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Wenn Sie im Internet unterwegs sind, klicken Sie auf fast jeder Website auf einen Knopf mit der Aufschrift „Ich stimme zu“. Diese Einrichtung soll dazu dienen, Ihre Daten zu schützen. Sie haben die Möglichkeit, umfassende Ausführungen zur Verwendung Ihrer Daten zu lesen, bevor Sie die Meldung bestätigen. Tun Sie das? Vermutlich nicht immer. Das wäre eine aufwändige Freizeitbeschäftigung mit wenig Unterhaltungswert.
Mir geht es an dieser Stelle nicht um Datenschutz. Ich möchte die Beobachtung aus psychologischer Sicht einordnen: Wir gewöhnen uns daran, reflexhaft unsere Zustimmung zu bekunden, ohne uns damit auseinanderzusetzen, WOZU wir hier nicken. Das ist bedenklich.
Mir fällt in diesem Zusammenhang ein alter Verkäufertrick ein: Der Kunde bekommt mehrere Fragen gestellt, die er sicher mit „ja“ beantworten wird, um den Weg zum ersehnten „ja“ – nämlich zur Kaufentscheidung – zu bahnen. Unser Unterbewusstsein begünstigt eine Abfolge von aneinandergereihten Zustimmungen. Deshalb halte ich es für wichtig, dass wir uns dessen sehr bewusst sind, wenn diese Beeinflussung gerade geschieht.
Ähnliches erlebt man manchmal bei medizinischen Maßnahmen. Kurz vor einer Darmspiegelung musste ich vor Ort unterschreiben, dass es vollkommen in Ordnung sei, wenn man mich bei der Untersuchung versehentlich umbringt. Hätte ich nicht unterschrieben, wäre das erschöpfende Abführen der vergangenen 24 Stunden umsonst gewesen.
Meine Zustimmung diente dem Haftungsausschluss. Wenn der Arzt meine Darmwand perforiert hätte, wäre das Krankenhaus nicht haftbar gewesen. Man könnte meinen, dass es nicht angebracht sei, solch ein Dokument den aufgeregten Patienten direkt vor so einem Eingriff unter die Nase zu halten. Welche praktische Chance auf Widerspruch haben sie an dieser Stelle noch?
Nicht nur durch unsere Unterschrift bestätigen wir Zustimmung, auch durch unser Handeln. Ein Beispiel sind mögliche Schäden durch Arzneimittel. Der Beipackzettel berichtet über alle Nebenwirkungen. Die einen wollen genau wissen, welche Beschwerden durch das Medikament verursacht werden können. Die anderen schauen lieber gar nicht erst hin.
Der verschreibende Arzt muss uns über alle Risiken aufklären, wenn er uns ein Mittel erstmalig verordnet. Nehmen wir einmal an, dieser gesetzlichen Bestimmung würde in den Praxen ausnahmslos nachgekommen: Wie wägen Sie ab, was Sie einnehmen und was nicht? Sind Sie umfassend in Kenntnis über Notwendigkeit, Nutzen und Gefahren, um eine aufgeklärte Entscheidung treffen zu können? Oder stimmen Sie dem Mediziner in blindem Vertrauen zu?
Wir stimmen zu, weil ein Fachmann uns seine Meinung gesagt hat. Wir stimmen zu, weil wir keine Zeit haben. Wir stimmen zu, weil wir scheinbar keine andere Wahl haben. Wir stimmen zu, weil alle dazu nicken. Wir stimmen zu, um nicht in einen Streit zu geraten. Wir stimmen zu, um zur Gruppe gehören zu dürfen. Wir stimmen zu, weil es als moralisch einwandfrei oder politisch korrekt gilt. Wir stimmen zu, um keinen Shitstorm zu ernten. Wir stimmen zu, um gut dazustehen.
Wir stimmen nicht mehr zu, weil wir es RICHTIG finden, sondern weil es gemäß der vorherrschenden Bewertung als GUT gilt. Es entspricht den allgemein anerkannten Werten. Ob eine Zustimmung unseren eigenen Werten widerspricht, blicken wir erst, wenn sich danach ein ungutes Gefühl einstellt. Und das bemerken wir nur, falls wir aufmerksam in uns hinein spüren.
In einem psychologischen Experiment hat man eine Gruppe von Menschen eine sehr einfache Frage gestellt. Bis auf die eigentliche Testperson, waren alle anderen angehalten, eine falsche Antwort zu geben – und zwar alle dieselbe. Von dieser Absprache wusste die Testperson nichts. Sie stand mit ihrer offensichtlich richtigen Entscheidung also alleine da. Und was war das Ergebnis der Unersuchung? Sie hat sich der anderen – sichtbar falschen – Meinung aus Gruppendruck heraus angeschlossen. Erst als eine weitere Person ihre Entscheidung unterstützte, hat sie sich getraut, ihre Ansicht zu vertreten.
Wir leben in einer Kultur der mehr oder weniger druckvoll herbeigeführten Zustimmungen. Durch die alltägliche Wiederholung erscheint uns das normal. Im ersten Schritt ist es deshalb notwendig, die Situation zu begreifen. Mit diesem Beitrag will ich Sie anregen, darauf zu achten, an welchen Stellen Sie zustimmen, ohne den Sachverhalt geprüft zu haben und ohne selbst zu der Meinung gelangt zu sein, dass es RICHTIG für Sie ist zuzustimmen.
Lassen Sie sich nicht von erhobenen Zeigefingern davon abhalten, Ihren eigenen Standpunkt zu finden. Moralisten würgen jeden sachlichen Austausch ab, indem sie meinen, bestimmen zu können, was als GUT gelten darf – es muss noch nicht einmal RICHTIG sein. Was als GUT eingestuft wird, ist aber eine Entscheidung, die für jeden Menschen unterschiedlich ist und sein darf. Niemand kann Ihnen sagen, was in Ihrem Leben als GUT zu bewerten ist.
Ihr Kopf kann Ihnen sagen, was WAHR ist, der Bauch gibt Hinweise, was Sie als SCHÖN und lustvoll empfinden. Was aber GUT ist, entscheidet Ihr Herz. Über die Wahl zwischen der Unlustvermeidung aufgrund des Bauchgefühls und dem Urteil der Nützlichkeit aus dem Verstand hat das Herz die Hoheit. Der Wegweiser ist Ihre einzigartige Wertehierarchie.
Natürlich müssen Sie nicht jedes mal alle Datenschutzregeln durchlesen, wenn Sie auf eine Website gehen wollen. Mein Ziel ist es, dass Ihnen das Reflexhafte der Zustimmung bewusst wird. Und dass Sie an wichtigen Stellen aufhorchen, wenn jemand Ihre Zustimmung einfordert. Dann können Sie frei entscheiden, welche Prüfsteine für Ihre Zustimmung gelten.
Sie haben Ihre eigenen Werte, die Sie gemäß einer inneren Landkarte unterschiedlich gewichten. Werden Sie sich Ihrer Werte bewusst. Nach diesen zu entscheiden und zu handeln bedeutet, ein Leben in Aufrichtigkeit zu führen. Das wünsche ich Ihnen und uns allen von Herzen.
Text: Petra Weiß
Fotograf: Kai Tiesberger Copyright: Petra Weiß
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