgefahr würden die meisten von uns Krabbeltiere verspeisen. Kaum jemand spaziert aber durch den Wald, bückt sich kurz und vertilgt dann einen köstlichen Käfer, der gerade seinen Weg gekreuzt hat. Zumindest in Mitteleuropa und vielen anderen westlichen Ländern empfinden die Menschen Ekel, Abscheu oder Mitleid, wenn sie jemanden beobachten, der sich von Insekten ernährt. Diese Reaktionen scheinen tief in unserer Kultur verankert zu sein. Das hat natürlich Gründe.

Nun finden wir überall Berichte, die den Verzehr von Heuschrecken & Co. anpreisen. Diese Kostform soll den Welthunger und die Klimakatastrophe auf einmal lösen und gleichzeitig unserer Tierliebe Vorschub leisten, damit Säugetiere nicht unter Bedingungen gehalten werden müssen, die nicht artgerecht sind. Klingt doch erst mal gut und vernünftig, nicht wahr?

Wenn Sie immer noch glauben, was Ihnen die Spin Doctors, PR-Manager und Weltenraddreher als großen Vorteil für die Menschheit verkaufen wollen, haben Sie meine Serie „Manipulative Muster erkennen“ noch nicht gelesen. Sie können das nachholen. Oder Sie klicken einfach weiter zu einem anderen Blogbeitrag. Das Internet ist groß und bietet auch für Ihren Bewusstseinsstand das Passende. Alles Gute für Sie!

Eine 180-Grad-Lüge?

Sie sind noch da. Schön. Dann interessiert es Sie vielleicht, in welchen übergeordneten Zusammenhängen man diesen merkwürdigen Einfall betrachten kann.

Mir gibt es zu denken, dass man ausgerechnet Heuschrecken zur seligmachenden Patentlösung für all unsere Ernährungsprobleme hochstilisieren will. Welche Assoziationen haben Sie mit diesen Tieren? Sind Heuschrecken dafür bekannt, dass sie irgendetwas mit Hungersnöten zu tun haben? Wie ist der Zusammenhang aus Ihrer Erinnerung?

Im kollektiven Gedächtnis der Menschheit sind die Ereignisse aus der Vergangenheit noch immer lebendig. Sie werden gemäß dem theoretischen Modell von Morphogenetischen Feldern, das auf den Erkenntnissen des Harvard-Forschers Prof. Rupert Sheldrake beruht, in ein Informationsfeld eingespeist und bleiben dort abrufbar. Ob wir dort wohl die Verbindung „Heuschrecke“ und „genährt sein“ häufiger finden als „Heuschrecke“ und „Hungersnot“? Was meinen Sie? Und ganz nebenbei erwähnt: Woher stammt der „-schreck-“liche Anteil des Wortes vermutlich?

Ich glaube wir werden hier wie allenthalben in großem Stile verarscht. Ob jemand einmal wieder ungeheuerlichen Profit aus unserem guten Glauben schlagen will, ob die Elite aus Industrie, Finanz und Politik ihre Verachtung für das gemeine Volk zum Ausdruck bringt oder ob irgendeine apokalyptische Sekte die Weltherrschaft anstrebt, ist mir offen gesprochen egal. Was mich interessiert, ist das geistige Prinzip, was hinter der Idee steht.

Facettenreiche Blickwinkel

Um mir Anregungen für solche Betrachtungen zu holen, schaue ich gerne in meine Homöopathiebücher. Vielleicht haben Sie schon erfahren, dass man Symptome mit bestimmten Mitteln behandeln kann, die aus metallischen/mineralischen, pflanzlichen oder tierischen Ursprungssubstanzen hergestellt worden sind. So gibt es auch Mittel aus Insekten. Diese kommen zum Einsatz, wenn der Patient entsprechende Beschwerden hat. Wir werden weiter unten noch näher darauf eingehen. Zunächst will ich verdeutlichen, dass das Ableiten von geistigen Prinzipien zur Arzneimittelwahl gar nicht ungewöhnlich ist.

Auch andere Verfahren aus der Erfahrungsheilkunde bedienen sich solcher Betrachtungen. Sie nennen es nur anders.

In der Pflanzenheilkunde versteht man unter dem Begriff Signaturenlehre das Beobachten von Lebewesen, um aus der äußeren Erscheinung und dem Verhalten Erkenntnisse über ihre Einsatzmöglichkeiten in der Medizin zu gewinnen. Für pflanzliche Arzneien ist dieses Vorgehen in der Phytotherapie üblich. Werfen wir einen solchen Muster-Erkennungs-Blick auf die fragliche „Delikatesse“:

Insekten zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Körper eine deutliche Trennung verschiedener Bereiche aufweist: Der Kopf, der Brustbereich und oft auch das Hinterteil sind durch Einschnürungen klar voneinander abgegrenzt. Im übertragenen Sinne könnte man sagen: Das Denken, das Fühlen und das Handeln haben keine Verbindung.

Die anthroposophisch erweiterte Medizin hat eine Dreigliederung im Menschenbild verankert. Dort ersetzt man den Begriff des Handelns mit dem Wollen. Es ist im Bauchraum, dem sogenannten Stoffwechselpol, verortet und führt per Definition ins Handeln. Neudeutsch ausgedrückt sprechen wir von Integrität, wenn die drei Wesensglieder in Harmonie miteinander sind.

Bei philosophischen Betrachtungen stehen die drei Entscheidungszentren Kopf, Herz und Bauch für das Schöne, Wahre und Gute. Was sich für den Bauch gut anfühlt, erleben wir als angenehm (schön), was wahr ist, offenbar sich durch den Verstand, und das Herz bringt beide Instanzen zusammen, so dass im individuellen Sinne Gutes daraus hervorgehen kann.

In der Homöopathie wird Ähnliches mit Ähnlichem behandelt. Das ist das Grundprinzip dieser Heilkunst. Daher wundert es nicht, für welche Zustände ein Insekten-Mittel angezeigt ist: Das Fühlen und Denken des Patienten sind nicht in Einklang und seine Sexualität ist von beidem entkoppelt. Von Liebe spricht er nicht. Die Paarbeziehung dient seinen praktischen, materiellen oder sexuellen Bedürfnissen.

Aus psychologischer Sicht würde man die Entkopplung von Denken, Fühlen und/oder Körperempfinden als Dissoziation beschreiben. Der Patient hat Teile seines Erlebens voneinander abgespalten. Ein solcher Zustand kann chronisch werden und ist durchaus behandlungswürdig. Mitunter ist die Abspaltung eine Folge von Trauma. Die Betroffenen funktionieren häufig verblüffend gut im Alltag, sind möglicherweise sogar glasklar im Denken, aber nicht „bei sich“. Ein sinnvolles Behandlungsziel ist dann eine Re-Integration der dissoziierten Anteile.

Im Krankheitsbild von Psychopathen ist die Abspaltung von Emotionen dauerhaft. Das ist ein wichtiges Merkmal zur Diagnose. Sie haben von Geburt an kaum Zugriff auf ihre Gefühlswelt und können daher auch kein Mitgefühl für andere entwickeln. Mit Eiseskälte gehen sie über Leichen, ohne mit der Wimper zu zucken, lügen und betrügen, dass sich die Balken biegen, und entwickeln nicht das geringste schlechte Gewissen.

Aus einen spirituellen Blickwinkel betrachtet fehlt ihnen die Verbindung zu ihrem höheren Selbst, falls sie so etwas tatsächlich haben. Kein innerer Kompass sagt ihnen deutlich, was gut und was schlecht ist. Sie kennen keine Ethik, die aus den eigenen Werten erwächst, nur eine aufgesetzte Moral. Und diese biegt sich erfahrungsgemäß innerhalb der Grenzen des Nützlichen nach allen modischen Richtungen.

Laut Statistik soll es etwa 1 % Psychopathen in der Menschheit geben. Je länger ich darüber nachdenke, desto unwahrscheinlicher erscheint mir diese Aussage. Wie will man die Zahl denn ermittelt haben? Kaum jemand kommt in die Praxis und sagt „Hallo, ich bin ein Psychopath.“ Die Betroffenen wissen davon meist gar nichts und falls sie es ahnen, versuchen sie diese Tatsache zu verschleiern. Dass sie sich überhaupt in psychiatrische Therapie begeben, ist selten. Sie haben ja keinen Leidensdruck. Das ist verständlich. Vermutlich machen sie schon früh die Erfahrung, dass ihre Herzlosigkeit nicht gut ankommt. Daher verstellen sie sich und imitieren den Ausdruck emotionaler Regungen, den sie bei anderen studiert haben.

Kehren wir noch einmal zurück zur Signaturenlehre. Schauen wir uns das Verhalten von Insekten an, fällt noch ein Gesichtspunkt ins Auge: der Mangel an Individualität. Schwarmtiere erfüllen ihre Funktion in der Gruppe. Es gibt keinen persönlichen Gestaltungsspielraum und wenig Platz für das, was wir als Individualbeziehung oder gar als Liebe bezeichnen würden. Schlimmstenfalls wird der Sexualpartner nach der Paarung verspeist.

Will man die Empfehlung, breite Teile der Bevölkerung künftig mit Insekten zu ernähren, mit einem breiten Blick bewerten, braucht es noch ein kleines, aber bedeutsames Fizzelchen Information.

Homöopathische Mittel sind dafür bekannt, dass sie beim Gesunden genau diejenigen Beschwerden auslösen, die sie beim Kranken zu heilen vermögen. Und das gilt nicht nur für ihre arzneilich aufbereitete Form, sondern auch für die Ursubstanzen. So mancher hat sich schon durch den übermäßigen Konsum von Kamillentee Symptome zugezogen, die man im Homöopathiebuch unter Chamomilla nachlesen kann.

Völkerkundlich kann man festhalten, dass über viele Jahrhunderte hinweg in einigen Kulturen die Auffassung galt, dass man sich die Eigenschaften von Lebewesen aneignen kann, indem man sie isst. Indigene Völker glaubten, sich den Mut einer Wildkatze zueigen machen zu können, indem sie ein Löwenherz verzehrten. Noch heute zeugen asiatische Potenzmittel aus tierischen Geschlechtsteilen von solchem Glauben. Das ist nicht immer gut für die entsprechenden Tierarten. Und ich möchte ausdrücklich nicht dazu raten. Wenn ich mir aber die Erfahrungen von unfreiwilligen Arzneimittelprüfungen wie oben beschrieben vergegenwärtige, frage ich mich schon, was es mit uns macht, wenn wir Insekten essen.

Ernährungswissenschaftlich ist längst bekannt, dass Essen und Trinken weit mehr ist als die Zufuhr von Kalorien und Vitalstoffen. Wir nehmen Energie in unseren Körper auf. Der Forscher Prof. Pop hat schon vor Jahrzehnten nachgewiesen, dass Lebensmittel Biophotonen enthalten, und die Frage ist berechtigt, ob sie es sind, wovon wir satt werden und Protein, Kohlenhydrate oder Fett ihnen nur als Träger dienen.

Mir steht es nicht zu, Ihnen sagen zu wollen, wie Sie sich ernähren sollen. Es gibt schon viel zu viel Bevormundung in diesem Thema. Meine Absicht ist es, Ihr Bewusstsein dafür zu wecken, welche Beweggründe man Ihnen für Ihre Entscheidungen unterjubeln will. Ich möchte Ihr Augenmerk darauf lenken, dass es noch andere Sichtweisen gibt.

Lassen Sie sich kein schlechtes Gewissen machen, erst gar nicht von Leuten, die selbst keines haben. Ihre Verantwortung liegt nur in Ihrem Wirkungsbereich. Und der ist realistisch betrachtet recht begrenzt. An den großen Rädern drehen andere schon sehr lange in die falsche Richtung.

Daran sind Sie nicht schuld. Das müssen Sie sich nicht einreden lassen, um dann dank emotionaler Erpressung irgendwelchen Steuerungen auf den Leim gehen, die uns als Menschheit in unseren individuellen Entwicklungen und kollektiven Bewusstseinsprozessen ganz bestimmt nicht weiterbringen wollen.

Bleiben Sie mit sich verbunden. Sie spüren, was Ihnen dient und wo man Sie wortgewandt manipulieren will. Pflegen Sie bewusst die Verbindung zwischen Ihrem Denken, Fühlen und Handeln. Üben Sie sich in ihrer individuellen Integrität. Folgen Sie Ihren eigenen Werten und Überzeugungen mit dafür geeigneten Mitteln. Nicht nach unseren Instinkten reflexhaft zu reagieren, sondern aus dem Bewusstsein heraus zu agieren, macht uns als Menschen aus.

Text: Petra Weiß
Foto:  Marion / PIXELIO

Danke schön

Herzlichen Dank an alle Leser, die meine freiberufliche Tätigkeit durch einen Energieausgleich würdigen. Ich liebe die Arbeit an Texten. Mir macht es Freude, mein psychologisches Wissen, meine Praxis-Erfahrungen und meine Überlegungen mit Ihnen zu teilen. Gleichzeitig habe auch ich alltägliche Bedürfnisse wie ein Dach über dem Kopf und etwas Sojasahne im Kühlschrank. Daher bitte ich Sie, freiwillig einen angemessenen Energieausgleich zu leisten:

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Petra Weiß ist Heilpraktikerin, psychologische Beraterin und Therapeutin. Ihre Liebe zur Sprache begleitet sie schon ihr Leben lang. Als Fachjournalistin für das Ressort Medizin und Gesundheit mit den Schwerpunkten Naturheilkunde und Psychologie hat sie zahlreiche Beiträge in Print und Online veröffentlicht.

An mehreren Sachbüchern hat sie als Lektorin und Co-Autorin mitgewirkt. Ihr neues Buch SO BIN ICH ECHT ist im Februar 2022 im Hardcover erschienen.

Seit Sommer 2020 gibt Sie die Zeitschrift “Weißheiten: vom Ich zum Selbst” heraus. Mit psychologisch fundierten Essays, praktischen Tipps und Denkanstößen begleitet sie Menschen, die sich weiterentwickeln wollen, auf ihrer spannenden Reise zu sich selbst.

 

Nach dem Betrug

Viele von uns haben dienstlich oder privat schon einmal einen Betrug miterlebt: Menschen gehen manchmal fremd, 10 % der eingetragenen Vaterschaften entsprechen nicht den Tatsachen, Steuern werden hinterzogen, Versicherungsbetrug ist ein Volkssport, Gebrauchtwagen und Häuser werden unter falschen Vorzeichen verkauft und so weiter.

Häufig bleibt die Tat unentdeckt. Wenn sie aber ans Tageslicht kommt, ist das Vertrauen gebrochen. Es braucht Zeit und anderes, um die Beziehung zu retten. Manchmal ist das auch nicht möglich. Schauen wir uns an, wie es nach dem Betrug weitergehen kann.

Warum Betrug unsichtbar bleibt

Betrug entsteht nur durch ein getarntes Verbrechen. Durch Lügen und Verschleierung der wahren Umstände wird die Tat vor Entdeckung abgeschirmt. Der Betrogene wurde also erfolgreich hinters Licht geführt, sonst kommt es gar nicht erst zum Betrug.

Wenn also ein Betrug enden soll, muss entweder der Täter den Vorgang aufdecken oder das Opfer muss sich der Tat bewusst werden. Selten wird der Täter freiwillig damit herausrücken, was er verbrochen hat. Das leuchtet ein. Warum aber sehen wir als Betroffene einen Betrug einfach nicht, während er unbeteiligten Beobachtern direkt ins Gesicht springt?

In unserem Unterbewusstsein haben wir eine ganze Reihe von Schutzvorrichtungen, die das verhindern. Allen voran das Ego, welches bei allen von uns mit unterschiedlicher Gewichtung auch narzisstische Anteile aufweist. Sie sorgen dafür, dass unser Selbstbild nicht unter der Last einer unliebsamen Erkenntnis über die eigene Unzulänglichkeit zusammenbricht.

Müssen wir uns eingestehen, betrogen worden zu sein, kommen zu dem entstandenen Schaden durch das Verbrechen noch die Verletzung durch die Lüge und die Scham, das Treiben nicht (früher) durchschaut zu haben. Und manchmal schlimmer noch: die eigenen Bedenken oder die Hinweise von wohlmeinenden Dritten in den Wind geschlagen zu haben. Ja, möglicherweise hat man die Hinweisgeber sogar beschimpft oder verhöhnt und sich dadurch genau an denen schuldig gemacht, die es gut gemeint haben. Solches Unrecht lastet schwer auf dem Gewissen.

Aus diesen Gründen ist das Eingeständnis eines Betrugs für das Opfer harter Tobak. Die Profis unter den Tätern wissen das genau und auch Hobby-Betrüger spüren instinktiv, dass sie dadurch geschützt sind. Sie surfen gewissermaßen im Windschatten von unbewussten Psychodynamiken und seelischen Bewältigungsstrategien. Psychologisches Wissen gegen die Menschen zu benutzen, ist zwar verwerflich, aber effektiv.

Gnädig sein und kühlen Kopf bewahren

Kommt der Betrug endlich auf den Tisch, ist es dringend geboten, Gnade walten zu lassen – zunächst mit sich selbst:

Als ehrenwerter Bürger sind Sie einem professionellen Trickbetrüger einfach nicht gewachsen. Genauso wenig durchblicken Sie als aufrechter Mensch die Nebel eines notorischen Lügners. Und hat Sie jemand nur ausnahmsweise angeschwindelt, muss sein Leidensdruck so groß gewesen sein, dass er reichlich Motivation hatte, sein Geheimnis sorgsam zu bewahren. All dem stand nichts entgegen außer Ihre Gutgläubigkeit. Darüber müssen Sie sich nicht grämen. Das spricht für Sie und Ihr bisher scheinbar recht betrugsfrei verlaufenes Leben. Glückwunsch! In Zukunft können Sie vorsichtiger sein.

Aus therapeutischer Sicht ist es wertvoll, sich vor Augen zu führen, an welcher Stelle es Hinweise gegeben hat, auch dann und gerade wenn Sie sie nicht weiter beachtet haben. Hinweise gab es fast immer. Vielleicht erinnern Sie sich an die konkrete Situation. Wie ist es Ihnen damals ergangen? Wie haben Sie sich gefühlt? Welche Gedanken und Vermutungen kamen in Ihnen hoch? Wie haben Sie sich beruhigt? Blieb dennoch ein Störgefühl bestehen? Spüren Sie jetzt eine körperliche Reaktion, während Sie über diese Fragen nachdenken? Nehmen Sie diese als Marker.

Im nächsten Schritt werden Sie sich darüber klar, warum Sie die inneren Einwände oder Warnungen von außen vom Tisch gewischt haben. Hier liegt ein Schatz für Ihre Persönlichkeitsentwicklung verborgen. Statt sich in Selbstmitleid zu wälzen oder in Schuldgefühlen zu vergehen, können Sie an dieser Stelle etwas Sinnvolles für Ihren Bewusstseinsprozess tun. Wenn Sie das Warum verstanden haben, sind Sie für künftige Honigtöpfe dieser Art nicht so empfänglich.

Indem Sie Ihren Anteil am Geschehen sehen, kommen Sie aus der passiven Opferhaltung heraus. „Ja, ich habe mich verführen lassen, weil….“ ist kraftvoller als das Mimimi: „So etwas passiert immer nur mir.“

Belastete Beziehungen kitten – zu sich und zu anderen

Außerdem können Sie sich mit den Früchten Ihrer Selbsterkenntnis den verprellten Helfern erklären, um die Beziehung zu retten, falls das Ihr Wunsch ist. Haben Sie keine Angst: Menschen haben mehr Verständnis und Mitgefühl als man denkt – sogar für diejenigen, die weniger davon haben. Trauen Sie sich, den ersten Schritt zu machen. Was haben Sie schon zu verlieren?!

Ihre Erkenntnisse dürfen Zeit brauchen. Setzen Sie sich bitte nicht unter Druck. Die Situation ist für Sie schon schwer genug. Ihr Selbstbild ist in Gefahr. Machen Sie sich bewusst, dass nur die Illusion, die Sie von sich hatten, zerbricht, nicht aber Ihr wahres Selbst. Dieses ist „unkaputtbar“, Ihr Wesenskern bleibt in seiner Reinheit unberührt von all den Höhen und Tiefen Ihrer Erlebnisse in der 3D-Welt. Sie werden diese Krise überstehen, so wie Sie schon viele andere heikle Situationen überlebt haben. Und bestenfalls werden Sie gestärkt daraus hervorgehen.

Wenn später bei einem neuen Verdacht, Ihr frisch eingerichteter Betrugsalarm anspringt, fragen Sie sich, was die Übereinstimmungen mit der vorherigen Situation sind und was die Unterschiede. Prüfen Sie vor allem, ob jemand mit einem altbekannten Lockmittel winkt. Je besser Sie Ihre üblichen Verführungen erkennen, desto leichter können Sie ihnen widerstehen. Und auch dann wird es noch anstrengend, sich abzugrenzen.

Verlockungen erkennen und widerstehen

Meist lockt man uns mit einem emotionalen Versprechen, das von dem angebotenen Umstand oder Ding ohnehin nicht erfüllt werden kann. Finden Sie heraus, welche Ihre unerfüllten Wünsche und Sehnsüchte sind. Fangen Sie damit an, sich Ihre berechtigten Bedürfnisse selbst zu erfüllen oder gezielt nach der Erfüllung echter Bedürfnisse zu suchen, nicht nach einem billigen Ersatz.

Kompensation mündet immer in Gier, weil das eigentliche Begehren ja nicht gestillt wird. Wenn man nicht einsieht, dass der Weg falsch ist, will man immer mehr und mehr und mehr – und wird nicht satt. Machen Sie sich das bewusst. Es kann schmerzhaft sein, den Verlust anzuerkennen, wenn wir etwas Wichtiges entbehren müssen, das uns als Menschen eigentlich zusteht, z.B. Freundschaft oder Fülle.

Das kann eine gute Gelegenheit sein, unsere Vorstellungen über die Quellen unserer Bedürfniserfüllung richtig zu rücken. Ein beliebtes Beispiel ist unser Bedürfnis nach Sicherheit. Wir versuchen es uns mit allerlei Materiellem zu stillen. Gelingt das? Wenn wir kein Dach über dem Kopf haben, kann ein bisschen Wohlstand tatsächlich ein Mehr an Sicherheit mit sich bringen. Ab einem bestimmten Grad der Finanzkraft dient uns noch mehr allerdings gar nicht, um unser Sicherheitsgefühl weiter zu stärken.

Die Lösung liegt wie so oft nicht im Außen, sondern in uns. Sicherheit und Stabilität erleben wir, wenn wir uns auf uns selbst verlassen können, wenn wir nach unseren eigenen Werten leben, nach unseren Worten handeln und die Versprechen, die wir uns selbst gegeben haben, nicht bei aufkommendem Sturm gleich über Bord werfen. Gelebte Integrität erhöht zudem unsere Selbstachtung und diese wiederum unterstützt uns dabei, uns weiterhin treu zu bleiben. Das ist ein sich selbst verstärkender Kreislauf.

Und wenn Sie in der Rolle des Helfers waren..

Die abgelehnten Helfer können übrigens im Rahmen der Betrugserkenntnis ihrer Freunde eine wichtige Einsicht gewinnen: Niemandem dient es, dass sie Recht gehabt haben. Bemerkungen wie „Das habe ich Dir doch gleich gesagt!“ oder „Warum hast Du nicht früher auf mich gehört?“ sind jetzt vollkommen entbehrlich. Verzichten Sie auf den Triumph. Er ist hier nicht angebracht. Werten Sie sich nicht auf, indem Sie den anderen abwerten. Er hat genug Kummer zu verkraften. Wenn Sie ihn ohne Vorwurf oder Schadenfreude fragen, was er jetzt von Ihnen braucht, beweisen Sie wahre Größe.

Später einmal können Sie ihm sagen, wie es Ihnen damit gegangen ist, nicht ernst genommen zu werden oder hilflos mit ansehen zu müssen, wie er in sein Unglück rennt. Das gehört zur Aufarbeitung der Verletzungen. Darauf haben Sie einen berechtigten Anspruch, wenn die Zeit gekommen ist und der andere wieder Energie frei hat.

Falls Ihnen das schwerfällt, betrachten Sie zunächst Ihre eigenen Schwächen bitte mit etwas mehr Verständnis und Mitgefühl. Auch die (vermeintlichen und tatsächlichen) Fehler, die Sie als jüngerer Mensch einmal hatten, brauchen vielleicht ein wenig Gnade bevor Sie gnädiger mit anderen umgehen können. Selbstvergebung ist oft ein guter Weg. Das ist ein ganz eigenes Kapitel, zu dem wir in einem späteren Beitrag noch kommen.

Wir alle werden, nachdem die Wahrheit ans Licht gefunden hat, viel zu verzeihen haben: uns selbst und den anderen. Um der Dynamik von Schuld und Sühne zu entkommen, müssen wir uns der Verantwortung stellen. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger als eine Antwort zu haben auf die Frage, warum wir uns so und nicht anders verhalten haben. Wir tun gut daran, unseren eigenen Werten zu folgen. Dann fällt es leichter, sich für sein Tun und Lassen zu rechtfertigen. Nicht vor der Welt, sondern vor uns selbst.

Text: Petra Weiß
Foto: S. Hofschlaeger / PIXELIO

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An mehreren Sachbüchern hat sie als Lektorin und Co-Autorin mitgewirkt. Ihr neues Buch SO BIN ICH ECHT ist im Februar 2022 im Hardcover erschienen.

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Die 180-Grad-Lüge

Beim Lügen gibt es wie bei allen anderen Kunstformen Hobby-Akrobaten und Voll-Profis. Eine Schwindelei in die Welt zu setzen, ist gar nicht so schwer. Man muss einfach nur die Unwahrheit sagen. Weitaus kniffliger ist es, eine Lüge dauerhaft am Leben zu erhalten. Sich immer wieder an den falschen Inhalt zu erinnern, vielleicht noch nach vielen Jahren, ist anstrengend und riskant.

Während wir tatsächlich Erlebtes unter Hypnose noch nach Jahrzehnten aus dem Unterbewusstsein detailgenau hervorholen können, verschwimmen die Einzelheiten einer erdachten Geschichte mit der Zeit. Dann sind es die klitzekleinen Ungereimtheiten, die den aufmerksamen Beobachter aufhorchen lassen. Wenn wir nicht wollen, dass der ganze Schwindel früher oder später auffliegt, gibt es zwei grundverschiedene Vorgehensweisen, die ich in diesem Beitrag für Sie beleuchten will:

Befassen wir uns zuerst mit dem Münchhausen-Trick für Einsteiger: Immer so nah wie möglich an der Wahrheit bleiben. Warum diese Taktik gut funktioniert, liegt auf der Hand. Wenn wir eine Lüge in eine ansonsten wahre Geschichte verpacken, sind zahlreiche Tatsachen in der Erzählung konkret und nachprüfbar. Das ist für den Lügner entspannt und für den Belogenen vertrauenerweckend.

Nehmen wir an, Sie wollten Ihren Lebenspartner betrügen. (Das machen Sie natürlich nicht, es ist ja nur ein Beispiel zu Veranschaulichung!) Sie wollten sich mit Ihrer Liebschaft treffen, ohne dass Ihr Ausflug bemerkt wird. Reisen Sie bei Nacht und Nebel an einen unbekannten Ort und behaupten, dass Sie die ganze Zeit über zu Hause gewesen sind? Nein, das wäre viel zu gefährlich.

Jemand könnte bemerkt haben, dass Ihre Reisetasche fehlt, ein Bahnticket finden, einen Blick auf Ihre Kreditkartenabrechnung erhaschen, unterwegs oder vor Ort könnten Sie Menschen treffen, die sich später an Sie erinnern. Man glaubt nicht, welch schrägen Humor der Zufall manchmal hat. Mir ist am Flughafen in Ägypten schon einmal eine frühere Arbeitskollegin unverhofft begegnet. Solche Ereignisse sind unwahrscheinlich – aber nicht unmöglich. Schlimmstenfalls könnten Sie unterwegs mit dem Auto liegenbleiben und müssten den Abschleppdienst rufen – dabei wollten Sie selbst gerade jemanden abschleppen. Ironie des Schicksals.

Aus all diesen Gründen bleibt der ungeübte Märchenerzähler nah am Tatsächlichen. Er wird offen zugeben, wohin er fährt. Die komplette Reise kann ihm damit nicht mehr zum Fallstrick werden. Am besten, er hat für seine Abwesenheit einen unverfänglichen Anlass: ein sportliches Ereignis, eine dienstliche Besprechung, das Treffen mit alten Freunden oder irgendeine Erledigung, die dort vor Ort passieren muss. Und danach schleicht er sich auf leisen Sohlen in die Liebeslaube.

Bei seiner Rückkehr hat er allerhand zu berichten. Er kann abendfüllend über seine Erlebnisse reden und muss nur einen Teil davon auslassen. Heikel sind lediglich die zeitlichen Übergänge. An diesen Punkten bleibt er unkonkret, man könnte sagen, er verwendet einen Weichzeichner an der Schnittstelle zwischen Wahrheit und Lüge. Genau dort kommen Merkwürdigkeiten ins Spiel.

Ich bin den wenigen Männern dankbar, die mir Gelegenheit gaben, ihre Mogeleien aus der Nähe zu studieren. Diese kurzen Beziehungen waren sehr lehrreich für mich. Wenn ich jetzt aus dem Nähkästchen plaudere, treffe ich meine Aussagen naturgemäß aus meinem weiblichen Blickwinkel. Das soll aber niemanden diskriminieren. Mit Gewissheit kann ich sagen, dass Frauen ebenso liebestoll werden können wie die Herren der Schöpfung.

Eine beeindruckende Schnittstellen-Lüge erlebte ich einmal mit einem notorischen Fremdgänger, der mich vom Hotelflur aus anrief – angeblich auf dem Weg in sein eigenes Quartier. Heute kann ich darüber lachen, welch unverfrorene Offenkundigkeit sein Betrug hatte. Fast so als hätte er es geradezu darauf angelegt, entdeckt zu werden. Darüber könnte man jetzt beliebig psychologisieren. Ich widerstehe der Versuchung, dem Seitenstrang der Erzählung zu folgen.

Solche Seitenstränge finden wir zuhauf in den Berichten von Lügenbaronen. Sie sollen die Aufmerksamkeit auf weniger glitschige Wegstrecken der Story leiten. Der Anteil der Lüge an der Gesamtgeschichte soll möglichst klein gehalten werden, deshalb wird der Rest größtmöglich aufgeblasen. Die Falschaussage wird dabei gewissermaßen verwässert. In 97 % Wahrheit gehen 3 % Lüge mit etwas Glück einfach unter.

An dieser Stelle will ich einen Einwurf machen: Bitte unterstellen Sie Ihrem Liebsten nicht, dass er sich anderweitig vergnügt, nur weil er gerne ausschweifend erzählt. Mir geht es nicht darum, dass Sie zum paranoiden Lügen-Sucher werden. Ein gesundes Vertrauen ist eine wichtige Grundlage für das Miteinander in einer Liebesbeziehung. Aber lassen Sie sich auch nicht schwindelig schwätzen, wenn Ihr Bullshit-Detektor auf Rot steht und alle Warnssirenen in Ihrem Kopf heulen, während sich Ihr Magen zusammenkrampft.

Von Natur aus haben Menschen ein Gespür dafür, ob sie belogen werden. Es ist Teil unserer angeborenen Freund-Feind-Erkennung. Feine Nuancen in der Mimik, Gestik, Stimmlage etc. nehmen wir unbewusst wahr. Wenn das Gesprochene von der Wirklichkeit des Sprechers absichtlich abweicht, steht er unter Stress (es sei denn, er ist ein Psychopath). Diesen Zustand verrät er auf mannigfaltige Weise. Der Stress kann aber auch von ganz anderen Zusammenhängen herrühren. Das wissen wir nicht. Wir können nur beobachten und interpretieren.

Der schlaue Lügner verpackt seine Halbwahrheit in einen emotionalen Inhalt. Er weiß, dass er beim Aussprechen der Lüge, sehr aufgeregt sein wird. Also fügt er diesen Teil der Erzählung in einen Handlungsstrang, der mit einer nachvollziehbaren Erregung verbunden ist.

Mein frisch verliebter Don Juan plauderte einst beim Abendessen mit leuchtenden Augen von seiner neuen Flamme. Damit seine offensichtliche Begeisterung meinen Argwohn nicht erregt, strahlte er vor Freude über die geschäftlichen Vorteile, die sein Kontakt mit der Frau noch mit sich bringen würden. Vorteilhaft war vor allem die vom Ehemann getrennt geführte Dienstwohnung, wo man sich treffen konnte.

Ob ich die Flöhe husten hörte? Das kann man sich zu Recht fragen. Und leider bleibt die Frage oft unbeantwortet im Raum stehen. Selten ergibt sich eine Aufklärung wie in diesem Fall: Mit dem Begehr, mein Einverständnis für sein Techtelmechtel zu erhalten, endete kurz darauf unsere Liaison.

Bei der Analyse des Gesprächsverlaufs fiel mir später auf, dass er von vier neuen Geschäftspartnern sprach und ausgerechnet bei der Frau den Vornamen weggelassen hatte. Als ich ihn danach fragte, wurde er ärgerlich und fing an, völlig unnötig über etwas Nebensächliches herumzustreiten.

Wenn wohl überlegte Fragen den Lügner in Bedrängnis bringen, ist es sehr praktisch, den Ärger über die Unzulänglichkeit der Story auf den Belogenen abzuwälzen. Gerade Frauen – zumindest in meiner Generation – neigen allzu schnell dazu, der Wut ihres Partners aus dem Weg gehen zu wollen und sind dann lieber still.

Sie sehen: Schwindeln für Einsteiger hat Risiken und Nebenwirkungen. Schauen wir doch mal, wie die Spitzenkräfte in dieser Disziplin das machen. Sie lügen nicht nur ab und zu, sondern ständig. Daher brauchen sie eine ganz andere Taktik. Das Aussprechen der Unwahrheit entwickelt einen reflexhaften Zug.

Mit großer Verblüffung habe ich so etwas einmal bei einer Kollegin in Echtzeit miterlebt. Sie hat völlig ohne Not einen Kunden angelogen. Der Sachverhalt war eindeutig, und ich selbst war Zeuge der wahren Begebenheit gewesen. Also sprach ich sie darauf an, als wir wieder alleine waren. Sie gab unumwunden zu, dass sie gelogen hatten, konnte aber gar nicht sagen, warum. Später habe ich von ihr erfahren, dass sie sich in einem privaten Zusammenhang seit Jahren gezwungen sah, die Wahrheit in ihrem engsten Umfeld zu verbiegen. Ich habe daraus den Schluss gezogen, dass sie es einfach gewohnt war, den Menschen direkt ins Gesicht zu lügen. Sie tat es nicht mit einer bestimmten Absicht, sondern aus Reflex.

Mit der Zeit kann man sich mitunter sogar selbst einreden, die „alternative Wirklichkeit“ sei objektive Wahrheit. Nach einigen Jahrzehnten mit einer Lebenslüge übertüncht dieses Märchen sozusagen die Realität. Und doch bleibt untergründig immer ein leises Störgefühl, wie ein Instrument, das nur ganz leicht verstimmt ist. Knapp daneben eingestimmt, stört es die Harmonie des Klangs.

Ganz anders wirkt die hohe Kunst der Unaufrichtigkeit: Ich nenne es „die 180-Grad-Lüge“. In einem Comic über den professionellen Umgang mit der Unwahrheit heißt es sinngemäß, man solle nicht ein bisschen schwindeln, das fällt eher auf. Nein, man solle dem anderen so richtig „die Hucke voll lügen“.

Klingt das widersinnig für Sie und deshalb riskant? Ganz im Gegenteil: Dadurch, dass es exakt widersinnig ist, geht die Lüge durch wie ein warmes Messer durch weiche Butter. Wie kann das sein?

Unser Gehirn erkennt Sachverhalte eher als richtig, wenn sie um 180 Grad verdreht sind, als wenn man nur knapp an der Wahrheit vorbei gezielt hat. Ich vermute, das hängt mit unseren Sehgewohnheiten zusammen. Vielleicht haben Sie aus dem Biologie-Unterricht in Erinnerung, dass der Sehvorgang im Auge die Außenwelt auf dem Kopf stehend abbildet. Erst im Gehirn wird das Bild automatisch korrigiert.

Ähnlich ist es mit dem Blick in den Spiegel. Wir sehen uns alltäglich seitenverkehrt. Daran sind wir so gewöhnt, dass wir mit der Webcam üben müssen, um die Haarsträhne nicht versehentlich aus der falschen Seite der Stirn streichen zu wollen.

Die genaue Umkehr macht eine Lüge praktisch unsichtbar und setzt unseren angeborenen Instinkt außer Kraft. Deshalb kann unser Unterbewusstsein das pure Gegenteil durchwinken als sei es die ganze Wahrheit.

Dazu habe ich noch ein Beispiel aus dem echten Leben:

Ein Westentaschen-Casanova gab mir einen ungewöhnlichen Kosenamen – eine Abkürzung, die dafür stand, dass es außer mir keine Frau in seinem Leben gab. Im Nachhinein betrachtet war die geschmackloseste 180-Grad-Lüge, die mir je begegnet ist. Niemand zu vor oder später hat mir so demonstrativ die (nicht vorhandene) Exklusivität unserer Paarbeziehung aufs Auge gedrückt. Ich bekam sogar eine Kaffeetasse mit dem Es-kann-nur-eine-geben-Aufdruck geschenkt.

Was mir bei allen Fremdgängern aufgefallen ist, war ihre übertriebene Eifersucht. Der eine konnte nicht ertragen, dass ich regelmäßig in meine Heimatstadt fuhr, der andere wollte mir Kleidungsstücke verbieten, die meine Figur betonten (ich bin ein klassischer Stiltyp und neige ohnehin nicht zum Catsuit), der dritte war nach mehr als 10 Jahren noch tödlich beleidigt, dass seine Frau ihn betrogen hatte – mit meinem Wissen von heute würde ich sagen, sie hat sich möglicherweise revanchiert.

Woher kam der unangebrachte Argwohn mir gegenüber? Nun ja, die Herren wussten aus eigenem Erleben, dass Betrug alltäglich sein kann. Kein Wunder, fürchteten sie sich davor, eines Tages selbst hintergangen zu werden. Je nach Weltbild könnte man das als ausgleichende Gerechtigkeit empfinden oder als Entlastung für ihre Taten werten.

Gleichzeitig kann es sich um Projektion, man könnte auch sagen, um eine 180-Grad-Unterstellung handeln: Ich gehe fremd und unterstelle stattdessen dir das Fremdgehen. In der Psychologensprache nennt man das eine Opfer-Täter-Umkehr. Dieser Trick ist sehr beliebt, vor allem bei Menschen, die sich ihren eigenen Schattenanteilen nicht stellen wollen.

Kommen wir noch mal auf die Vorzüge der 180-Grad-Lügen zu sprechen: Während man sich bei kleinen Vergehen an die Schnittstellen zwischen Wahrheit und Lüge präzise erinnern muss, ist beim Hucke-voll-Lügen alles erlaubt, je absurder desto besser.

Ohne diese Person als Vorbild nehmen zu wollen, geschweige denn mit seinen politischen Zielen in irgendeiner Weise übereinzustimmen, zitiere ich hier den Propagandisten Joseph Goebbels: „Je größer die Lüge desto mehr laufen hinterher.“

Nehmen wir an, Sie wollten jemanden vergiften. Würden Sie sagen: „Liebling, das ist Arsen, aber ich habe Dir eine unbedenkliche Menge zusammengerührt.“ Oder: „Mit diesem Gewürz wird Dein Mittagsessen verfeinert?“ Nein, das würden Sie nicht.

Stattdessen würden Sie eine 180-Grad-Wende hinlegen mit der Behauptung: „Das ist ein sicheres und gut verträgliches Magenmittel, davon gehen Deine Verdauungsbeschwerden weg.“ Und falls mit den ersten Dosen Übelkeit, Brechreiz und Durchfall auftreten? Dann sprechen Sie einfach von einer Heilkrise oder von einer Erstverschlimmerung. Oder Sie behaupten rotzfrech „Daran merkt man, dass es wirkt. Du brauchst noch mehr davon.“

Haben Sie den Trick verstanden?

Die Geschichte ist voll von 180-Grad-Lügen. „Niemand hat die Absicht…“ ist ein Paradebeispiel aus der deutschen Historie. „Unsere Renten sind sicher“, „Es wird keine Kürzungen der Sozialleistungen geben“, und so weiter und so fort.

Sie müssen nicht lange suchen, um jederzeit und überall solche Kehrtwenden aufzuspüren. Spricht man sie an, wird sich ohrenbetäubendes Getöse erheben, ob der Unverfrorenheit, jemanden an sein Versprechen zu erinnern. Wie können Sie es wagen?!

Meine Beobachtung der letzten Monate führt mich zu der Annahme, dass es in vielen Fällen wahrscheinlicher ist, von einer 180-Grad-Lüge auszugehen als von einer ehrlichen Aussage.

Prüfen Sie im Zweifel den Wahrheitsgehalt von gesprochenen Worten anhand ihrer praktischen Umsetzung. Einige Behauptungen haben eine erstaunlich kurze Halbwertszeit.

Wir fallen zuweilen unsanft aus dem Spiegeluniversum zurück in die Realität, nachdem jemand bekommen hat, was er von uns wollte. Das kann eine Einwilligung sein, ein Vertragsabschluss, ein Ehering oder das Kreuz auf einem Wahlzettel.

Seien Sie sich dessen bewusst, dass Ihr brillanter Verstand an den dreistesten Lügen vorbei schielt und sie im 180-Grad-Winkel automatisch korrigiert. Finden Sie die leisen Misstöne zwischen all den Geschichten, die man Ihnen auftischt, und hören Sie auf Ihren Bauch, wenn Ihr hauseigener Alarm Warnsignale gibt.

Text: Petra Weiß
Foto: knipseline / PIXELIO

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Zur Autorin

Schreibkunst Redakteur PR-Text
Petra Weiß ist Heilpraktikerin, psychologische Beraterin und Therapeutin. Ihre Liebe zur Sprache begleitet sie schon ihr Leben lang. Als Fachjournalistin für das Ressort Medizin und Gesundheit mit den Schwerpunkten Naturheilkunde und Psychologie hat sie zahlreiche Beiträge in Print und Online veröffentlicht.

An mehreren Sachbüchern hat sie als Lektorin und Co-Autorin mitgewirkt. Ihr erstes eigenes Buch SO BIN ICH ECHT erscheint im ersten Quartal 2022 im Hardcover.

Seit Sommer 2020 gibt Sie die Zeitschrift “Weißheiten: vom Ich zum Selbst” heraus. Mit psychologisch fundierten Essays, praktischen Tipps und Denkanstößen begleitet sie Menschen, die sich weiterentwickeln wollen, auf ihrer spannenden Reise zu sich selbst.

Der Bläuling – Eine Metamorphose als Muster zur menschlichen Transformation

Meine Beschäftigung mit der Homöopathie bringt mir immer wieder erhellende Einsichten in die menschliche Natur. Wir finden alle Spielarten des Seins in homöopathischen Konstitutionsmitteln verborgen. Ihr Studium gibt Aufschluss über die zugrundeliegenden Beweggründe und Absichten eines Verhaltens, welches sich oft genug völlig unverständlich oder – schlimmer noch! – missverständlich an der Oberfläche zeigt.

Insofern unterstützt die Homöopathie unseren Mentalisierungsprozess, also das Entwickeln unserer Fähigkeit, den anderen als selbstständiges Wesen zu begreifen, dessen Eigenarten sich uns nicht immer spontan erschließen. Mitfühlend und neugierig können wir die Andersartigkeit erforschen bis wir ihre Grundzüge verstehen.

Was dabei geschieht ist eine seelisch-geistige Reifung mit Bewussstseinssprung.

Zur bildhaften Darstellung des Geschehens kommt mir ein Schanzenspringer in den Sinn: Er trifft eine Entscheidung, sich mit seinen Skiern auf die Schanze zu begeben und ab da gibt es kein Zurück mehr. Zwar hat er Einfluss auf seine Körperhaltung und – in engen Grenzen – auch auf seine Bewegungen auf der Schussfahrt. Ob er aber den Absprung wagt oder nicht, steht nicht mehr zur Debatte, wenn er erst einmal auf dem Weg ist. Hat er dann den Sprung vollzogen, schwebt er eine kurze Weile in den Lüften bis er den Grund erneut berührt und für einen geschmeidigen Ausschwung sorgt. Die vollkommen unterschiedlichen Stufen seiner sportlichen Reise können uns als Sinnbild für die Transformation dienen.

In einem solchen Wandlungsvorgang befindet sich meinem Erleben nach die Menschheit. Wir sind schon auf der Piste. Statt uns über die Geschwindigkeit zu beschweren und die Qualität der Eisschicht zu kritisieren, sollten wir uns innerlich lieber auf den bevorstehenden Absprung vorbereiten. Wir können kleine Anpassungen in der Haltung vornehmen, die dem Sprung mehr oder weniger Weite verschaffen oder einfach nur ein höheres Maß an Eleganz. Vermeiden können wir ihn nicht.

Es ist in Ordnung, Herzklopfen zu haben. Jetzt zeigt sich, ob wir darauf vertrauen, dass die Luft uns am Ende der Bodenhaftung tragen wird. Die Luft trägt immer – verblüffender Weise! – wenn das Tempo und die Absprunghaltung stimmen. Natürlich kann jederzeit etwas Unvorhergesehenes dazwischenkommen wie eine Orkanböe oder ein plötzlicher Erdrutsch. Würden wir an diese Katastrophen ständig denken, während wir uns auf den Sprung einstellen, würde unsere Muskulatur unwillkürlich verkrampfen und den Ausgang in unliebsamer Weise beeinflussen.

Polyommatus icarus – der Bläuling

Mit einem solchen Naturvertrauen in den Flug begegnet ein Schmetterlings-Mensch den zahlreichen Umbrüchen in seinem Leben, daher will ich heute mit Ihnen das Arzneimittelbild des Bläulings (lat.=Polyommatus icarus) etwas näher betrachten.

Sein Vertrauen in den weiteren Ablauf der Dinge heißt nicht, dass er keine Angst hat. Er weiß, dass einiges schiefgehen kann. Er ist auch nicht blauäugig, sondern er bereitet sich vor. Ist er erst einmal losgelaufen, hält er nicht mehr an. Dieses Verhalten können Außenstehende beobachten. Was sich ihrem Blick entzieht, ist die vorangehende Verpuppungsphase. Aber alles der Reihe nach.

Am Anfang steht das Raupendasein. Vielleicht erinnern Sie sich an das Kinderbuch „Die kleine Raupe Nimmersatt“. Wenn Sie ein Schmetterlings-Mensch sind, war es womöglich als Kind Ihr größtes Lesevergnügen. Im Folgenden werde ich von Menschen, die eine homöopathische Konstitution haben, dem geschmeidigen Lesefluss halber als „Schmetterling“ sprechen.

Schmetterlinge können im Raupenstadium Unmengen vertilgen. Das betrifft nicht nur Nahrung, die sie unentwegt in sich hinein stopfen, aber wir beleuchten erst einmal das Offenkundige bevor wir uns den Analogien widmen.

Wie andere Leute geregelte Essenszeiten haben können, ist Schmetterlingen schleierhaft. Sie haben ständig Hunger oder Appetit und können zwischen beidem nicht gut unterscheiden. Oft sind schon relativ kleine Mengen ausreichend, um ihr Bedürfnis zu stillen. Erhalten Sie aber keine Speisen oder zumindest etwas Gezuckertes zum Trinken, werden sie rasch unleidlich. Unterzuckerzustände machen sie kalt und ärgerlich. In der Schule gab es Klassenbucheinträge wegen wiederholtem Essen im Unterricht.

Insbesondere im Frühjahr verzehren sie gerne Grünzeug, in der modernen Version auch als Smoothies. Nektarartige Süße steht ganzjährig auf dem Speisenplan. Gegenüber Dosenpfirsichen können sie ein regelrechtes Suchtverhalten entwickeln, so dass sie phasenweise ohne das „Betthupferl“ nicht einschlafen. Überhaupt kann Hunger ihren Schlaf sehr beeinträchtigen. Ohne Essen ins Bett gehen zu müssen, ist daher eine schlimme Strafe.

Schmetterlings-Menschen fressen Kummer in sich hinein. Ihre Frustrationstoleranz scheint keine Grenzen zu kennen. Das stimmt aber nur oberflächlich betrachtet. An einem bestimmten Punkt werden sie einfach nur still. Dann beginnt das Verpuppungsstadium. Sie stellen die Kommunikation ein und gestalten abgekapselt von der Außenwelt eine einsame Lösung in ihrem Inneren bis zur Flugreife aus, die sie zur Überraschung ihres Umfeldes dann mit großer Entschlossenheit unmittelbar nach Verlassen des Kokons in die Tat umsetzen.

Das raupenartige Verschlingen kann sich ebenso auf geistiges Futter beziehen. Aus ihren breit gefächerten Interessengebieten vertilgen sie unglaubliche Mengen an Informationen. Dabei verschmelzen sie das Wissen aus unterschiedlichen Fachgebieten wie in einem Wandlungsprozess miteinander zu völlig neuen Erkenntnissen und ungewohnten Sichtweisen.

Da Verwandlungen sie magisch anziehen, sind sie fasziniert von Alchemie, Spagyrik und vielleicht sogar von Hexenkunst. Zuweilen finden sich zarte Anspielungen auf solche Resonanzen in ihren Vorlieben für phantastische Geschichten in Büchern („Die kleine Hexe“) und Filmen oder in merkwürdige Redensarten. „Wir treffen uns bei Vollmond unter der alten Eiche“ sagen sie vielleicht im Scherz bei einer Verabredung oder sie behaupten spaßeshalber, in ihrem Rezept seien „Spinnenbeine und Krötenpfuhl“.

Spinnen sind nicht ihre Freunde. Naturgemäß haben Schmetterlinge Angst davor, sich in ihren Netzen zu verfangen. Ich kenne einen Schmetterlings-Menschen, der allein beim Anblick einer Spinne Gänsehaut am ganzen Körper bekommt, schreit oder erstarrt. Eine weitere Angst, die sich aus dem Tierleben erklärt, ist die Furcht vor Vögeln. Sie können selbst in einer Voliere eingesperrt noch zu Herzklopfen und Schweißhänden führen, was der Schmetterling emotional mit Ärger und körperlich mit raschen Bewegungen beantwortet.

Die Bewegungen von Schmetterlingen sind ansonsten harmonisch und geschmeidig. Das zeigt sich besonders beim Tanz, zu dem sie sich außerordentlich hingezogen fühlen. Manche haben Freude am Paartanz nach festen Regeln. Typgerechter ist das „Zappeln“ im Freestyle. Sie entwickeln ihren eigenen und unverkennbaren Tanzstil und fallen damit in der Disco auf. Charakteristisch sind dabei die großräumigen Schwünge der Arme und das anmutige Ineinanderfließen der Gebärden.

Wogende Bewegungen des Oberkörpers kann man sehen, wenn sie sich wohlfühlen, zum Beispiel während eines leckeren Mahls. Sind sie aus der Balance, harmonisieren sie sich unbewusst mit kaulquappenartigen Mikrobewegungen der Schulterpartie, was man bei der Körperpsychotherapie beobachten und gezielt einsetzen kann.

Schmetterlinge singen gerne. Nicht immer schaffen sie es mit ihren Künsten auf die Bühne. Sie trällern unter der Dusche und summen bei der Hausarbeit. Ihre Stimmmodulation ist auch beim Sprechen sehr lebendig. Wenn sie während des Tanzens ein Lied mitsingen können, sind sie glücklich.

Das Herausfiltern von aufschlussreichen Hinweisen aus der Sprache ist mein Steckenpferd. Schmetterlinge formulieren genau so geschmeidig wie sie sich bewegen. Weiche Wortwendungen, wie sie im Französischen vorkommen, sind ihnen zu eigen. Sie lieben Stabreime: Mehrere Worte mit demselben Buchstaben zu Beginn, wie soeben „Weiche WortWendungen, Wie…“. In ihrem Wortschatz tauchen Formulierungen auf wie “Ich fühle mich wie freischwebend im All.“, “Die Zeit vergeht wie im Flug” oder „Ich komme Dich am Bahnhof einsammeln.“

Bitte nicht pieksen. Was sie überhaupt nicht leiden können ist, in irgendeiner Art und Weise „aufgespießt“ zu werden. Vielleicht lässt sich ihre Abneigung gegen Nadeln durch ihre Anbindung an das kollektive Bewusstseinsfeld aus den Erfahrungen aller Schmetterlinge erklären, die jemals gelebt haben und gefangen wurden. Sie hassen Spritzen und werden nicht gerne betäubt.

Hege und Pflege. Will man mit ihnen leben, darf man sie weder in eine umfangreiche Schmetterlingssammlung einfügen wollen (viele vorherige Liebschaften), noch sollte man sie hinter Glas aufbewahren wollen, um sich an ihrer Schönheit zu erfreuen. Tag- und Nachtfalter wollen das Leben in vollen Zügen auskosten.

Ihr (Lebens-)Sommer ist endlich und dieses Umstandes sind sie sich vollkommen bewusst. Aus diesem Grund stürzen sie sich ereignishungrig in kulturelle Erlebnisse wie Konzert- und Theaterbesuche, Freundetreffen, Reisen, Essengehen und Shopping-Touren.

Zudem lieben sie es, sich in Schale zu werfen. Der Sinn für Schönheit in der Erscheinung ist ihnen angeboren. Schmetterlingsflügel sind Kunstwerke der Natur. Die geschichteten Farbflächen des Tieres finden sich als Pailletten in der Abendgarderobe von Schmetterlings-Menschen. Ihre feine Leib-Behaarung zeigt sich in der Vorliebe für offenporige Stoffe wie Velours oder Wildleder. Die Kleidung der Schmetterlings-Menschen hat eine kreative Note, ohne dabei grell zu wirken. Sie begeistern sich eher für einen stilvollen Auftritt und achten auf die harmonische Zusammenstellung von Farben sowie auf ausgewogene Proportionen. Beim geübten Blick auf die bevorzugten Töne und Muster im Kleiderschrank lässt sich manchmal sogar die Schmetterlings-Art erahnen.

Ihr Hang zur Symmetrie gemäß der Zeichnung von Schmetterlingsflügeln wird bei der Einrichtung ihrer Räume sichtbar. Die Dinge sind im allgemeinen mittig platziert oder treten paarweise auf. Harmonische Ausgewogenheit mit kleinen Highlights ist ihr Gestaltungsgrundsatz.

Artgerechtes Leben: In der Sonne zu sitzen, ist des Schmetterlings höchster Genuss. Auf der Terrasse oder dem Balkon, im Cafe oder im Park kommen sie zur Ruhe und empfinden eine tiefe Zufriedenheit. Sie wünschen sich Blumen rings umher: auf dem Fensterbrett, im Garten oder in der Vase.

Beim Besuch eines Schmetterlingshauses, wo die Tiere sich frei bewegen und die Besucher umschwärmen, flippte eine Schmetterlings-Frau aus vor Glück. In diesem Zustand strahlen Schmetterlinge „wie der Braodway bei Nacht“, sind begeisterungsfähig und können andere mitreißen.

Ihr Einfluss auf ihre Mitmenschen hat noch tiefere Wurzeln. Schmetterlinge haben Fühler für die Empfindungen der Menschen in ihrem Umkreis. Zuweilen können sie zwischen den eigenen Emotionen oder Körperempfindungen und denen des Gegenübers schwer differenzieren. Sogar innere Bilder und Worte des anderen finden in ihr Bewusstsein. Ihre feinen Antennen können zu Beschwerden durch Reizüberflutung führen oder als Hellfühligkeit zweckdienlich eingesetzt werden.

Als Prinzessin auf der Erbse reagieren sie sensibel auf alle Sinneseindrücke, vor allem, wenn sie unter Stress stehen. Dann werden sie beispielsweise blendempfindlich, vertragen Geräusche oder Gerüche nicht gut und können sich nur in bestimmten Körperpositionen wohl fühlen. Schuhe oder Hosen sind dann plötzlich zu eng und Stühle so unbequem, dass der Nacken sich verspannt.

Das Sitzen ist ohnehin ein heikles Thema. Man sagt zwar „Der Schmetterling sitzt auf einer Blüte“. Tatsächlich stehen die Tiere aber. Beim Sitzen haben Schmetterlings-Menschen besondere Ansprüche. Die Auswahl einer Couch fällt schwer. Herumlümmeln ist keine Option.

Ein Schmetterling trägt womöglich sein gewohntes Kopfkissen rund um den Globus zu allen Reisezielen mit sich.

Geistig sind Schmetterlinge rege. Ständig schwirrt ihnen etwas im Kopf umher. Ihr Verstand will dauernd beschäftigt sein. Sie hinterfragen vieles und betrachten Dinge von unterschiedlichen Seiten. Wenn ein Fachgebiet Ihr Interesse weckt, stecken sie ihren Rüssel tief in den Nektar und laben sich an einem Thema, bevor sie die nächste Blüte aufsuchen und mit der gleichen Hingabe ihre Süße schmecken. So verfahren sie auch mit Hobbys. Während andere Menschen ihr Leben lang einer Freizeitbeschäftigung treu bleiben und diese immer weiter ausbauen, sättigen sich Schmetterlinge daran, genießen das tiefe Eintauchen und gehen dann weiter. Sie sammeln Erfahrungen.

Gesamtgesellschaftliche Entwicklungen

Kommen wir noch einmal zurück auf die Metamorphose. Das Entwicklungsmuster der Schmetterlinge entspricht einem wiederkehrenden natürlichen Ablauf: Aufnehmen, in der Tiefe und Abgeschiedenheit gründlich verdauen und dann etwas vollkommen Verwandeltes aus dem machen, was man aus dem zuvor Einverleibten gewinnen kann.

Genau diese Vorgehensweise werden wir künftig noch brauchen. Was uns dieser Tage widerfährt kann weder endlos so fortgesetzt noch in irgendeiner sinnvollen Art und Weise leicht angepasst werden, damit es gut weitergehen kann. Wir benötigen die Qualität von Metamorphose, einen tiefgreifenden Wandel, der das Bisherige in seine Bestandteile zerlegt und zu etwas vollkommen Neuem formt.

Damit meine ich weder eine neue Politik noch eine neue Ideologie oder einen neuen Glauben. Das Trennende neu zu gestalten, wird keine Lösung bringen, sondern das Verbindende auf wundersame Weise neu zu kultivieren.

Scheinbar hat es die Menschheit gebraucht, dass die Trennung in der Gesellschaft uns unübersehbar anspringt, damit wir uns unserer eigenen Spaltungen im Einzelnen gewahr werden. Wir spalten alltäglich Körperwahrnehmungen ab, Persönlichkeitsanteile, sperren unsere inneren Kinder weg und verschließen die Augen vor unseren Schattenseiten. Wir glauben uns von der Ganzheit entfernen zu können, vom Kosmos, von der Natur, wenn Sie so wollen: von der Schöpfung. Wohin hat uns das gebracht?

Heute stehen wir vor einem Scherbenhaufen unserer Gesellschaft, vor dem Ruin des Gesundheitswesens, viele sind mit ihrem Latein am Ende, was ihre persönliche Entwicklung angeht, in unserer Familie und in unseren Freundschaften sind tiefe Gräben aufgerissen. Wir fragen uns – zu Recht! – wie das jemals alles wieder gut werden kann. In dem Bewusstsein von 2019 wird uns das nicht gelingen. Wir brauchen einen Schanzensprung. Er ist aus meiner sozial-psychologischen Warte unvermeidlich.

Wie er aussehen kann? Die Erkenntnis formiert sich nicht in der Raupe. Die Raupe frisst und wächst. Das ist ihre Aufgabe. Das dringend benötigte Wunder geschieht im Kokon und entlarvt sich erst, wenn die Zeit dafür reif ist.

Niemand kann heute wissen, wie sein Leben oder gar die Menschheitsentwicklung in ein paar Jahren aussehen wird. Mal abgesehen von ein paar psychopathischen Transhumanisten, die sich die Verschmelzung von Mensch und Maschine in ihren Fieberträumen ausmalen, haben wir keine Vorstellung von der Zukunft. Und das ist richtig so.

Sie wird kein neuer Schliff des Vergangenen sein, sondern etwas vollkommen Neues. Ein Schmetterling, dessen Farben wir noch nicht erahnen können, wenn wir heute auf die Raupe oder auf die Puppe blicken.

Was lernen wir also aus der Betrachtung?

Jeder meistert Krisen nach seinem eigenen Muster. Wenn Sie meinen Rat hören wollen: Halten Sie sich nicht an der Erscheinungsform des Kriechtieres fest, wenn sie ein Insekt der Lüfte werden wollen. Bewahren Sie Geduld. Die Phase der Verpuppung ist für viele noch nicht vorbei. Sie werden sich mit einer gehörigen Anstrengung aus dem Kokon quetschen müssen, wenn es soweit ist. Sparen Sie Ihre Kräfte auf, lassen Sie die Transformation in Ihrem Inneren geschehen. Wehren Sie sich nicht sinnlos gegen Ihr eigenes Wachstum. Geben Sie sich den Vorgängen bewusst hin.

In unserer absurd technisierten Welt glauben wir, die natürlichen Abläufe willentlich steuern zu können. Das funktioniert schon beim körperlichen Wachstum kaum, geistige Reifung lässt sich erst recht weder stoppen noch wesentlich beschleunigen. Möglicherweise haben wir Einfluss an der einen oder anderen Stelle. Wir können die Entwicklung leider – oder Gott sei Dank… – nicht kontrollieren. Und wir lassen auch nicht einzelne Stadien aus, weil sie uns lästig sind.

Befreit man einen Schmetterling durch Hilfe von außen von seinem Kokon, wird er niemals fliegen. Seine Flügel müssen sich durch den schmalen Spalt drücken, um die Flüssigkeit im Inneren auszustreifen. Nur so wird er flugfähig. Ihre vermutlich immer wieder schmerzhafte Entwicklung kann Ihnen niemand ersparen. Da müssen Sie durch, und zwar zum passenden Zeitpunkt. Nicht früher und auch nicht zu spät. Woher wissen Sie, wann es soweit ist?

Unsere Entwicklungsaufgaben kommen immer zur rechten Zeit auf uns zu. Ob aus Ihrem Verständnis das Universum gut für uns sorgt oder unser höheres Selbst, dürfen Sie frei entscheiden. Wichtig ist anzuerkennen, dass jeder sein eigenes Tempo hat. Vergeben Sie denen, die noch als Raupe umherkriechen, ihren Standpunkt. Die geschlüpften Schmetterlinge vergeben Ihnen auch den Ihren, falls Sie noch in der Puppe feststecken. Üben Sie sich schon mal im Vergeben, wo auch immer sich eine Gelegenheit bietet. Diese Fähigkeit wird eine Königsdisziplin in der Zukunft sein.

Die eigenen Potenziale im Spiegel erkennen.

Was Sie heute tun können, ist die Schmetterlings-Energie zuzulassen, sobald sie sich in Ihnen regt. Das können Sie nicht forcieren, aber Sie können achtsam sein. Singen und tanzen Sie, wenn Ihnen danach ist. Erfreuen Sie sich an Schönheit und Harmonie, sobald sie Ihnen begegnen. Richten Sie Ihre Fühler auf Zukunft aus. Gestehen Sie sich zu, empfindsam zu sein. Befreien Sie sich von konventionellen Vorstellungen, üblichen Erwartungen und von gewohnheitsmäßigen Reaktionen oder werden Sie sich derer zumindest bewusst.

Was ich in den vergangenen Monaten gehäuft beobachte, ist die Verweigerung des nächsten Schritts durch Projektion. Das ist ein außerordentlich beliebter Mechanismus der Schmerzvermeidung. So verständlich – und so wenig zweckdienlich, wenn man sich weiterentwickeln will. Vereinfacht gesprochen könnte man sagen: Indem man das eigene Verhalten dem Gegenüber unterstellt, schaut man bei sich gezielt weg. Es ist legitim, diesen psychischen Überlebenstrick einzusetzen. Schimpfen Sie nicht mit sich oder mit dem anderen.

Wenn Sie das „Opfer“ einer solchen Projektion werden, ist es wenig aussichtsreich, Ihren Gesprächspartner darauf hinzuweisen. Versuchen Sie stattdessen einmal, darauf GAR NICHT zu reagieren. Das schont Ihre Nerven und wirft den anderen bestenfalls auf sich selbst zurück. Sie werden sich vielleicht wundern, wie erholsam diese Taktik wirkt.

Falls Sie sich selbst bei einer solchen Spiegelung ertappen, bleiben Sie gnädig. Bestimmt ist der Schmerzpunkt wund, sonst würde Ihnen Ihr Unterbewusstsein nicht auf diese Weise helfen, ihn zu vermeiden. Lecken Sie Ihre Wunden, versorgen Sie sie gut – notfalls mit fachkundiger Unterstützung. Sobald Sie die Abspaltung integriert haben, können Sie auch wieder ohne Groll oder Vorwurf auf den Menschen zugehen, der Ihnen als Projektionsfläche gedient hat.

Nein, man sieht nicht NUR mit dem Herzen gut.

Das Geschilderte ist ein Beispiel dafür, wie kostbar die Phase der Verpuppung ist. Sie kann als Pause zwischen Ein- und Ausatmen gesehen werden, als Stadium zwischen Reiz und Reaktion, als kurzer Moment des Innehaltens und Reflektierens.

Wir haben in unserer Kommunikationskultur gelernt, dass wir Konflikte baldmöglichst klären sollen. Dabei vergessen wir in der Regel, dass wir uns erst einmal innerlich klären müssen, bevor wir an den anderen mit all unseren halbgaren Vorstellungen, Ideen und Interpretationen herantreten.

Besonders unsere emotionalen Reaktionen haben häufig eine konkrete Situation als Auslöser, aber in ihrer Heftigkeit haben sie mit dieser und dem scheinbaren Verursacher gar nichts zu tun, sondern mit irgendwelchen unverarbeiteten Erlebnissen aus der Vergangenheit. Sich dessen bewusst zu werden, ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu gesunden Beziehungen.

In einigen esoterischen Weltsichten werden die Menschen ermutigt, sich ihren Emotionen hinzugeben, statt immer nur im Kopf zu weilen. Das kann ich nur bedingt so sehen. Wer die Entwicklung des Herzzentrums übersprungen hat (falls so etwas geht), dem mag dieser Tipp nützlich sein. Eher wahrscheinlich ist es, dass die natürliche Entwicklung der Energien bei ihm im Solar Plexus hängen geblieben ist und gar nicht bis zum Herzen frei fließt. Dann fehlt es an Lebendigkeit, Wut muss unterdrückt werden und der Kopf schmeißt seine Rationalisierungen dazu. Wie Sie sehen, ist das ein anderer Ansatz.

Dann will die Wut erst mal gesehen und integriert werden, bevor sich das Herz öffnen lässt. An dieser Stelle stehen gerade sehr viele Menschen. Ihre Empörung wurde geschürt bis zum Hass. Das Gehirn ist durch Adrenalin in seiner Klarheit beeinträchtigt. Sie laufen wutschnaubend durch die Gegend und sind „dagegen“. Übrigens auf beiden Seiten des „Glaubenskrieges“.

Erstrebenswert ist eine bewusste Integration von Kopf, Herz und Bauch. Der „Kleine Prinz“ spricht kindliche Sichtweisen an, die uns auf dem Weg zu einem erwachsenen Erleben irgendwann nicht mehr dienlich sind.

Man nimmt die Welt als gereifter Mensch dann gut wahr, wenn Körperempfindung, Emotion, Gefühle und Gedanken in Einklang sind. Wer Ihnen weiß machen will, es sei für Sie das Beste, Ihren Verstand auszuschalten, will nicht Ihr Bestes, sondern er will Sie im Kleinkindmodus halten. Nur Raupen fressen einem aus der Hand. Schmetterlinge wählen frei, auf welcher Blüte sie sich niederlassen und fliegen davon, wann es ihnen beliebt.

Entwicklung ist ansteckend.

Zum Schluss meiner Überlegungen möchte ich Ihnen noch den Fall eines kleinen Schmetterlings-Patienten schildern, der mir sehr am Herzen liegt. Er kam trotz einer als zeugungsverhindernd eingestuften Erbkrankheit entgegen aller medizinischer Wahrscheinlichkeit zur Welt. Das Kind hat mehrere schwere Organschäden und ist in seiner persönlichen Entwicklung – soweit wir das von außen beurteilen können – behindert.

Nun, wie lässt sich dieses Los mit unserer Vorstellung einer Schmetterlings-Konstitution vereinbaren? Dazu braucht es einen erweiterten Blick, nämlich auf das Familiensystem. Beide Elternteile kannte ich schon vor der Geburt und war überrascht, welche Dynamik das innere Wachstum von Mutter und Vater mit dem Sprößling gewonnen hat. So als habe die ganze Sippe darauf gewartet, dass endlich das Kind kommt, damit man sich mithilfe der dramatisch veränderten Lebenssituation fortentwickeln kann.

Es liegt mir völlig fern, die Belastung der Eltern oder des Buben kleinzureden. Ganz im Gegenteil! Ich bin liebevoll im Mitgefühl. Und gleichzeitig erstaunen mich meine Beobachtungen.

Wie Ringe um die Aufprallstelle eines ins Wasser geworfenen Steins, verbreitet sich die Schwingung einer Konstitution manchmal im Umfeld. Mir gibt das Hoffnung auf die kleinen und größeren Wellenbewegungen in meinem Umfeld und in dem Ihren. Sie lesen meine Veröffentlichungen nur, wenn Sie selbst in Ihren Entwicklungsprozessen fortgeschritten sind oder zumindest eine starke Sehnsucht nach innerem Wachstum in sich tragen.

Ihre Metamorphose dient insofern Ihnen, Ihren Lieben, Ihren Bekannten und Kollegen, selbst den Nachbarn sowie irgendwelchen Fremden, die zufällig in Ihrer Nähe sind, und letztlich der Menschheit als Ganzes. In diesem Sinne kann Ihre eigene Verwandlung Veränderungen bewirken, die Sie kaum für möglich halten. Das ist eine neue Sicht auf den Begriff „Schmetterlings-Effekt“.

Text: Petra Weiß
Foto: Walter Eberl / pixelio.de

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Petra Weiß ist Heilpraktikerin, psychologische Beraterin und Therapeutin. Ihre Liebe zur Sprache begleitet sie schon ihr Leben lang. Als Fachjournalistin für das Ressort Medizin und Gesundheit mit den Schwerpunkten Naturheilkunde und Psychologie hat sie zahlreiche Beiträge in Print und Online veröffentlicht.

An mehreren Sachbüchern hat sie als Lektorin und Co-Autorin mitgewirkt. Ihr erstes eigenes Buch SO BIN ICH ECHT erscheint im ersten Quartal 2022 im Hardcover.

Seit Sommer 2020 gibt Sie die Zeitschrift “Weißheiten: vom Ich zum Selbst” heraus. Mit psychologisch fundierten Essays, praktischen Tipps und Denkanstößen begleitet sie Menschen, die sich weiterentwickeln wollen, auf ihrer spannenden Reise zu sich selbst.

Hochsensibel, traumatisiert oder medial begabt?

In den letzten Monaten werde ich häufiger gefragt, ob ich denke, dass Menschen mit besonderen Fähigkeiten seltene Ausnahmen sind oder ob eine solche Gabe in jedem von uns steckt. Mein Blick auf dieses Thema wird beeinflusst durch mein Dasein mit Eigenschaften, auf die ich weiter unten noch eingehen werde.

Um meine Weltsicht vorweg zu nehmen: Ich glaube, dass wir alle von Grund auf in hohem Maß sensibel waren. Heute geht man von ca. 15 % „Hochsensiblen“ in der Bevölkerung aus. Es ist eine Seltenheit geworden, dass Menschen über eine feinsinnige Wahrnehmung verfügen. In unserer zivilisierten Gesellschaft wird diese Eigenschaft von Kindesbein an unterdrückt. Ob das mit Absicht geschieht oder aus Versehen, darüber will ich hier nicht spekulieren.

Auf vorgeburtliche Traumatisierungen und die Umstände der Geburt selbst, werde ich ebenfalls nicht näher eingehen. Das wäre ein weites Feld und bedarf einer eigenen Beleuchtung. Für diesen Beitrag starte ich an dem Punkt des ersten Atemzugs. Als Heilpraktikerin und psychologische Beraterin will ich die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit medizinischer Maßnahmen im Kreißsaal nicht beurteilen. Mir geht es darum, wie sich bestimmte Verfahrensweisen auf die Psyche und auf das Nervensystem auswirken.

Vorsichtsmaßnahmen mit Nachwirkungen

Direkt nach der Niederkunft tropft man den Babys Vitamin K in den Mund. Die allererste Geschmackswahrnehmung ist grässlich bitter. Das Vitamin dient der Gerinnung. Nur für den Fall, dass es beim Geburtsvorgang eine Gehirnblutung gegeben haben sollte. Jedes Kind bekommt sogleich eine brennende Flüssigkeit ins Auge: Falls Mutti einen Tripper hat und die Erreger bei der Passage des Geburtskanals auf das Kind übertragen worden sein sollten. Und dann rammt uns jemand eine Lanzette in die zarte Ferse, um Blut abzunehmen. Sofort muss geprüft werden, ob ein Wachstumshormon fehlt.

All das geschieht, während das Nervensystem der Mutter und des Kindes durch die vorangegangene Geburt bereits aufs Äußerste angespannt sind und dringend Erholung bräuchten. Die Wahrscheinlichkeit einer Posttraumatischen Belastungsstörung steigt, wenn man das Trauma genau dort platziert, wo nach einer belastenden Erfahrung eigentlich ein Aufatmen erfolgt. Jeder gute Folterknecht der Geheimdienste weiß das. Und wenn Sie einmal einen Spionagefilm gesehen haben, wissen Sie das auch. Auf diese Weise werden neue Erdenbürger im Krankenhaus willkommen geheißen.

Ich habe Eltern in der Sprechstunde erlebt, die ausdrücklich mit der Klinik vereinbart hatten, das Procedere zu unterlassen oder auf etwas später zu verschieben. Ihre Sprösslinge wurden trotzdem der „Behandlung“ unterzogen. So startet ihr Leben mit einem Wortbruch, einer Körperverletzung und der fassungslosen Ohnmacht ihrer Eltern. Auch als Nicht-Mutter kann ich nachvollziehen, warum sich werdende Eltern für ein Geburtshaus oder die durch eine erfahrene Hebamme begleitete Hausgeburt entscheiden.

Die Anfechtungen, denen ausgerechnet Hebammen ausgesetzt sind, erscheinen in der Sache fragwürdig. Mag es beim Verbannen des Berufsstandes aus den Kreißsäälen darum gehen, bei dem „Begrüßungsritual“ nicht gestört zu werden durch ihre Empathie und Expertise? Die Damen schreiten ein, wenn Schulmediziner ihr Standard-Verfahren an den Bedürfnissen von Mutter und Kind vorbei durchziehen wollen. Sie mögen einwenden, dass es für die Vorgehensweisen gute Gründe gibt. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.

In meiner Generation war es noch üblich, das Neugeborene mit einem „Klaps“ auf den Po zum Schreien zu bringen. Warum? Es erschien den Gynäkologen in den 1970er Jahren notwendig, damit die Kinder ihren ersten Atemzug nehmen. Merkwürdig, dass seit Jahrzehnten kleine Menschen wieder anfangen zu atmen, ohne dass man sie schlägt. Heute erscheint uns das Vorgehen herzlos, damals war es gängige Praxis und wurde einfach nicht hinterfragt. Wenn der Doktor sagt, das muss so sein, dann muss es so sein.

Unbemerkte Abspaltung

Unser Nervensystem schützt sich bei Überforderung unter anderem durch Dissoziieren. Wir schalten die Empfindung ab, indem wir unsere bewusste Wahrnehmung vom Körper trennen. Im späteren Jahren ist dieser Überlebensmechanismus ganz offenkundig zu beobachten. Warum sollte er bei Babys nicht ebenso zum Einsatz kommen? Dann würde mit den ersten Minuten auf Erden der Grundstein für eine lebenslange Abspaltung zwischen Körper und Bewusstsein erfolgen – von denen der Betreffende nicht die geringste Ahnung hat. Er kennt sich ja nicht anders. In diesem Zustand kann man für sich und andere durchaus vollkommen unauffällig erscheinen.

Über introvertierte Menschen ist mittlerweile durch das Messen ihrer Nervenimpulse bekannt, dass sie nach außen hin sehr still wirken, während in ihnen alles in Aufruhr ist. Sie sind mit dem Verarbeiten ihrer Sinneseindrücke beschäftigt. Ob es diesen Menschen dient, sie als „hochsensibel“ einzustufen, kann ich nicht sagen. In der Praxis zeigen sie sich häufig durch die „Diagnose“ beruhigt. Sie haben erst einmal ein Etikett, das ihnen (scheinbar) Sicherheit gibt: „Aha, deshalb bin ich so. Ich bin eben anders.“

Ist das so? Vielleicht ist es genau umgekehrt! Lassen Sie uns einmal eine Überlegung zusammen durchspielen:

hochsensibel = normal?

Ich wage die These, dass wir alle hochsensibel sind – bevor unser Nervensystem durch äußere Umstände ins Abstumpfen gezwungen wird. Wie ich darauf komme? Viele der „Besonderheiten“ von Hochsensiblen gleichen den Auswirkungen von Trauma, zumindest denen, die als behandlungsbdürftig eingestuft werden: Die Betroffenen haben geschärfte Sinne, deshalb reagieren sie empfindlich auf grelles Licht, laute Geräusche, manche auch auf Aromen oder Berührung. Sie sind rasch in Habachtstellung zu bringen. Daher brauchen sie immer wieder Zeiten der Ruhe, um ihre Nerven zu regulieren. Alle Plötzlichkeiten können Stress verursachen.

Den Hochsensiblen rät man, ihr Leben so zu gestalten, dass sie ihr Nervensystem nicht überlasten. Ein „normaler“ Vollzeitjob kann bereits viel zu viel sein. Sich gegen Reizüberflutung abzuschirmen ist das A und O. Eine große Anzahl von Menschen in ihrer Umgebung, z.B. bei einem Konzert, in der U-Bahn oder in der Innenstadt, ertragen sie je nach Tagesform mal besser, mal weniger gut und manche gar nicht.

Sollte nicht jeder Mensch gut für sich sorgen und sich vor Lebensumständen schützen, die ihm nicht wohltun? Wer legt denn fest, dass wir 40 Stunden die Woche in einem Großraumbüro inmitten von Menschen, die uns nur nur teilweise wohlgesonnen sind, bei LED-Beleuchtung mit fortwährenden Arbeitsunterbrechungen durch Telefon und Mails nervlich verkraften müssen? Warum nicht 80 Stunden? Oder 20? An wessen Bedürfnissen orientiert sich das Übliche?

Je länger ich darüber nachdenke, desto drängender wird für mich die Frage, was eigentlich normal ist oder wäre: Sind die Hochsensiblen möglicherweise jene, bei denen trotz Trauma eine gesunde Reaktion auf unsere leider gar nicht menschgemäßen Lebensbedingungen geblieben ist? Sind die „Normalen“ von Grund auf so traumatisiert, dass sie dank der Abspaltung in der Regel gut funktionieren, aber gar nicht bei sich sind?

Haben deshalb so wenige Kontakt zu ihrer Intuition, zu ihren Körperempfindungen und zum „morphogenetischen Feld“ oder wenn Sie so wollen: zur geistigen Welt? Laufen sie daher im Hamsterrad bis sie umfallen und denken sich nichts dabei? Gehorchen sie aufgrund einer Traumatisierung blind irgendwelchen Regeln, deren Sinnhaftigkeit sie nicht einmal auf die Idee kommen infragezustellen? Dissoziierten Menschen könnte man im Extremfall sogar das Atmen verbieten und sie würden sich bemühen, der Anordnung zu folgen.

Jede Absurdität ist denkbar. Wenn ein Trauma reaktiviert ist, z.B. durch Angst, verliert der gesunde Menschenverstand an Bedeutung für das Handeln. Informationen werden aufgrund der Stresshormone, die den Körper fluten, nicht korrekt verarbeitet, Verdrehungen von Sachlagen dringen nicht ins Bewusstsein vor. Entscheidungen werden bis ins Groteske irrational, ohne dass die Betreffenden sich dessen gewahr sind.

In diesem Zustand schauen wir uns um, wie die anderen sich verhalten, und passen uns an, statt eigene Entscheidungen zu treffen. In der Natur ist das auch gut so, denn instinkthaftes Verhalten bei vielen liegt in der Regel richtig, wenn alle in ähnlicher Weise reagieren. Daher spricht man von Schwarmintelligenz. Was aber, wenn der ganze Schwarm traumatisiert ist? Und deshalb beliebig gelenkt werden kann?

Nun kann man zu Recht sagen, ich sei Traumatherapeutin und wer einen Hammer habe, für den schaue jedes Problem eben wie ein Nagel aus. Das stimmt natürlich. Könnte es trotzdem sein, dass das Problem tatsächlich ein Nagel ist? Und deshalb von Menschen mit Schraubendrehern und Zangen weder erkannt noch eingestuft oder gar gelöst werden kann?

Durchaus erwünschte Ansteckung

Die Neurowissenschaft meint, dass Spiegelneuronen uns dabei unterstützen, die Emotionen eines anderen Menschen in uns wahrzunehmen. Ob es bestimmte Nerven sind, die uns dazu befähigen, oder ob wir die Information aus dem Energiefeld abgreifen: Das Phänomen scheint ziemlich alltäglich zu sein. Es ist beispielsweise auch aus der Tierwelt bekannt. Mit der „Ansteckung“ von Nervensystemen arbeite ich jeden Tag.

In der Körperorientierten Psychotherapie gehen wir davon aus, dass die Übertragung des Erregungsgrades von Mensch zu Mensch vollkommen normal ist. Emotionale Regungen und Körperempfindungen des anderen können wir ebenfalls spüren. Manchmal empfange ich bei der Arbeit Worte oder Bilder von meinem Gegenüber. Für mich ist das nichts Besonderes. Ich denke, das könnte grundsätzlich jeder, der sich selbst wahrnimmt. Selten allerdings spricht man die Wahrnehmungen an, so dass die Übertragungen meist verborgen bleiben.

Wenn meine These stimmt, dann kommen nur diejenigen der Traumatisierten in Behandlung, die sich ihres Zustandes bewusst werden. Sie bemerken, dass etwas anders ist als es sein sollte. Manchmal werden sie durch das Nicht-Funktionieren ihres Alltags, ihres Berufs oder ihrer Beziehungen in die Therapie geführt. Traumapatienten sind möglicherweise solche, die aufgrund glücklicher Umstände nicht ganz so stark von sich getrennt wurden, die nicht vollständig von ihrer Körperwarhnehmung und von ihren Emotionen abgespalten sind. Sie lernen, ihre Nerven selbst zu regulieren, schützen sich vor Reizüberflutungen und handhaben ihre Emotionen, ohne ihnen ausgeliefert zu sein. Ein erschreckend großer Teil der Menschen zieht als dissoziierter Schwarm seine Kreise.

Wie groß der Anteil ist, weiß keiner.

Es gibt Menschen, die auf wundersame Weise bei sich sind und gut für sich sorgen, während sie gesunde Beziehungen unter lebensfördernden Bedingungen pflegen. Die selbstbestimmt und frei leben und sich gleichsam in Gruppen einfügen, welche die Einzigartigkeit des Individuums anerkennen. Sie begegnen mir manchmal. Von ihnen höre ich oft, dass sie sich als Außenseiter fühlen. Das ist schade. Denn es gibt viel mehr von uns als wir denken.

Unsere eigene Introversion, unsere Furcht vor Verletzung unserer Zartheit, unsere Erfahrungen in einer empathielosen Welt, die Gehirnwäsche, die uns als Ausnahmefälle darstellt oder als Sonderlinge brandmarkt, hindern uns am Austausch.

Narzissten und Hochsensible unterscheiden

Zuweilen laufen wir einem angeblich hochsensiblen Kameraden in die Arme, der in Wahrheit nur ein besonders empfindlicher Narzisst ist. Diese Fehldiagnose treffen die Betroffenen meist selbst. Sie erleben ihre Empfindsamkeit als übertrieben und bemerken nicht, dass sie nur auf sich bezogen ist, nicht auf ihr Umfeld.

Das Mitgefühl für andere unterscheidet den Narzissten vom Hochsensiblen. Während Narzissten vor allem um sich kreisen, haben Hochsensible ein Gespür dafür, was der andere braucht und wie es ihm geht. Verletzen sie aus Versehen ihr Gegenüber, bereitet ihnen das durch ihre feine Wahrnehmung selbst Schmerzen.

Ob Sie es mit einem Hochsensiblen oder mit einem Narzissten zu tun haben, finden das ganz schnell heraus, wenn sie dem Menschen eine Grenze setzen. Der Hochsensible hat ein schlechtes Gewissen, dass er die Grenze nicht gleich erspürt hat und entschuldigt sich reuevoll. Der Narzisst ist beleidigt und gekränkt. Er verhält sich abweisend.

Bitte verzeihen Sie mir meine überzeichnete und grob vereinfachte Darstellung. Sie dient dazu, dass sie „in freier Wildbahn“ beide Eigenarten trotz der Gemeinsamkeiten gut unterscheiden können.

Mediale Eigenschaften praktisch nutzen

Nochmal zurück zur Ausgangsfrage: Können wir besondere Eigenschaften erwerben oder werden sie uns in die Wiege gelegt? Sowohl als auch, würde ich sagen. Wir können vielleicht nicht alles, aber viel mehr als wir wissen oder glauben.

Und die Begabungen sind ganz unterschiedlich ausgeprägt. Eine ehemalige Patientin von mir hört Frequenzen, die nur sehr wenige Menschen wahrnehmen können. Anfangs war sie nicht sicher, ob sie unter einer Gehörstörung oder gar unter Wahnwahrnehmungen leidet. Sie hat dieses “Problem” durch die Behandlung nicht verloren, sondern begreift ihre Begabung heute als das, was sie ist, und geht daher anders mit ihr um. Unterstützt wurde die resolute junge Frau von weiteren Betroffenen, mit denen sie sich verbunden hat. 

Es steht uns als Gesellschaft nicht zu, Menschen mit ungewöhnlichen Fähigkeiten auszugrenzen oder ihre Gabe als Spinnerei abzutun. Im Gegenteil könnten wir uns darum bemühen herauszufinden, welche besonderen Eigenschaften jeder Einzelne mitgebracht hat.

Indem wir unser Nervensystems entlasten, schaffen wir eine körperliche Grundlage dafür, die Eigenschaften, welche wir durch Trauma verloren haben bzw. die verschüttet worden sind, wiederzuentdecken. Manchen hilft das Meditieren, andere machen Achtsamkeitsübungen oder praktizieren eine asiatische Bewegungskunst. Es gibt viele Wege, zurück zu sich zu finden.

Hört man den „medial Begabten“ zu, ist man oft verwundert über die Einfachheit ihrer Technik. Die meisten behalten schön für sich, wie sie ihre Anbindung „nach oben“ bewerkstelligen. Mich macht derartige Geheimniskrämerei immer skeptisch. Es würde mich nicht wundern, wenn so manche mysteriöse Methode verhältnismäßig leicht zu erlernen wäre.

Letztlich befragt jeder kinesiologische Test das Unterbewusstsein, die Körperintelligenz oder meinetwegen das “morphische Feld”. Meiner Ansicht nach gehört eine einfache Variante davon (der Schwanktest) an alle Schulen – verbunden mit Informationen zum Formulieren der passenden Fragen und Überlegungen zur Ethik des Testens in Eigenregie.

Vielleicht achten Sie fürs Erste einmal auf Dinge, die „aus Versehen“ passieren. „Aus Vorsehung“ wäre möglicherweise eine passendere Formulierung: Etwas in mir kann vorher sehen, was für mich gut und richtig ist.

Haben Sie eine Ausfahrt oder einen Termin verpasst? Gab es ein „Missverständnis“? Können Sie ein Video partout nicht aufrufen? Vertippen Sie sich immer wieder beim Schreiben an derselben Stelle? Geht Ihnen eine Datei verloren oder vergessen Sie, etwas abzuspeichern? Ziehen Sie in Betracht, dass Ihr Unterbewusstsein wissen könnte, was es tut – auch wenn das Ergebnis Ihrem Willen entgegenläuft. Was weiß schon unser Wille?!

Wozu die individuelle Begabung taugt

Der Mann, welche mich zuletzt nach der Erlernbarkeit von besonderen Fähigkeiten gefragt hatte, kann übrigens Elektrizität spüren, die durch Stromleitungen läuft. Wozu das Beispiel dienen soll? Lassen Sie sich bloß nicht als Spinner oder als krank abstempeln, wenn Sie außergewöhnliche Wahrnehmungen haben. Kultivieren Sie diese Eigenheiten und nutzen Sie Ihre Gabe praktisch für sich und andere.

Meiner Weltanschauung nach haben Sie alles, was Sie brauchen, um Ihr Leben so zu gestalten, dass Ihr Selbst hier Verwirklichung findet. Das ist Ihre Lebensaufgabe. Nicht mehr und nicht weniger. Lassen Sie sich durch mutwillige oder versehentliche Traumatisierungen nicht davon abhalten, ein in diesem Sinne erfülltes Leben zu führen. Dafür ist es nie zu spät.

Text: Petra Weiß
Foto: Rainer Sturm / pixelio.de

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Zur Autorin

Schreibkunst Redakteur PR-Text
Petra Weiß ist Heilpraktikerin und psychologische Beraterin. Ihre Liebe zur Sprache begleitet sie schon ihr Leben lang. Sie hat zahlreiche Beiträge in Print und Online veröffentlicht. Seit Sommer 2020 gibt Sie die Zeitschrift “Weißheiten: vom Ich zum Selbst” heraus.

Duzt Du noch oder siezen Sie schon?

Die Beeinflussung unserer Gefühle, Gedanken und Handlungen erfolgt auf vielen Kanälen: über Bilder, Formen und Farben, über die Stimmlage und die optische Erscheinung eines Sprechers, über Hintergrundgeräusche oder Musik, über haptische Eindrücke, sogar durch Düfte werden uns subtile Botschaften vermittelt. Jeder Frequenzbereich hat eine spezifische Wirkung. Und diese wird genutzt.

Wir können unmöglich alle Einflüsse im Blick haben, die auf uns wirken. Daher beschränke ich mich auf meinen Fachbereich, die Sprache. Und selbst hier gibt es ein ganzes Universum zu entdecken, das ich Ihnen häppchenweise in Form alltäglicher Beispiele eröffnen will. 

Früher habe ich mich gewundert, warum ich mich so unwohl damit fühle, dass ich ungefragt in einem Einrichtungshaus von wildfremden Menschen geduzt werde. Anderen Kunden scheint das gar nichts auszumachen. Offen gesprochen, macht es mich ärgerlich. Ich erlebe dieses Überschreiten der sprachlichen Vertraulichkeitsschwelle ohne vorherige Abstimmung als Grenzverletzung durch Worte.

Wir sind ja nicht auf dem Fußballplatz oder in der Kneipe und treffen uns zur gemeinsamen Freizeitgestaltung, sondern hier soll sich ein Geschäft anbahnen. Ich bin als potenzielle Vertragspartnerin und Kundin in dem Laden. Die Rolle macht den Unterschied. Halten Sie meine Sichtweise für überholt? Würden Sie den Bankdirektor beim ersten Gespräch zur Kreditvergabe für Ihr Haus duzen? Oder den Sachbearbeiter beim Finanzamt? Wie sprechen Sie die Kassiererin im Supermarkt an? Und wie Ihren Arzt? Haben es nur “Respektspersonen” verdient, mit dem Sie geehrt zu werden? Ich denke, Respekt dürfen wir vor allen Menschen haben, unabhängig von Ihrem gesellschaftlichen Rang.

Freilich gibt es Ansichten, die für einen jovialen Umgang im geschäftlichen Umfeld Partei ergreifen. Das Übernehmen von Gepflogenheiten aus anderen Ländern, vornehmlich aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum, zum Zweck der Globalisierung scheint dafür zu sprechen. Fluch und Segen der weltweiten Vernetzung können wir heute deutlicher sehen denn je. Das politische Thema will ich nicht weiter vertiefen. Mir geht es um psychologische Zusammenhänge.

Man mag anführen, dass es beispielsweise im Englischen gar keine Unterscheidung zwischen dem Du und dem Sie gibt. Das stimmt. Ob wir die Feinheit und Präzision unserer Muttersprache für die Anpassung und Gleichmachung aufgeben wollen, steht auf einem anderen Blatt.

Aus psychologischer Sicht ermöglichen genau diese Besonderheiten im Deutschen eine außergewöhnlich nuancierte Benennung und damit auch ein feingliedriges Bewusstsein über die eigenen Emotionen und Gefühle. Dieser Grad der Differenzierung unterstützt uns dabei, unsere facettenreiche Innenwelt anderen Menschen verständlich zu machen. Die deutsche Sprache dient also in ihrer Eigenart der Beziehung zu uns selbst und zu unserem Umfeld.

Mit der Entscheidung über Du oder Sie kann man die Qualität einer Beziehung innerhalb der Beteiligten und nach außen sichtbar kennzeichnen. Das Mehr an Vertraulichkeit wird traditionell durch das Du beschrieben. Ein Duzfreund steht mir näher als ein Bekannter.

Die Ausdruckskraft von Worten wird durch einen Gebrauch abseits ihrer ursprünglichen Bedeutung verfälscht und verzerrt. Wenn ich 5.000 „Freunde“ auf einer Internet-Plattform habe, von denen ich 4.850 noch nie begegnet bin, was bedeutet dann das Wort „Freund“? Was macht es mit unserem Erleben von Beziehung, wenn wir diesem Begriff keine Eindeutigkeit mehr zugestehen? War ein Freund nicht mal jemand, auf den Verlass ist? Der mir treu zur Seite steht? Dem ich mich anvertrauen kann? Und umgekehrt. Was geschieht mit diesen Werten, wenn wir den Begriff verwässern? Dann ist ein Freund plötzlich jemand, den ich einmal auf irgendeiner Messe getroffen habe. Wem nützt es, wenn dieser Mensch, auf den nicht einmal der Begriff „Bekannter“ wirklich zutrifft, mir zum Geburtstag gratuliert? Hat er meinen Namen in sein Notizbuch geschrieben oder wurde er als automatische Erinnerung ausgespuckt?

Wir sind darauf gepolt, „Netzwerke“ zu pflegen und strategisch auszubauen. Jeder Karriereratgeber sagt uns, das „Networken“ sei von großem Vorteil für unser berufliches Vorankommen. Mir kommt dabei die Echtheit von Beziehungen zu kurz. Verbindungen, die zum gegenseitigen Nutzen betrieben werden, statt unserem tiefen Herzenswunsch zu entspringen, und trotzdem das Prädikat “Freundschaften” erhalten, sind mir zuwider.

Gegen rein berufliche Beziehungen ist natürlich nicht das Geringste einzuwenden – beidseitige Wertschätzung eingeschlossen. Man muss sich mit Kollegen, Vorgesetzten, Mitarbeitern oder Kunden nicht anfreunden, um in angenehmer Weise mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Aus dienstlichen Kontakten heraus kann mitunter ein freundschaftliches Band geknüpft werden. Das ist dann eine organische Entwicklung und kein planvoller Prozess. Privat wie dienstlich sollten sich alle Beteiligten über die Art ihrer Beziehungen grundsätzlich bewusst sein. Im Zweifel hilft ein offenes Gespräch zur Klärung.

Viel zu selbstverständlich ist es geworden, einen anderen Menschen als Mittel zum Zweck zu sehen. Ohne böse Absicht setzen Eltern in ihre Nachkommen bestimmte Erwartungen. Was sollen die Zöglinge alles verkörpern, um Mami oder Papi eine Freude zu bereiten?! Tatsächlich wird das Vorbeischauen an der Einzigartigkeit des Buben oder Mädchen und das Pressen des Abkömmlings in Anforderungsschablonen als eine mögliche Ursache des allgegenwärtigen Narzissmus angenommen. Die Folge sind eine Verleugnung des Selbst und letztlich dessen Vergessen. Selbst-Vergessenheit ist kein erstrebenswertes Ziel. Solche Identitätslosigkeit führt in den Bau von Fassaden, die nur allzu leicht ins Bröckeln geraten und dann um jeden Preis aufrecht erhalten werden müssen. Der Verlust dieser Ersatz-Identität wird “ums Verrecken” vermieden.

Aus meiner Sicht ist das Benutzen von Menschen für bestimmte Zwecke eine alltägliche Form von Missbrauch. Der Gehirnforscher Prof. Gerald Hüther spricht von der Würde des Menschen, die dabei auf der Strecke bleibt, wenn wir andere zum Objekt machen. Jemanden in seiner Einzigartigkeit als Mensch, der besondere Fähigkeiten und Bedürfnisse hat, die geachtet werden wollen, nicht wahrzunehmen und stattdessen in erster Linie seinen Gebrauch für das eigene Wohl im Blick zu haben, ist wahrlich unwürdig.

Mir machen Verwechslungen auf diesem Gebiet schwer zu schaffen, wenn ich feststellen muss, dass jemand sich als „Freund“ darstellt, während er schaut, welchen Profit er aus seiner Beziehung zu mir schlagen kann. Bei bestimmten Typenmustern kommt dieses Verhalten häufiger vor als bei anderen. Es gehört zu ihrem Selbstverständnis und sie sind sogar stolz darauf, wieder jemand Nützlichen in ihr Netzwerk eingebunden zu haben. Gleichzeitig fördert unsere Karriere-orientierte Ellenbogengesellschaft grundsätzlich derlei Haltung.

Vielleicht nehmen Sie diesen Beitrag zum Anlass, sich darüber Gedanken zu machen, was für Sie Freundschaft bedeutet und wer in Ihrem Umfeld die Bezeichnung „Freund“ verdient hat. Damit Sie nicht in eine Schwarz-Weiß-Betrachtungsfalle tappen, wählen Sie am besten eine Skala der Freundschaftsqualität: Busenfreund, enger Freund, Duzfreund, Freund, Kumpel, Bekannter, weitläufiger Bekannter. Bei Bedarf machen Sie die Kategorie erst einmal an äußeren Beziehungsmerkmalen fest wie: Verwandter, Nachbar, Kollege, etc.

Kommen wir zurück zum Du.

In den 1980er Jahren konnte ich eine Innenansicht auf die damals vorherrschende Maxime in der Verkaufssprache erhalten. Es galt als zweckdienlich, die „Sprache der 5- bis 7-Jährigen“ zu verwenden. Sie haben richtig gelesen. Nicht die erwachsene Ebene im Käufer soll angesprochen werden, sondern eine kindliche. „Keep it simple and stupid“ war entsprechend der Leitsatz der damaligen Zeit. Einfach und für Dumme wollte die Ansprache im Verkaufsgespräch sein.

Während meiner Zeit im Marketing in den 1990ern durfte ich lernen, wie man diese Maßgabe praktisch umsetzt. Es gibt klare Regeln für das Texten auf Kinderniveau: einfacher Satzbau, kurze Sätze, nicht mehr als 7 Worte in Überschriften, bildhafte Formulierungen, optische Hervorhebung der Kernbotschaft, positive und aktive Wortwahl, konkrete Handlungsaufforderungen am Ende – kurzum: es dem Leser so einfach wie nur möglich machen, um die gewünschte Handlung bei ihm auszulösen. Sogar mit der Augenkamera wird analysiert, wohin der Betrachter in einem Text schaut, damit man genau dort werbewirksame Wörter platziert. Werbetexten ist eine ausgefeilte Kunst.

Während meiner Ausbildung zur Hypnosetherapeutin in der Dekade nach der Jahundertwende lernte ich das Neurolinguistische Programmieren (NLP). Die Bezeichnung macht gar keinen Hehl daraus, dass man das Gehirn seines Gegenübers durch Sprache programmieren will. Aha. Hier ist eine Schnittstelle zwischen der Rhetorik in der Werbung und der gezielten Verwendung von Sprache zu therapeutischen Zwecken. Die Anliegen der beiden Anwendergruppen sind aufgrund der Natur ihrer Berufe vollkommen unterschiedlich.

Ein verantwortungsvoller Therapeut wird den Clienten immer in seine Absichten einweihen und an den per Behandlungsauftrag abgestimmten Zielen des Clienten richtet sich die gemeinsame Arbeit aus. Der Verkäufer hingegen ist in erster Linie seinem Unternehmen verpflichtet. Seine Aufgabe ist es, dem Kunden etwas zu verkaufen. Das ist kein Geheimnis. Warum manche Kunden gutherzig davon ausgehen, dass ein Verkäufer stets nur das Beste für sie will und seiner Beratung blauäugig vertrauen, ist mir schleierhaft.

Aus meiner Warte kann ich die Vorbehalte gegenüber der professionellen Beeinflussung durch Sprache nachvollziehen: Das NLP wird mit gutem Grund misstrauisch beäugt. Es ist ein machtvolles Mittel der Manipulation. Ich versuche, mein Wissen über Rhetorik nicht unbewusst zu verwenden und stattdessen Menschen darüber aufzuklären. Wie bei vielen Tricks aus der Redekunst, ist man deutlich im Hintertreffen, wenn das Gegenüber sie beherrscht und man selbst sie nicht durchblickt.

Unter Hypnose wird der Therapeut den Patienten in der Regel duzen, weil das Unterbewusstsein auf diese Weise direkter angesprochen werden kann. Während einer Familienaufstellung nutzt er ebenfalls das Du, um bei Bedarf mit frühen Lebensphasen arbeiten zu können. Psychologen wissen sehr wohl, dass es einen gewaltigen Unterschied macht, ob man jemanden duzt oder siezt. Wir gehen sehr sorgsam mit diesem Instrument um.

Meine Hypnoausbildung hat mich hochgradig darauf sensibilisiert, dass während einer Trance alle Geräusche im Raum ins Unterbewusstsein eindringen. Jedes Wort erzeugt ein Störgefühl, wenn es nicht exakt passend gewählt ist. Das Wiederholen des genauen Wortlauts aus den Äußerungen des Patienten ist wesentlich für den reibungslosen Verlauf einer Sitzung. Feinste Nuancen werden wahrgenommen. Durch Wiederholung werden Programmierungen gefestigt. Man ankert sie durch das Koppeln von gewünschten Gedankeninhalten an bestimmte Reize.

Für eine Rauchentwöhnung kann das außerordentlich hilfreich sein. Das Wissen, welches in der Psychotherapie in Abstimmung mit dem Patienten zu seinem Vorteil bewusst und gezielt eingesetzt wird, kann in anderen Zusammenhängen ohne dessen Zustimmung zum Nachteil eines Menschen verwendet werden.

Aktiviert man eine bestimmte Ebene des Denkens durch das Du, wirkt Werbung auf unser Unbewusstes, auf unser Kindliches und spricht damit Bedürfnisse auf eine Weise an, die sich unserem wachen Verstand entzieht. Das ist Manipulation. Und wenn es zur Belohnung nach dem Einkauf noch ein Softeis zum Spottpreis gibt, haben wir gerade unser Geld im Kindergarten gelassen und gehen mit einem seligen Grinsen nach Hause. Unsere neuen „Spielsachen“ haben Namen wie damals der Teddybär. Ich bin voller Bewunderung für die Marketingstrategen, die durch diesen Trick unsere Bücherregale und Spülbürsten zu unseren neuen „Freunden“ machen.

Ich weiß, dass das Du in den sogenannten sozialen Medien üblich ist. Das ist einer der Gründe, warum ich dort nicht heimisch geworden bin. Meine Arbeit richtet sich an die erwachsene Ebene, an den vernünftigen Verstand, der Instinkte, Emotionen und Gefühle integriert. An diesem Punkt ihrer Entwicklung stehen natürlich nicht alle und manche fühlen sich deshalb von mir nicht abgeholt. Ihr Empfinden ist richtig.

„Der kleine Lukas will im Schmalland abgeholt werden“, fällt mir da ein und ich muss schallend lachen, weil ich mir vorstelle, wie die Lautsprecherdurchsage im Sie klingt „Der kleine Herr Müller will im Schmalland abgeholt werden“.

Nein, das ist nicht meine Aufgabe, Erwachsene auf der Kinderebene einzufangen. Und es ist ebenso wenig in meinem Interesse, sie zu “pampern”, „nachbeeltern“ sagt man im Psychologen-Deutsch. Mir ist daran gelegen, dass Menschen in ihre Kraft kommen und entdecken, dass sie in der Lage sind, selbst für sich zu sorgen. Sie erkennen dann, dass sie keine Eltern mehr brauchen, die sich um sie kümmern, und deshalb auch keine Autoritäten hinnehmen müssen, die sie bevormunden wollen.

Menschen, die in diesem Sinne erwachsen sind, treten im Wortsinne selbst-bewusst für ihre Bedürfnisse ein. Sie müssen niemanden manipulieren, der ihre Sehnsüchte stillen soll, und sie lassen sich auch nicht als Bedürfniserfüller anderer einspannen. Dieses Für-sich-stehen-Können ist eine gute Grundlage für eine Beziehung auf Augenhöhe. Gerade in Liebesbeziehungen finden wir häufig kindliche Muster von Trotz, Bedürftigkeit oder Gefallen-Wollen auf der einen und elterliche Anmaßungen von Fürsorge oder Erziehung ohne Auftrag auf der anderen Seite – und gerne auch im Wechsel. Mit dem Verlassen solcher Rollen ist die Beziehung nicht zu Ende, dort fängt sie erst an.

Wie Sie das Du und das Sie handhaben wollen, bleibt natürlich ganz Ihnen überlassen. Mir ist es nur wichtig, dass Sie sich über die Wirkung im Klaren sind und eine bewusste Wahl treffen.

Text: Petra Weiß
Foto: Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de

Danke schön

Herzlichen Dank an alle Leser, die meine freiberufliche Tätigkeit durch einen Energieausgleich würdigen. Ich liebe die Arbeit an Texten. Mir macht es Freude, mein psychologisches Wissen, meine Praxis-Erfahrungen und meine Überlegungen mit Ihnen zu teilen. Gleichzeitig habe auch ich alltägliche Bedürfnisse wie ein Dach über dem Kopf und etwas Sojasahne im Kühlschrank. Daher bitte ich Sie, freiwillig einen angemessenen Energieausgleich zu leisten:

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Petra Weiß ist Heilpraktikerin und psychologische Beraterin. Ihre Liebe zur Sprache begleitet sie schon ihr Leben lang. Sie hat zahlreiche Beiträge in Print und Online veröffentlicht. Seit Sommer 2020 gibt Sie die Zeitschrift “Weißheiten: vom Ich zum Selbst” heraus.

Wenn die Fackeln der Freiheit verglühen

Social Engeneering ist eine präzise Wissenschaft. Wer das Denken und Handeln einer Gesellschaft lenken will, braucht psychologisches Fachwissen, Intelligenz und Langmut. Ziele werden über Jahrzehnte hinweg in mehrstufigen Maßnahmen verfolgt. In Stufe 1 kann man als Außenstehender nicht ahnen, worauf das Ganze hinauslaufen wird. Und in Stufe 2 fällt einem vielleicht gar nicht auf, dass es irgendeinen Zusammenhang mit den Ereignissen der Stufe 1 geben könnte. Erst rückblickend entlarvt sich ein Muster, wenn das eigentliche Ziel sichtbar wird.

In diesem Beitrag verknüpfe ich ein paar lose Fäden ohne Anspruch auf „DIE Wahrheit“ und lasse Sie an meinen Gedanken teilhaben.

Öffentliche Meinung am Beispiel des Rauchens

Es geht exemplarisch um das Rauchen. Meine persönliche Erfahrung ist, dass es abhängig macht. Und dass man als Raucher ständig in der Angst lebt, sich selbstverschuldet die Gesundheit zur ruinieren. Vor mehr als 20 Jahren habe ich die Gewohnheit nach vielen Anläufen endlich an den Nagel gehängt. Anlass war meine nächtliche Einlieferung ins Krankenhaus mit heftigen Schmerzen in der Brust. Ich dachte, ich hätte einen Herzinfarkt. Dieses Schockerlebnis brachte mich von meiner Nikotinsucht ab. Wie sich später herausstellte, war eine Rippenfellentzündung die Ursache des Übels. Trotzdem blieb ich dauerhaft von meinem Verlangen nach dem Glimmstängel kuriert.

Um sich aus einer Sucht zu lösen, brauchen Menschen eine große Portion Willenskraft. Ihre innere Überzeugung muss stark genug sein, um die körperliche Begierde und die psychische Abhängigkeit von dem Mittel so lange zu unterdrücken, bis beides überwunden ist. So ging es auch mir. Mein vorrangiges Ziel war es, mich aus der Abhängigkeit zu lösen. Die Sucht an sich, also die Tatsache, dass ich das Rauchen nicht ohne weiteres willentlich seinlassen konnte, war mein Hauptproblem. Um den Entzug durchzuhalten, musste ich mir bewusst machen, dass die tägliche Rauchvergiftung meinem Körper schadet. Als zusätzlichen Anreiz gönnte ich mir für das gesparte Geld eine besonders edle Uhr, die ich mir sonst nicht gekauft hätte. Die öffentliche Kampagne zur Gesundheitsgefährdung durch Zigaretten erleichterte es mir, meine Haltung gegenüber den „Sargnägeln“ zu festigen.

Das Unterbewusstsein ausrichten

Das Bewusstsein über die Schädlichkeit des Rauchens führte dazu, dass ich Rauch in meiner Umgebung gar nicht mehr ertragen konnte, obwohl ich mich sehr bemühte, tolerant zu sein. Immerhin waren einige meiner Freunde Raucher und ich wollte die mir liebgewonnen Menschen nicht verprellen. Zu Recht sagt man „Ehemalige Raucher sind die schlimmsten Nichtraucher“. Dahinter steckt eine nachvollziehbare Logik: Mein Unterbewusstsein musste darauf ausgerichtet werden, Rauchen als große Gefährdung einzustufen, damit ich selbst davon lassen konnte. Berichte in den Medien über die Bedrohung durch Passivrauchen unterstützten die Abneigung und gaben ihr einen vernünftigen Grund.

Aus meiner bequemen Position als Nichtraucherin konnte ich beobachten, wie Raucher immer weiter ins Abseits gedrängt wurden. Plötzlich waren sie „Gefährder“ der Gesundheit anderer. Man durfte nicht zulassen, dass sie sich frei entscheiden, was sie für oder gegen sich selbst tun. Ihr Tun wurde in einen gesellschaftlichen Zusammenhang gebracht. Sie waren eine Zumutung für die Gemeinschaft und eine unnötige Belastung für das Gesundheitssystem.

Natürlich war ich froh, dass der Rauch aus den Diskos und Kneipen verschwand. Sogar im Biergarten störte es mich, wenn am Nebentisch geraucht wurde. Anderen die Luft zu verpesten gehörte sich einfach nicht. Der Schritt war nicht mehr weit, den Nikotinkonsum als dumm und/oder asozial einzustufen. Mit Unverständnis oder Verachtung schauten Nichtraucher auf Raucher. Eine Spaltung ist die Folge.

Erinnert Sie das an etwas?

Die Datenlage zum Rauchen ist gar nicht so eindeutig wie uns die landläufige Meinung glauben macht. In einer großangelegten Studie an rund 20.000 Britischen Krankenschwestern stellte sich heraus, dass bei maximal 5 Zigaretten am Tag keinerlei Gesundheitsrisiko gegenüber einem Nichtraucher erhöht ist – weder für Krebs noch für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder andere Beschwerden. Wundern Sie sich, dass Sie von diesen Forschungsergebnissen noch nichts gehört haben? Die Analyse ist schon viele Jahre alt und nicht ins öffentliche Bewusstsein vorgedrungen.

Auch hat sich gezeigt, dass nur ein winziger Teil der Raucher an Lungenkrebs erkrankt. Sie dürfen selbst recherchieren, wenn Sie die genauen Zahlen wissen wollen. Ziehen Sie keine vorschnellen Schlüsse aus eindimensionalen Auswertungen. Vergleichen Sie den Anteil der Todesursache Lungenkrebs bei Rauchern mit denen von Nichtrauchern in Hinblick auf alle Todesursachen. Sie werden erstaunt sein.

Sozialpsychologie

Meine Absicht ist nicht, Ihnen medizinisches Fachwissen zu vermitteln, sondern psychologische Zusammenhänge zu beleuchten. Das Nervengift Nikotin hat eine aus meiner Warte bemerkenswerte Wirkung: Es vermindert Ängste. Davon haben Sie vermutlich auch noch nichts gehört. Wenn jemand unter den Folgen von Trauma leidet oder sich in einer beängstigenden Lebenslage befindet, dient das Rauchen seiner emotionalen Regulation. Natürlich gibt es gesündere Möglichkeiten, mit Ängsten umzugehen, aber unsere Medienlandschaft, die das Rauchen so verurteilt, schürt gleichzeitig jede erdenkliche Angst durch Dauerbeschallung. Das erscheint mir widersprüchlich.

Ebenso wundere ich mich, warum so vieles ungesund ist und ausgerechnet beim Rauchen werden wir in aggressiver Art mit verstörenden Bildern und beängstigenden Worten penetrant darauf hingewiesen. Sonderbar. Der variantenreich geförderte Gesundheitsfanatismus wird in vielfältiger Weise unterstützt, aber beim Rauchen ist das Maß schon außergewöhnlich.

Verfehlter Zweck?

Neulich las ich in der Werbung an der Zapfsäule sinngemäß „Rauchen ist tödlich“ und „Rauchen stört die Fruchtbarkeit“ auf den abgebildeten Zigaretten-Packungen. Klar, auf den Päckchen müssen Warnhinweise stehen. Aber: Würde ich als Marketing-Verantwortlicher genau dieses beiden Punkte auswählen, um mein Produkt zu bewerben? Echt jetzt? Mich lies diese „Werbung“ aufmerken. Als ehemalige Marketing-Fachkraft glaube ich nicht an so ein erbärmliches und offensichtliches „Versagen“. Diese Plakate haben sicher einen Zweck. Die Verkaufsunterstützung kann es nicht sein.

Was passiert unbewusst, wenn wir ständig solche Botschaften wahrnehmen? Nichtraucher halten Raucher platt gesprochen für bescheuert, wenn sie trotzdem Kippen kaufen. Raucher halten sich selbst für charakterschwach und fühlen sich schuldig. Gleichzeitig wird ihre Angst geschürt. Was dem Weiterrauchen eine zusätzliche Funktion beschert. So installiert man einen Teufelskreis.

Lügen in Bildern

Die gruseligen Bilder sind übrigens nicht echt. Lungengewebe von Rauchern schaut nicht schwarz aus, wie Pathologen versichern können. Die Fotos wurden retuschiert. Damit sie Eindruck machen. Na, sowas! Wenn derart freimütig gelogen wird, darf man dann auch andere Aussagen in ihrem Wahrheitsgehalt anzweifeln? Da können uns schon mal merkwürdige Fragen in den Sinn kommen:

Wird uns das Rauchen als Sündenbock präsentiert? Werden das Sterben und die Kinderlosigkeit gemäß dem Grundsatz des „Pre-Teaching“ (bewährte PR-Technik) schon mal ins Bewusstsein der Massen geholt? Wenn die Leute durch ganz andere Ursachen sterben, haben wir dann bereits unsere vorgefertigte Meinung, woran sie verblichen sind? Sollen wir suggeriert bekommen, die Unfruchtbarkeit der Menschen sei auf das Rauchen zurückzuführen, und bekommen wir den „Schuldigen“ gleich mitgeliefert?

Natürlich hält solch ein konstruierter Zusammenhang keiner logischen Prüfung stand. Aber Logik spielt bei der Beeinflussung des Unterbewussten keine wesentliche Rolle. Es geht um das Erzeugen von Emotionen und Bildern, die in ganz anderen Gehirnregionen angesiedelt sind. Je größer die Emotion desto entbehrlicher die Logik. So steuert man Menschen, nicht durch vernünftige Argumente. Ich behaupte nichts. Ich frage nur…

Wie alles begann…

Bedeutungsvoll erscheint mir die Rolle des Rauchens als Startpunkt der Massenbeeinflussung in der Welt der Public Relations, oder wie man früher sagte, der Propaganda. Schauen wir zurück ins Jahr 1929.

Ein pfiffiger Mann namens Edward Bernays lockte Journalisten, über ein Ereignis zu berichten, bei dem die „Fackeln der Freiheit entzündet“ würden. Diese Ankündigung machte die Presseleute neugierig. Sie erwarteten mit Spannung, was sich zutragen würde. Das Kommende war schon „geframt“, also mit einer Bedeutung versehen, bevor die Inszenierung begann.

Bernays hatte den Auftrag, der Tabakindustrie neue Käufer zu verschaffen. Damals galt das Rauchen als männliche Beschäftigung. Es war nicht gesellschaftsfähig für Damen. Das änderte sich, nachdem Barnays einige Studentinnen dafür bezahlte, dass sie in der Öffentlichkeit auf Kommando ihre Zigaretten zückten. Die Presse deutete das Geschehen wunschgemäß als Geste der Emanzipation und platzierte so das Rauchen als Akt der Befreiung im öffentlichen Bewusstsein. Durch diesen Trick verdoppelte Bernays die Zielgruppe seiner Auftraggeber mit einem Streich.

Zündung der Stufe 2

Was wir später in der Werbung gesehen haben, holte die Kopplung Rauchen = Freiheit in scheinbar unendlichen Wiederholungsschleifen immer und immer wieder hervor. Wir erinnern uns an Kino-Besuche, als der Cowboy noch die Weite der Prärie mit uns teilte, während er rauchend über die Leinwand ritt. Fünfzig Jahre lang hat man uns mit diesem Image des Rauchens gehirngewaschen. Und plötzlich kam ein Schwenk, ein “Spin” in der Sprache der Public Relations Fachleute, die man daher auch “Spin Doctors” nennt. Auf einmal war Rauchen nicht mehr cool, sondern blöd. Ist die Tabakindustrie zur Besinnung gekommen? Hat der Verbraucherschutz sich endlich durchgesetzt? Glauben Sie das?

Erinnern wir uns an den Dreisatz in der Schule. Welche Logik wird verankert, wenn wir beide Gegebenheiten miteinander betrachten?

Rauchen = Freiheit

Rauchen = tödlich

Freiheit = ???

Genau. Unser Unterbewusstsein hat den Clou schon seit Jahrzehnten als Programmierung erhalten. Ich bin voller Bewunderung für die Schläue der Architekten. Social Engeneering ist keine Eintagsfliege. Man muss wirklich Finesse und Ausdauer beweisen, um die Massen zu bewegen.

Große gesellschaftliche Veränderungen werden nicht dem Zufall überlassen. Sie sind gemacht und von langer Hand vorbereitet. Wollte man die Bevölkerung aus Gründen der Gesundheitsvorsorge vor dem Rauchen schützen, wäre es längst verboten. Es wird noch gebraucht. Und nicht, um Frauen gleiche Rechte einzuräumen wie Männern.

Die Spaltung zwischen Männlein und Weiblein ist ebenfalls gewollt. Eine Gleichberechtigung der Geschlechter gibt es bis heute lediglich in der Theorie. Da muss man sich nur mal die Gehaltsgerechtigkeit ansehen. In Wirklichkeit ging es nie um dieses Ziel. Mit dem entsprechenden politischen Willen wären längst andere Verhältnisse durchzusetzen gewesen. Oder meinen Sie im Ernst, die finanziellen Mittel stünden nicht zur Verfügung?

Es geht offensichtlich um Profit und Konsum. Und gleichzeitig geht es untergründig um Massenpsychologie. Unter anderem wird der römische Grundsatz noch heute von erfolgreichen Staatsoberhäuptern und Führungskräften auf allen Hierarchieebenen beherzigt: “Teile und herrsche!” Zu riskieren, dass ein vereinigtes Volks sich seiner Stärke bewusst werden kann, wäre töricht.

Aufdeckung als Schutz

Die Manipulation zu durchblicken wird eine unserer vordringlichsten Aufgaben für die kommenden Jahre sein, wenn wir uns von der aktuellen Krise erholt haben und nicht wieder in ähnliche Zustände geraten wollen. Wann immer Ihnen manipulative Muster ins Auge fallen, dient das Ihrer Immunität gegenüber der Fremdbestimmung und damit Ihrer freien Selbst-Entfaltung.

Beschäftigen wir uns mit solchen Techniken, um den Strippenziehern im Hintergrund nicht auf den Leim zu gehen. Wie bei einem Taschenspielertrick verliert Manipulation ihre Magie, wenn wir sie entzaubern. Wir werden die Machtgierigen dieser Welt weder im großen politischen Geschehen noch im Alltag davon abhalten, uns steuern zu wollen. Aber wir können ihnen auf die Schliche kommen. Und dann funktioniert der Betrug an unserer Psyche nicht mehr. Vielleicht werden wir uns später freuen, wieder einmal einen kunstvollen Kniff entlarvt zu haben, uns entspannt zurücklehnen und sagen „Nice try, Darling.“

Text: Petra Weiß
Foto: Tim Reckmann / pixelio.de

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Zur Autorin

Schreibkunst Redakteur PR-Text
Petra Weiß ist Heilpraktikerin und psychologische Beraterin. Ihre Liebe zur Sprache begleitet sie schon ihr Leben lang. Sie hat zahlreiche Beiträge in Print und Online veröffentlicht. Seit Sommer 2020 gibt Sie die Zeitschrift “Weißheiten: vom Ich zum Selbst” heraus.