“Wir sind die Borg.”

„Wir sind die Borg. Sie werden assimiliert. Widerstand ist zwecklos.“
Zitat aus STAR TREK, Serien Next Generation und Voyager, diverse Folgen

Früher wurden tiefe Weisheiten in Form von Märchen von Generation zu Generation weitergegeben. Die mündlichen Überlieferungen haben sich über die Jahrhunderte gehalten, weil grundlegende Muster des Menschseins, wiederkehrende innere und äußere Konflikte sowie mögliche Lösungen als Parabeln und Gleichnisse in den Erzählungen enthalten sind.

Die Gebrüder Grimm haben die Volksmärchen aufgeschrieben und gesammelt. Damit sind die Texte erfasst, dokumentiert und zentralisiert worden. Plötzlich gab es eine institutionelle „Hoheit“ über die Geschichten, die vorher Allgemeingut waren.

Mit jeder Rechtschreibreform, mit jedem Versuch, die Texte sprachlich oder inhaltlich dem Zeitgeist anzupassen, mit jedem Verbiegen des Ursprünglichen zugunsten der Political Correctness werden sie wertloser, weil der Leser immer schwieriger zur eigentlichen Bedeutung vordringt und kaum mehr am Kern der Botschaft andocken kann.

Heute werden Märchen in Umlauf gesetzt, die auf einer tiefen symbolischen Ebene die Weltsicht prägen, die das Bild der Allgemeinheit verzerren, was als „normal“ oder „üblich“ zu betrachten sei, und wie man mit Konflikten umzugehen habe. Viele davon kommen aus Hollywood. Moderne Märchen heißen Spielfilme oder Serien. Vordergründig dienen sie der Unterhaltung. Ich würde nicht behaupten, dass hinter jedem Blockbuster eine andere Absicht steckt, als damit kräftig Kasse zu machen. Tatsächlich kann sich aber niemand dem unterschwelligen oder offenkundigen Einfluss entziehen, durch den die Filme sein Welt- und Menschenbild formen.

Dass wir uns dessen bewusst werden, kann ein guter erster Schritt sein, zu einem natürlichen Empfinden für individuell passende Werte, Lebensweisen und Konfliktlösungen zurückzufinden. Meine Manipulationsspürnase schlägt Alarm, wenn in der Action oder in der Soap eine Ideologie verpackt ist, die moralisiert und damit spaltet. In der Folge verhindert das Moralisieren die Ausbildung einer echten Ethik. Statt uns unseren eigenen Werten bewusst zu werden und nach diesen Richtlinien zu leben, lassen wir uns von der Gemeinschaft sagen, was wir als gut oder böse einzusortieren haben.

Fragen Sie sich nach dem Anschauen einer Folge oder eines Films, welche Botschaft der Sender Ihnen vermitteln wollte. Wie wurden die Charaktere dargestellt? Welche Eigenschaften zeigten „die Guten“, welche „die Schlechten“? So erkennen Sie Ihr Erziehungsprogramm aus diesem Beitrag. TV-Produktionen, die mithilfe von Zwangsgebühren ins Leben finden, darf man auf ihren inhaltlichen Nährwert hin betrachten: die vorhersehbaren Storys, die seichten Dialoge, die Tränendrüsen-Drücker, die Echauffierer – was soll uns das alles bringen? Entspricht eine solche Produktion dem offiziellen Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens? Folgen da nur die Schauspieler dem Drehbuch oder auch die Zuschauer?

Serien, die ohne stattliche Bezuschussung über Jahrzehnte laufen, beherbergen möglicherweise Weltsichten, die direkt oder indirekt der gefühlten Wahrheit einer großen Anzahl von Zuschauern entsprechen. Vor diesem Hintergrund betrachte ich die STAR TREK Begeisterung. Millionen von Zuschauern verfolgen gespannt die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise und seiner Vorgänger oder Nachfolger. Spielfilme und Serien mit unzähligen Staffeln zeugen davon, dass dieses moderne Märchen viele Menschen berührt.

Kirk und Spok waren mir als Kind aus der Flimmerkiste bekannt. Ich habe wohl den einen oder anderen Kinofilm gesehen, konnte aber keinen rechten Gefallen an technikverliebtem Sience Fiction finden. Mit meinem Mann hielt vor ein paar Jahren das STAR TREK Universum Einzug in mein Wohnzimmer. Und nun begann ich, die (Ge-)Schichten hinter den Weltraumabenteuern zu entdecken. Mir ist früh aufgefallen, dass menschliche Eigenschaften auf andere Spezies übertragen und dort übertrieben dargestellt worden sind. Wie Karikaturen des facettenreichen Menschseins wirken auf mich die gefühlsunterdrückten Vulkanier, die profitgierigen Ferengees, die bis zur Paranoia misstrauischen Andorrianer, die gewaltverherrlichenden und dabei auf ihre Ehre pochenden Klingonen und die nach Perfektion strebenden Borg – eine Mischung aus Mensch und Maschine.

Mich erinnert das taktische Auslagern von Eigenschaften an Strategien aus der Psychotherapie. Bei der Reinkarnationstherapie beispielsweise können Patienten mit ein paar Jahrhunderten Abstand ihre weniger geschätzten Eigenschaften besser erkennen und leichter annehmen. Dadurch sind sie in der Lage, bewusst zu entscheiden, ob sie so bleiben oder sich verändern wollen. Vielleicht können wir Menschen unsere weniger geschätzten Eigenschaften besser erkennen und leichter annehmen, wenn wir sie an fremden Spezies vorgeführt bekommen.

Ich erlebe STAR TREK wie eine Ego-State-Aufstellung: Menschliche Eigenschaften werden getrennt voneinander betrachtet und miteinander in Interaktion gebracht – so wie wenn man verschiedene Seelenanteile aufstellt und zueinander in Bezug setzt. Innere Konflikte als Ursachen von Hindernissen werden dadurch sichtbar und Lösungen gefunden, die für alle Anteile akzeptabel sind.

Der Anteil, welcher den Gesamtorganismus in Bedrängnis bringt, hat dafür meist einen guten Grund, der gewürdigt werden will. Andernfalls wird er zum Saboteur aller Lösungsversuche. Ist seine Absicht hingegen bösartig und lebensfeindlich, braucht es ein entschlossenes und tatkräftiges Abgrenzen gegen den Feind.

Die lebensfeindliche Bösartigkeit wird in der Serie durch die Borg verkörpert. Sie überfallen fremde Spezies, um deren Technologie und Wissen zu erbeuten. Dafür fügen sie die Individuen gewaltsam in ihr Kollektiv ein. Sie „verbessern“ die Körper der „assimilierten“ Wesen mithilfe technischer Implantate. Als nummerierte Drohnen ist sodann ihr oberster Lebenszweck, dem Kollektiv zu dienen. Die einstigen Opfer werden zu Tätern und assimilieren ihrerseits fortan fremde Spezies.

Die Borg verlieren ihre Individualität, solange sie dem Gruppenbewusstsein angehören. Werden sie vom Kollektiv getrennt, erwacht ihre Erinnerung an ihre Einzigartigkeit wieder, was zu großer Verwirrung führen kann oder zur Entschlossenheit, wieder ein Individuum zu sein. Je jünger eine Drohne war als sie in das Kollektiv eingefügt wurde, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie ohne die Anbindung an das Kollektiv in Panik gerät. Ohne die tausend Stimmen der Gruppe fühlt sie sich einsam und hat Angst. Aus dem kindlichen Bedürfnis nach Schutz wird sie die Versuche ihrer Mit-Drohnen notfalls mit Gewalt untergraben, selbstständige Individuen zu werden.

Na, kommt Ihnen da eine Parallele in den Sinn?

Aus psychologischer Sicht beschreibt die Folge 224 aus der Serie „Voyager“ die Auswirkungen einer nicht erfolgten Individualisierung auf das Unabhängigkeitsbestreben des Umfelds – und die vollkommen andere Vorgehensweise bei fortgeschrittenem Mentalisierungsprozess. Die Moral von der Geschicht:

Solange ich selbst panische Angst davor habe, unabhängig zu werden, unterminiere ich das Unabhängigkeitsbestreben meiner Mitmenschen. Habe ich entdeckt, was es bedeutet, ein Individuum mit eigenen Werten und Vorstellungen zu sein, das seine Einzigartigkeit weiterentwickelt und als solches in der Gruppe Rückhalt und Akzeptanz findet, kann ich vom Kollektivismus und seiner Gleichmacherei ablassen.

In der Folge trifft die ehemalige Drohne SEVEN OF NINE die Entscheidung, dass es besser ist, ein kurzes Leben als Individuum zu führen als den Rest seiner Tage in einem Kollektiv gefangen zu sein. Vielleicht ist Widerstand gegen den Kollektivierungs-Wahn ja doch nicht ganz zwecklos….

Mir geht es keinesfalls drum, eine aufrührerische Streitschrift zu verfassen, die womöglich wieder in eine Ideologie verführt. Neulich las ich einen Aufruf: „Steht endlich alle auf!“ Solche Aussagen halte ich für hochgradig übergriffig. Sie zeugen außerdem von einem beschränkten Bewusstseinsniveau. Jeder wird sich an seinem Punkt der Entwicklung weiter wandeln oder auch nicht. Das ist jedem einzelnen überlassen. Wir können uns gegenseitig bei Bedarf und auf Wunsch unterstützen. Nicht mehr und nicht weniger.

Eine Weltsicht, die das Mitmachen aller erfordert, um ein Ziel zu erreichen, ist eine Ideologie. Ideologien leben von der Ab- und Ausgrenzung. Sie brauchen immer Außenstehende, die daran schuld sind, dass ihre Visionen der Zukunft sich nicht realisieren lassen. Denn an den Visionen selbst kann es nicht liegen. Sie werden nicht infrage gestellt. Ideologien haben insofern etwas Narzisstisches.

Gegenüber Ideologien bin ich besonders wachsam. Warum? Weil aus Ideologien Fanatismus entsteht, und zwar vor allem bei denjenigen, die dringend ein Kollektiv brauchen, weil sie noch nicht so weit sind, alleine zu stehen. Sie werden notfalls mit Gewalt die egal wie absurden Ideen Ihrer Gemeinschaft durchzusetzen suchen. Geht die Idee den Bach runter, verlieren sie ihre Ersatz-Identität und stehen plötzlich schutzlos da.

Das ist der Punkt, an dem der Einzelne Hilfe brauchen kann. Aber nicht wieder im kollektivistischen Sinne: „Du kannst nichts dafür, dass Du mitgemacht hast. Du warst ja im Kollektiv gefangen.“ Sondern in voller Verantwortung für jede Tat und für jede Unterlassung.

Weshalb ist das so wichtig, keine Schwamm-Drüber-Mentalität zu kultivieren?

Die Seele verlangt immer nach Ausgleich. Wenn ich mich schuldig gemacht habe, muss ich es wieder gut machen oder eine Strafe erhalten oder mich in Selbstvergebung üben. So funktioniert die menschliche Psyche. Andernfalls sühne ich unbewusst für meine Sünden. Dann entwickle ich psychosomatische Erkrankungen oder seelisch-geistige Störungen, die erstaunlich therapieresistent sein können. Das Bedürfnis zu sühnen wird wie die Nachwirkung eines Trauma über Generationen hinweg vererbt.

Falls Sie die Versuchung verlockend finden, sich im warmen Schoß eines Kollektivs einfach aufzulösen, keine eigene Identität und vielleicht sogar kein Geschlecht mehr zu haben, dann schauen Sie sich einfach mal ein paar alte Folgen STAR TREK an. Oh, natürlich ist das Science Fiction. Aber das Wesentliche der Botschaft wird Sie auf einer tiefenpsychologischen Ebene erreichen.

Prüfen Sie einmal, wie viel Borg, Klingone, Andorrianer, Ferengee oder Vulkanier in Ihnen steckt. Und hinterfragen Sie das Bild, welches die Menschen von ihrer eigenen Spezies in den Folgen und Teilen zeichnen.

Welche Werte sollen uns hier vermittelt werden? Und wie werden diese umgesetzt?

Was bedeutet Individualität in einer Gruppe, die ihre Mitglieder uniformiert, in der Privatsphäre nicht existiert und jeder nach Vorschrift und Hierarchie zu funktionieren hat?

Wie viel Doppelmoral verträgt eine Gesellschaft? Wollen wir so leben?

Text: Petra Weiß
Bild: Bernd Deschauer / PIXELIO

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Zur Autorin

Schreibkunst Redakteur PR-Text
Petra Weiß ist Heilpraktikerin, psychologische Beraterin und Therapeutin. Ihre Liebe zur Sprache begleitet sie schon ihr Leben lang. Als Fachjournalistin für das Ressort Medizin und Gesundheit mit den Schwerpunkten Naturheilkunde und Psychologie hat sie zahlreiche Beiträge in Print und Online veröffentlicht.

An mehreren Sachbüchern hat sie als Lektorin und Co-Autorin mitgewirkt. Ihr Buch SO BIN ICH ECHT ist im Februar 2022 im Hardcover erschienen. Ihr neues Buch PERLENTAUCHER DER REDEKUNST wird voraussichtlich im Herbst 2022 geboren.

Seit Sommer 2020 gibt sie die Zeitschrift “Weißheiten: vom Ich zum Selbst” heraus. Mit psychologisch fundierten Essays, praktischen Tipps und Denkanstößen begleitet sie Menschen, die sich weiterentwickeln wollen, auf ihrer spannenden Reise zu sich selbst.

 

 

 

 

 

Verfälschte Geschichte – kollektiv und individuell

Entstand das Universum aus einem Urknall? Stammt der Mensch vom Affen ab? Sind die alten Göttersagen reine Phantasie?

Im Moment beschäftigen sich viele Menschen damit, die offizielle Geschichtsschreibung und die derzeit gültigen Paradigmen der Wissenschaft zu hinterfragen. Die Anziehungskraft dieser Themen scheint groß zu sein. Das Phänomen beobachte ich mit wachsendem Interesse aus psychologischer Sicht. Natürlich bin ich keine Historikerin oder Geschichtsforscherin und kann inhaltlich nichts zu solchen Fragen sagen. Aber in meiner Sprechstunde begegnen mir immer wieder Menschen, die herausgefunden haben, dass mit ihre Lebensgeschichte etwas Gravierendes nicht stimmt. Daher sind mir die tiefgreifenden Veränderungen bewusst, die solche Entdeckungen auslösen können.

Warum sollte es uns interessieren, woher die Menschheit kommt und wie sie die vergangenen 2.000 Jahre wirklich verbracht hat?

Vergangenheit als Teil der Identität

Vielleicht gewinnen Sie einen persönlichen Eindruck über die Bedeutung historischer Fakten mit Blick auf Ihre eigenen Ahnen. Es hat nämlich sehr wohl Einfluss auf das Heute, was wir über die Vergangenheit denken. Sie ist ein Teil unserer Identität. Durch sie wurde unsere Weltsicht geprägt, sie stellt gewissermaßen einen Filter dar, durch den wir unsere Erlebnisse wahrnehmen. Als Ergebnis entsteht aus unseren tatsächlichen Erlebnissen und dem Wahrnehmungsfilter in Verbindung mit unseren inneren Überzeugungen und Bewertungen unsere individuelle Wirklichkeit, also das Welt- und Menschenbild, das in unserem Leben wirkt.

Diese subjektive Wirklichkeit kann mit der Realität mehr oder weniger zu tun haben. Im Extremfall geraten wir in einen Wahn, der durch vernünftige Überlegungen und tatsächliche Beobachtungen nicht korrigierbar ist. So ein Wahn wird durch konsequent dem falschen Narrativ folgende Bewertungen von neuen Informationen mit viel Energie aufrecht erhalten.

Welchen Unterschied macht es in Ihrem Erleben, ob Ihr Opa ein Soldat im Ersten oder im Zweiten Weltkrieg gewesen ist und/oder ob er im Widerstand aktiv war? Welche Bewertung fließt ein, wenn Ihr Großvater auf der Deutschen oder auf der Französischen Seite gekämpft hat? Und wie ändert sich Ihr Empfinden, wenn Sie annehmen, dass er unter Todesdrohung gezwungen war, zur Waffe zu greifen, dass er nur sein Land verteidigen und seine Kinder beschützen wollte oder dass er der Propaganda auf den Leim gegangen ist und mit Begeisterung an die Front zog?

Natürlich haben wir keine Verantwortung für das Tun und Nicht-Tun unserer Vorfahren. Aber das Wissen darum macht etwas mit dem inneren Bild von unserer Familie. Wir identifizieren uns mit den Menschen, deren Gene wir in jeder Zelle unseres Körpers beheimaten, von denen das Leben zu uns geflossen ist, deren Erlebnisse ihr Verhalten gegenüber ihren Kindern geprägt hat, die diese Erfahrungen ihrerseits an die nächste Generation weitergereicht haben und so weiter.

Späte Auswirkungen

Als systemische Familientherapeutin und Traumatherapeutin kann ich Ihnen versichern, dass traumatische Erfahrungen das Potential haben, sich über mehrere Generationen auszuwirken. Oft sind wir uns der Traumatisierungen gar nicht bewusst, weil sie sehr früh stattgefunden haben.

Wenn sie schwerwiegend genug waren, schützt das Unterbewusstsein die Patienten manchmal durch Vergessen. Dann haben sie kurze „Absencen“: Stunden oder Tage im totalen Blackout, an die sie sich einfach nicht erinnern. Oder sie entwickeln eine teilweise oder vollständige Amnesie, die sich über den Zeitraum mehrerer Jahre erstrecken kann.

Zusätzlich gibt es die Möglichkeit einer Hypnose im Sinne eines programmierten Gedächtnisverlusts. Halten Sie das für absurd? In Anbetracht von schätzungsweise einer Million Menschen in Deutschland, die als Kind sexuell missbraucht wurden, ist die Wahrscheinlichkeit gar nicht so gering, dass Sie jemanden kennen, der mit einem derartigen Schicksal belastet ist.

Die Gedächtnislücken sind für den Verstand kaum ertragbar. Daher werden sie irgendwie gefüllt. Man denkt sich etwas aus, das man womöglich selbst für wahr hält. Oder man bekommt ein Narrativ angeboten, das man annehmen kann. Leider kommt das Märchen häufig vom Täter und erzählt logischerweise nicht die wahre Tat, sondern irgendeinen Unsinn, der schlimmstenfalls das Opfer noch zusätzlich quält, weil er ihm Schuld zuschiebt und absichtlich Schamgefühle auslöst.

Wenn wir also ein schweres Trauma erlebt haben, besteht die Möglichkeit, dass wir über unsere Vergangenheit etwas Falsches denken, – und auch über uns. Schlimmstenfalls glauben wir, was uns der Täter eingeredet hat. In dem verschobenen Selbst- und Weltbild durch die falsche Geschichte liegt das eigentliche Problem.

Wir halten uns dann für schwach, dumm, schuldig, böse oder sonstwie verachtenswert. Deshalb ist es so wichtig herauszufinden, was wirklich geschehen ist. Erst wenn wir unsere eigene Geschichte richtigstellen, können wir falsche Schlüsse, die wir aus falschen Informationen gezogen haben, korrigieren. Ein solcher Prozess hat Risiken und Nebenwirkungen. Dadurch kann unser ganzes Glaubensgebilde ins Wanken geraten. Die Verunsicherung kann enorm sein und bedrohlich wirken. Aber die Chance auf eine bessere, weil selbst-bewusstere Zukunft, besteht.

Wenn das einstige Opfer zum Täter wird…

Schwierig wird es, wenn aus dem Opfer selbst ein Täter geworden ist. Das passiert leider, wenn die Abspaltungen in eine gefühllose Verantwortungslosigkeit geführt haben. Sich dieser Wahrheit zu öffnen, ist viel verlangt. Häufig erleben die Betroffenen eine Opfer-Täter-Umkehr und fühlen sich von ihrem Opfer bedroht wie damals von ihrem Peiniger. Sie glauben, wie wären im Recht. Nicht selten kommen noch Wahnideen hinzu, durch die Tat in irgendeiner Weise die Welt zu retten. Durch die Gewalt und Machtausübung ihrer Tat entlasten sie sich von den unverarbeiteten Ohnmachtsgefühlen und lenken sich gleichzeitig von den Spuren ihrer eigenen Traumata ab. Die Abspaltung von ihren Empfindungen kann man als Bewältigungsversuch werten. Sie spüren sich selbst nicht mehr und haben dadurch auch kein Mitgefühl mit denen, die sie quälen.

Durch die Tat ist der zuvor bereits traumatisierte Täter übrigens noch einmal traumatisiert. Je schwerer seine Psyche vorher geschädigt worden war, desto grausamer kann er später sein. Hat er Menschenleben auf dem Gewissen, wird er sich dem kaum stellen können und wenn, dann besteht die Gefahr einer Selbsttötung. Eine gesunde Selbstachtung wiederzufinden, ist unter den Schuldgefühlen nur schwerlich möglich.

Seien Sie sich dessen bewusst, dass Menschen, die andere umbringen, dem kaum ins Auge blicken können, ohne dass ihr Leben auf die eine oder andere Art endet. Zumindest die Freude am Leben ist bis auf weiteres dahin. Ermessen Sie daran der Grad der Verzweiflung, mit dem ein (mehrfacher oder Massen-)Mörder seine falsche Geschichte aufrecht erhalten muss.

Schutzbefohlene als Opfer

Genug zu den Tätern abgeschweift, kümmern wir uns wieder um die Opfer. Wenn die Tat in frühen Jahren passiert ist, sind mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Eltern in irgendeiner Weise darin verwickelt. Zumindest haben sie ihre Schutzfunktion nicht wahrgenommen. Manchmal haben sie weggesehen oder die Tat sogar billigend in Kauf genommen. Und erschreckend häufig, sind Mutter oder Vater oder beide (Mit-)Täter, wenn es um Gewalt an Kindern geht.

In diesem Fall ist eine innere Spaltung des Kindes die logische Folge. Sie können nicht gleichzeitig die Eltern, von denen sie existenziell abhängig sind, lieben und sie als grausame Täter anerkennen. Die Spaltung rettet sie vor dem Dilemma. Ein Teil der Psyche bleibt intakt und unterstützt bei Bedarf die Erkenntnisfindung. Ein anderer ist von der Realität völlig überfordert und blendet sie weg. Und ein dritter Anteil dient dem Überleben, indem er eine Pseudo-Realität erschafft.

Aus solchen Lebensgeschichten entsteht eine gefährliche „Täterblindheit“. Die als Baby, Kleinkind oder Kind Geschädigten erkennen später nicht, ob es jemand gut mit ihnen meint oder ihnen im Gegenteil Schaden zufügt. Sie sind offen für die absurdesten Narrative, um die Wahrheit nicht erkennen zu müssen, wenn jemand sie in eine Falle lockt. Insbesondere, wenn dieser jemand eigentlich eine Schutzfunktion ihnen gegenüber hätte. Ja, sie lassen sich sogar Schuldgefühle einreden, wenn sie nicht seinen – für jeden Außenstehenden offenkundig böswilligen – Anweisungen folgen.

Wer bin ich? Und was will ich wirklich?

Identitätsprobleme und Willensschwäche sind weitere Folgen frühkindlicher Traumatisierungen. Die Betroffenen wissen oft als Erwachsene nicht, wer sie sind und was sie wollen. Dadurch werden sie zusätzlich leichte Beute für weitere Täter, welche sie instinktiv aufspüren wie eine Raubkatze treffsicher und schnell ein verwundetes Beutetier in einer Herde ausmacht.

Aus dieser Anfälligkeit heraus führt nur der Erkenntnisprozess. Wir müssen wissen, was uns so geprägt hat, dass wir uns heute noch (unbewusst) als Opfer anbieten, damit die Qual endlich aufhört. Wir müssen vor allem herausfinden, wer wir sind, sonst kann uns jeder Verbrecher irgendetwas erzählen, wer wir angeblich wären. Wir brauchen Kontakt zu unserem eigenen Willen, damit wir nicht den Willen anderer erfüllen, ohne es zu bemerken. Dazu ist es notwendig, den eigenen Körper zu spüren. Seine Signale sind Hinweise, die zu unserem Selbst führen. Durch das Körperempfinden lernen wir, unsere Gefühle zuzuordnen und gewinnen neue Klarheit in unserem Denken.

Sich selbst ein guter Freund sein

Ein bewusstes Selbst findet ein ebensolches Gegenüber. Das heißt, dass wir auf diesem Weg auf lange Sicht beziehungsfähig werden. Zunächst ist es ein guter Schritt, uns selbst die Gesellschaft zu sein, wie wir uns wünschen. Wollen Sie einen Partner oder eine Gemeinschaft, die integer ist? Dann entwickeln Sie sich zu einem aufrichtigen Menschen. Prüfen Sie, welche Versprechungen Sie sich gegeben haben und erneuern Sie die Zusagen bewusst oder lösen Sie sich ausdrücklich davon. Und dann fangen Sie an, Ihre Versprechen einzulösen. Eins nach dem anderen.

Wenn die erlebten Traumata im Dunklen bleiben, werden wir nie verstehen, warum wir in bestimmten Situationen irrational, überschießend oder gar nicht reagieren. Wir kennen uns selbst nicht – Wie sollten wir dann die Welt begreifen wollen?

Das weit verbreitete Ansinnen, sich kritisch mit der Geschichte der Menschheit auseinandersetzen zu wollen, deute ich als kollektives Bedürfnis nach Befreiung von kollektiven Traumata. Ich kann mir vorstellen, dass wir als Menschheitsfamilie schwere Verletzungen erfahren haben, an die wir uns nur langsam und zögerlich erinnern. Möglicherweise gab es einen Kataklysmus, also eine weltumspannende Katastrophe, ob von Menschenhand absichtlich oder aus Versehen geschaffen oder als Naturereignis oder durch kosmische Einflüsse – wer weiß das schon?! Ich nicht.

Verdächtige Lücken

Mir erscheinen nur einige Geschichten gänzlich unplausibel. Und ich wundere mich, warum manches verdreht dargestellt und anderes verschwiegen wird. Das Verschweigen macht mich besonders hellhörig. Ich kenne solche Lücken in der Erzählung aus gruseligen Biografien. Bevor die Wahrheit ans Licht kommt, zeigt sich häufig erst einmal die Lüge. Beispielsweise in Form von (schlecht gefüllten) Lücken in der Story. Und dann kann es Jahre dauern, bis alles zutage tritt. Oder es geht ganz rasch. Mein Eindruck ist, dass die Offenbarungen sich in dem Tempo zeigen, wie es die jeweilige Seele verkraften kann. Manches bleibt auch für immer im Nebel.

Ich kann gut verstehen, warum die Leute sich eigene Erklärungen suchen, wenn sie die offiziellen einfach nicht (mehr) glauben können. Und ganz ehrlich: Da gibt es Lücken in Format des Grand Canyon. Warum wir diese früher nicht gesehen haben, mag mit der veränderten Zeitqualität zusammenhängen. Vielleicht sind wir jetzt an dem Punkt der Bewusstseinsentwicklung, an dem diese Entdeckungen eben fällig sind.

Wenn Sie den kollektiven Prozess unterstützen wollen, können Sie sich mit verborgenen Geheimnissen der Weltgeschichte befassen. Das birgt eine gewisse Faszination. Vielleicht haben Sie einen intuitiven Zugang zu solchen Themen. Wirklich wissen werden wir nie, was mit uns geschehen ist. Selbst wenn wir einen Zeitreisenden träfen, der Videos dabei hat, was eher unwahrscheinlich ist 🙂 könnten die Dokumente gefälscht sein.

Wir wissen nur verlässlich, was uns selbst widerfahren ist.

Jede Erzählung ist letztlich nur eine Geschichte, auch jeder schriftliche Bericht kann frei erfunden sein – damals, heute und in der ganzen Zwischenzeit. Damit Sie mit beiden Füßen auf der Erde bleiben, empfehle ich Ihnen ganz warm, dass Sie bei all den spannenden Geschichten Ihren eigenen Realitätsbezug pflegen und schulen.

Fangen Sie bei sich an.

Ergründen Sie IHRE Geschichte. Was ist wahr? Was ist fraglich? Und was eher unwahrscheinlich? Wie könnte es stattdessen auch (gewesen) sein?

Lernen Sie zu unterscheiden, was Ihre tatsächliche Wahrnehmung ist und was Interpretation. Differenzieren Sie ganz präzise nach Körperempfindungen, Emotionen und Gedanken. Starten Sie im Jetzt bevor Sie sich früheren Ereignissen zuwenden.

Wie geht es Ihnen im Moment? Welche Körperempfindungen sind wahrnehmbar? Welche Emotionen fühlen Sie? Was für Gedanken kommen in Ihren Kopf?

Achten Sie auf Ihren Sprachgebrauch. Das ist wichtig, damit Sie Ihrer Wahrnehmung vertrauen (lernen). Zur Veranschaulichung habe ich Ihnen ein praktisches Beispiel mitgebracht:

Wenn Sie meinen „Ich fühle mich bedroht“ sei eine Emotion, bringt das Verwicklungen mit sich. Wenn Sie tatsächlich nicht bedroht SIND, werden Sie an „der Richtigkeit“ Ihrer Wahrnehmung zweifeln. Tatsächlich ist die Emotion möglicherweise „Angst“ oder „Wut“. Diese Wahrnehmungen sind zwar subjektiv, aber in jedem Fall richtig, egal ob die Angst oder Wut begründet ist oder nicht. Der Gedanke „Ich fühle mich bedroht“ ist genau das: ein Gedanke. Aus der Erfahrung empfehle ich zu ergänzen „Ich fühle mich WIE bedroht“ oder „…ALS WÄRE ICH GERADE bedroht“. Damit kann das Unterbewusstsein registrieren, dass Ihre Empfindung und die Zuordnung zu früheren Bedrohungen gewürdigt ist und dass jetzt keine reale Gefahr bestehen muss, um sich so zu fühlen.

Der Bullshit-Detektor

Mit solchen Übungen kommen Sie Ihrer eigenen Geschichte auf die Spur. Wir Menschen haben einen inneren Radar für Lügen und Halbwahrheiten. Sie können Ihre Wahrnehmung schulen und forschen, welche der Narrative in Ihrer persönlichen Geschichte Störgefühle erzeugen. Vielleicht lohnt es sich, einen genaueren Blick auf solche Erzählungen zu werfen.

Seien Sie insbesondere skeptisch, wenn eine Geschichte Ihnen offensichtlich Angst machen oder Sie in Empörung bringen soll. Auch die Grundbotschaft “Selber schuld” mit den damit verbundenen Gefühlen von Schuld und Scham darf Ihren Alarm auslösen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Sie gerade manipuliert werden sollen. Je besser Sie über derartige Manöver Bescheid wissen, desto leichter erkennen Sie den Versuch schon im Ansatz – in Ihrer eigenen Biografie, in den aktuellen Berichten und in den historischen Aufzeichnungen.

Text: Petra Weiß
Foto: kiripic / PIXELIO

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Zur Autorin

Schreibkunst Redakteur PR-Text
Petra Weiß ist Heilpraktikerin, psychologische Beraterin und Therapeutin. Ihre Liebe zur Sprache begleitet sie schon ihr Leben lang. Als Fachjournalistin für das Ressort Medizin und Gesundheit mit den Schwerpunkten Naturheilkunde und Psychologie hat sie zahlreiche Beiträge in Print und Online veröffentlicht.

An mehreren Sachbüchern hat sie als Lektorin und Co-Autorin mitgewirkt. Ihr Buch SO BIN ICH ECHT ist im Februar 2022 im Hardcover erschienen. Ihr neues Buch PERLENTAUCHER DER REDEKUNST wird voraussichtlich im Herbst 2022 geboren.

Seit Sommer 2020 gibt Sie die Zeitschrift “Weißheiten: vom Ich zum Selbst” heraus. Mit psychologisch fundierten Essays, praktischen Tipps und Denkanstößen begleitet sie Menschen, die sich weiterentwickeln wollen, auf ihrer spannenden Reise zu sich selbst.