Der Schwarze Contergan-Peter

Jahrestage nehme ich immer gerne zum Anlass, in die Vergangenheit zu blicken, um daraus Erkenntnisse für die Gegenwart zu gewinnen.

Am 1. August 1961 wurde das Beruhigungsmittel Contergan mit dem Wirkstoff Thalidomid rezeptpflichtig. Zuvor war es für jedermann ohne ärztliche Verschreibung in der Apotheke erhältlich. Es dauerte noch bis zum 27. November 1961, bis Contergan endlich verboten wurde, obwohl der Bundestag bereits am 14. Mai 1958 eine fruchtschädigende Wirkung des Mittels neben anderen möglichen Ursachen diskutiert hat. Nachdem man zunächst gar nicht zugeben wollte, dass es überhaupt eine Häufung von Fehlgeburten und Fehlbildungen gab.

Wie alles begann

Die Vorgeschichte liest sich wie ein Bericht aus dem Sommerferien-Camp von Jugend forscht: Contergan wurde 1954 von drei deutschen Wissenschaftlern für das Unternehmen Chemie Grünenthal in Nordrhein-Westfalen entwickelt. Im Tierversuch zeigte es keinerlei Wirkung – weder erwünschte noch unerwünschte. Dann wurde das Medikament an Epilepsie Patienten getestet. Dort stellte sich heraus, dass es sich als Beruhigungsmittel einsetzten lies. Als solches wurde Contergan von 1957 bis 1961 vermarktet. Da es unter anderem bei Schwangerschaftsübelkeit helfen sollte, nahmen viele werdende Mütter die Arznei arglos ein.

Die Missbildungen der unter Contergan-Einfluss gereiften Babys schrieb man zunächst den Nachwirkungen von Atomwaffentests zu. Nachforschungen über die wahre Ursache wurden durch ideologische Fallstricke behindert, die man heute political correctness nennen würde: Das Erfassen von Missbildungen bei Neugeborenen brachte man mit rechten Gesinnungen in Verbindung. So wurde das Ausmaß der Katastrophe erst viel zu spät sichtbar.

Ende 1960 wandte sich ein Arzt mit einem Leserbrief in einem renommierten Zeitschrift an die Fachschaft und stellte den Zusammenhang zwischen dem Contergan-Wirkstoff und neuronalen Schäden her, was Chemie Grünenthal zunächst bestritt. Fast ein ganzes Jahr lang blieben die Verdachtsmomente ohne angemessene Konsequenzen, selbst die Rezeptpflicht wurde nur schleppend in den verschiedenen Bundesländern umgesetzt. Zuletzt in Bayern am 1. Januar 1962. Obwohl einige Wissenschaftler die Nebenwirkungen längst erkannt hatten und entsprechende Beiträge in angesehenen medizinischen Magazinen publiziert waren.

Verspätete Aufklärung

Die breite Öffentlichkeit lies man so lange im Unklaren darüber, dass es überhaupt ein Problem gab, bis es per Verbot der Arznei gar nicht mehr zu leugnen war. Ende November 1961 titelte die WELT: „Mißbildungen durch Schlaftabletten?“ Und am 6. Dezember 1961 las man dann auch im Spiegel: „Bis zum Montag vergangener Woche wußten die Bundesbürger nichts von der ‚Mißbildungs-Epidemie“

Die mit der Aufklärung beauftragten Fachleute versuchten, die Schuld den Müttern in die Schuhe zu schieben, die sich angeblich nicht gesund genug ernährt hätten. Da kann einem schon übel werden – mit und ohne Schwangerschaft.

Traurige Zahlen und solche die fehlen

Allein, dass es bis heute keine konkreten Daten gibt, erzeugt bei mir einen Würgereiz. Von 5.000 bis 10.000 Kindern ist die Rede. Was für ein Zynismus! Als mache es keinen Unterschied ob 5.000 Menschen mehr oder weniger von derart lebensbeeinträchtigenden Umständen betroffen seien. Und betroffen von solchen Schicksalsschlägen ist nicht nur der beeinträchtigte Mensch, sondern seine ganze Familie.

Die Anzahl der durch das Medikament im Mutterleib verstorbenen wird nicht einmal geschätzt. Nicht nur, dass ein Mensch nicht ins Leben kam – für viele Schwangere ist der Verlust ihres ungeborenen Kindes traumatisch und hat zum Teil jahrzehntelange Nachwirkungen, die ihr, dem Kindsvater und auch den Spätergeborenen zu schaffen machen.

Bei der systemischen Familientherapie zeigt sich immer wieder, wie dramatisch einerseits Verluste im Mutterleib sein können und andererseits wie folgenreich es sogar für die ganze Sippe der „Täter“ ist, dass jemand (auch unabsichtlich) den Tod eines Menschen herbeigeführt hat. Derartige Schuld wird unbewusst manchmal über Generationen hinweg gesühnt.

Auf die Anzahl der heute noch lebenden kann man nur mittels der bekanntgegebenen Schadenersatzzahlungen schließen. Mindestens 6.880 sind so schwer fehlgebildet, dass sie jetzt noch monatliche Zahlungen aus einem Fonts erhalten, der teils von den verursachenden Pharmaunternehmen, teils von uns Steuerzahlern getragen wird.

Im August 2020 (!) kam erst heraus, dass in einem Krankenhaus, das von der Caritas betrieben wurde, 1960 Versuche an Säuglingen und Kindern mit Contergan gemacht wurden. Der offizielle Tenor mit meinen Worten wiedergegeben: Oh, das kann man sich gar nicht erklären, wie es dazu wohl nur gekommen sein mag. Aber natürlich tut es einem leid. Das war‘s. Keine Untersuchung, keine Daten.

Offensichtlich will es niemand so genau wissen, wenn medizinische Fehleinschätzungen bleibenden Schaden anrichten. Schwamm drüber.

Maßnahmen aus dem Schlamassel

Damit so etwas nie wieder geschieht, wurde die Zulassung medizinischer Wirkstoffe streng reglementiert. Als Maßnahme aus den leidvollen Erfahrungen verlangen die Behörden von den Pharmaunternehmen, die Wirkung sowie unerwünschte Nebenwirkungen der Medikamente unter Laborbedingungen zu untersuchen, bevor sie für den Einsatz am Patienten freigegeben werden. Der Ablauf solcher Zulassungsverfahren ist im Detail geregelt.

Es gibt nur sehr wenige Ausnahmen, die erlauben, dass eine vom Standardvorgehen abweichende Notzulassung erteilt wird. Lebensbedrohliche Gefahr im Verzug und eine positive Einschätzung zur Nutzen-Risiko-Bilanz ermöglichen, dass zugunsten der sofortigen Verfügbarkeit eine Zulassung erteilt wird, ohne dass alle üblicherweise erforderlichen Studien abgeschlossen sind. Auf jedem Fall muss ein akuter Bedarf an einer solchen Arznei bestehen. Sie wird dringend gebraucht und kein bereits zugelassenes Medikament kann die Gefahr der betreffenden Erkrankung abwenden.

Um die restlichen Studienergebnisse einzureichen hat der Antragsteller dann 12 Monate Zeit. Währenddessen hat die Arznei eine „bedingte Zulassung“. Sie ist also zugelassen, aber eben nur „bedingt“.

Die bedingte Zulassung läuft nach einem Jahr aus. Wenn die nachgereichten Studienergebnisse die Wirksamkeit und Sicherheit der Arznei belegen, kann die Zulassung zunächst um 5 Jahre verlängert werden, bevor sie dann ggf. ohne Zeitbeschränkung erteilt wird.

Die Daten der im Rahmen des „Feldeinsatzes“ mit dem Notfallmedikament behandelten Patienten werden nicht systematisch erhoben und ausgewertet. Sie sind insofern nicht Teil einer Studie und ihre Erfahrungen fließen nicht in die Zulassungsbewertung ein. Das ist eigentlich schade. So gehen wertvolle Erkenntnisse verloren.

Verständnis aus psychologischer Sicht

Wenn ich heute auf die Ereignisse zurückblicke, kann ich für alle Beteiligten Verständnis entwickeln. Ich verstehe, dass Wissenschaftler die Früchte ihrer fleißigen Arbeit gerne der Welt zur Verfügung stellen wollen. Auch kann ich nachvollziehen, dass ein Unternehmen nach der aufwändigen Entwicklung eines Medikaments mit dem Präparat Geld verdienen will und muss.

Falls dann schwerwiegende Folgen zutage treten, möchte niemand daran die Schuld tragen. Wer will schon für dem Tod von ungeborenen Babys und die Fehlbildungen von Neugeborenen verantwortlich sein? Ich kann verstehen, dass Grünenthal jeden Zusammenhang mit ihrem Produkt abstritt. Von den drohenden finanziellen Konsequenzen mal ganz abgesehen, die bestimmt niemand tragen wollte.

Wohin mit der Schuld?

Statt der Wahrheit ins Auge zu blicken, wird der Schwarze Peter hin und her geschoben. Lieber nimmt man an, eine abstrakte und entfernte Ursache wie radioaktive Strahlung sei verantwortlich als ein von bestimmten Menschen hergestelltes, vermarktetes und gekauftes Produkt.

Ich könnte mir vorstellen, dass auch einige der Mütter gerne den Erklärungen Glauben schenkten, Atomwaffen seien die Ursache des Übels und nicht die von ihnen gutgläubig eingenommen Arzneien. Selbst dieser vergleichsweise kleine Beitrag zu dem schweren Schicksal ist für einen Menschen kaum zu ertragen.

Das Unterdrücken der Vermutung, Contergan könne ursächlich an den Fehlbildungen beteiligt sein, ist wissenschaftlich fatal und gesellschaftlich kann man es natürlich nicht vertreten.

Aus psychologischer Sicht ist die Nicht-Reaktion von Ärzteschaft und Medien dennoch verständlich. Noch keine Generation war vergangen, da hatten Ärzte sich blutige Hände geholt an den ideologisch gefärbten Vorstellungen von „unwertem“ Leben. Lieber kniff man beide Augen kräftig zu als auch nur im Entferntesten den Eindruck einer Nazi-Haltung zu erwecken. Wer hätte sich schon einem grollenden Sturm der Empörung stellen wollen?

Der Versuch, den ohnehin schon von Schuldgefühlen geplagten und mit den praktischen Ergebnissen des misslungen Menschen-Experiments belasteten Müttern die Verantwortung zuzuweisen, brachte vermutlich die Wendung. Muttis fühlen sich sowieso immer schuldig, wenn in der Schwangerschaft oder bei der Geburt ihres Kindes irgendetwas schief läuft und machen sich zeit ihres Lebens Vorwürfe. Das konnten die Frauen nicht mehr dulden – und ihre Ärzte auch nicht.

Zwar hatte man die Mediziner durch die Rezeptpflicht zu Mitschuldigen gemacht und damit die Aufklärung erheblich erschwert. Wer verwickelt ist in solch ein Verbrechen, wird weder sich selbst noch seine Standesgenossen anklagen und wohl kaum als Zeuge belasten. Doch letztlich waren Gewissen und Moral entscheidend.

Mehrere Mutige hat es gebraucht, um den Stein endlich ins Rollen zu bringen: einen beherzten Arzt, einen unerschrockenen Chefredakteur und letztlich Juristen, die sich von Macht und Geld nicht beeindrucken ließen.

Die Lehre aus dem Contergan-Skandal

Forscher haben gelernt, dass man jede Verantwortung abgeben kann, wenn man sich an die behördlichen Vorschriften hält. Arzneimittelhersteller haben gelernt, dass sie die Haftung für Medikamente ohne reguläre Zulassung besser nicht übernehmen sollten. Die Presse hat gelernt, dass es ihr niemand dauerhaft übel nimmt, wenn sie unliebsame Wahrheiten verschweigt. Politiker haben gelernt, dass es immer gut ist, einen Sündenbock parat zu haben.

Was haben wir alle gelernt?

Wir haben erlebt, dass das Undenkbare geschehen kann. Wir haben gesehen, wie unmöglich es für manche Menschen ist, ihre Verantwortung zu übernehmen, wenn die Folgen ihrer Entscheidungen derart schwerwiegend sind. Wir konnten verfolgen, dass die Schuldigen lieber mit wehenden Fahnen weiter in die falsche Richtung rennen, als (sich und anderen gegenüber) ihre unverzeihlichen Fehler einzugestehen.

Wenn wir daraus nichts gelernt haben, war das Leid der Contergan-Geschädigten, die Bürde der Verursacher und der Mitschuldigen an der verzögerten Aufklärung vergebens.

Text: Petra Weiß
Foto: Kolja Fleischer  / pixelio.de

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Zur Autorin

Schreibkunst Redakteur PR-Text
Petra Weiß ist Heilpraktikerin und psychologische Beraterin. Ihre Liebe zur Sprache begleitet sie schon ihr Leben lang. Sie hat zahlreiche Beiträge in Print und Online veröffentlicht. Seit Sommer 2020 gibt Sie die Zeitschrift “Weißheiten: vom Ich zum Selbst” heraus.

Abscheulicher Aberglaube über Verantwortung und Schuld

In meinem Essay „Verantwortung – Licht im Nebel“ habe ich versucht, den Begriff zu entwirren. Meine Leser wissen jetzt, dass sich Verantwortung immer auf eine bewusste Entscheidung bezieht und auf eine Handlung, die aus ihr hervorgeht.

Wie verhält es sich aber, wenn wir etwas getan haben, wofür wir keine Verantwortung tragen? Etwa, weil wir reflexhaft reagierten. Oder weil wir uns über die Folgen unseres Handelns nicht im Klaren waren. Oder weil wir auf dem Weg zu unserer Entscheidung in die Irre geführt wurden.

Der tragische Tod einer Katze

Ich möchte ein glücklicherweise nicht alltägliches Beispiel zur Verdeutlichung heranziehen. Als Fahranfängerin habe ich eine Katze angefahren. Ich bin unzweifelhaft schuld am Verletzen der Katze. Ohne, dass ich zu diesem Zeitpunkt an diesem Ort gewesen wäre, hätte sie keinen Schaden genommen. Meine Schuld erlebe ich 30 Jahre später noch durch mein  Bedauern, dass das Tier auf mein Fahrzeug geprallt ist. Es tut mir wirklich leid, in dem Sinne, dass ich ein Leid erlebe, wenn ich daran denke. Mein Herz zieht sich zusammen, meine Atmung wird flacher, Traurigkeit fliegt mich an. Ich empfinde Reue: „Wäre ich doch bloß nicht so schnell in die Kurve gefahren!“

Danach waren meine Ausfahrten nie wieder unbeschwert. Vor kurzem erst habe ich ein Fahrsicherheitstraining absolviert, damit ich mich wieder traue, mein “heilx Blechle” beherzter durch Kurven zu steuern. Man könnte sagen, ich habe etwas aus dem tragischen Ereignis gelernt. Man könnte auch sagen, ich war nachhaltig verschreckt. Irgendwo dazwischen liegt die Wahrheit. Vielleicht trifft auch beides zu. Auf jeden Fall hatte ich Schuldgefühle und habe sie noch.

Meine Schuldgefühle entstehen aus meinem Mitgefühl mit dem Lebewesen, dem ich Schmerzen zugefügt habe. Menschen ohne Einfühlungsvermögen haben wohl ein Bewusstsein über ihre Verfehlungen, aber kein Schuldgefühl und keine quälende Reue. Sie haben nicht das Bedürfnis, etwas wieder gut machen zu wollen, um Entschuldigung zu bitten oder gar eine Schuld zu sühnen. Gar nicht selten tun sie es trotzdem – aus Berechnung.

In Dubio pro Cabrio

Nach dem Unfall haben erfahrene Autofahrer versucht, mich zu beruhigen. Auch wenn ich langsamer gefahren wäre: Es gab keine Chance, das Tier rechtzeitig zu sehen, angemessen zu reagieren und so seine Unversehrtheit zu gewährleisten. Die Katze ist direkt vor mir über die Straße gehuscht. Sie kam unter einem parkenden Auto hervorgeschossen. Alles ging viel zu schnell, um das Unglück zu vermeiden.

Selbst vor Gericht hätte man mir die weithin bekannte Schrecksekunde zugebilligt als Verzögerung für ein Ausweichmanöver. Tatsächlich bin ich dem Zusammenstoß gar nicht ausgewichen. Und nüchtern betrachtet war das auch gut so. Die Katze hätte davon keinen Gewinn gehabt, aber ich hätte mich und vielleicht noch andere Menschen gefährdet. Ob auf dem Gehsteig zufällig noch ein Kind war oder nicht, konnte ich aus meiner Position heraus nicht erfassen.

Wofür bin ich verantwortlich?

Ich bin dafür verantwortlich, dass ich an dem Tag entschieden habe, diesen Weg zu nehmen. Mir waren keine besonderen Bedrohungen für mich oder andere auf dieser Strecke bewusst. Um mich zu verantworten, könnte ich nur sagen: Es war der Weg nach Ober-Mumbach, wo ich jemanden besuchen wollte. Dazu gibt es weiter nichts zu rechtfertigen.

Verantwortlich bin ich für die Geschwindigkeit, mit der ich gefahren bin. Die Kurve habe ich viele Male davor mit ähnlicher Geschwindigkeit problemlos gemeistert. Mein damaliger Freund fuhr Motorradrennen. Er hatte mir beigebracht, wie man lenken und Gas geben muss, um stabil durch eine Biegung zu kommen. Ich hatte das tausendmal geübt und Freude an der zunehmenden Präzision meiner Fahrkünste. So kann ich mit gutem Gewissen verantworten, wie schnell ich diesen Punkt passiert habe. Zur Rechtfertigung könnte ich hinzufügen: Beim Autofahren gibt es immer einen Bremsweg. Je höher das Tempo, desto länger der Weg bis zum Stopp. In der Situation hätte ich aber einen Bremsweg von Null gebraucht. Selbst wenn ich mit halbem Tacho gefahren wäre, hätte ich die Katze erwischt.

Wenn ein Hubschrauber direkt vor Ihnen auf die Fahrbahn fällt, während Sie mit 120 über die Autobahn brausen und rechts neben Ihnen ein Laster fährt, können Sie auch nicht bremsen oder ausweichen. Das gilt gleichermaßen für eine Geschwindigkeit von 60 oder 30 km/h.

Nun ja, Hubschrauber fallen auf Schnellstraßen selten vom Himmel. Da rennt schon eher mal eine Katze innerorts über die Fahrbahn. Aber auch das ist eine Ausnahmeerscheinung. Mir ist es seither kein einziges Mal mehr widerfahren. Rehe, Füchse und Hasen sind mir öfter mal auf der Landstraße begegnet, ohne dass es zu einer Kollision kam. Toi, toi, toi!

Um gänzlich unwahrscheinliche Ereignisse sicher zu vermeiden, dürfen wir gar nicht erst ins Auto steigen. In der Entscheidung, ein Auto zu benutzen, liegt meine grundsätzliche Verantwortung. Doch bin ich damit auch für das weitere Geschehen verantwortlich? Es kommt darauf an.

Absicht oder absehbar?

Wenn ich an dem Tag in mein Auto gestiegen wäre, um ein unschuldiges Tier zu ermorden, hätte ich die Verantwortung für den Tod der Katze. Dann wäre mein Handeln aus einer bewussten Entscheidung heraus zielgerichtet gewesen und hätte zu den gewünschten Folgen geführt.

Wenn ich zuvor davon gehört hätte, dass genau in dieser Kurve immer wieder Katzen angefahren werden, und wenn es eine andere Strecke gegeben hätte, wäre die Verantwortung für die Entscheidung, diesem Pfad zu folgen, nicht so leicht zu tragen. Dann müsste ich zugeben, dass ich den Tod einer Katze billigend in Kauf genommen hätte, weil ich schneller am Ziel sein wollte. Ich könnte zu meiner inneren Verteidigung anführen, dass ich die Wahrscheinlichkeit für den Risikoeintritt niedrig eingeschätzt habe. Oder dass ich an der Weggabelung nicht an die Katzen gedacht habe, sondern an jemanden, der ungeduldig auf mich wartet. Oder dass ich dringend aufs Klo musste.

Verstehen Sie die Abstufungen der Rechtfertigung? Wir können etwas rational begründen oder sozial oder biologisch. Viele weitere Gründe kann man nennen. Wenn sie einem selbst genügen, um die Entscheidung zu verstehen, hat man die Verantwortung bewusst übernommen. Und das heißt nicht, dass man seine Wahl im Wissen um die Folgen heute immer noch gut und richtig findet.

Verantwortlich bin ich für die Folgen einer Handlung dann, wenn ich sie beabsichtigt habe oder wenn ich sie absehen konnte. Für das Unvorhergesehene bin ich nicht verantwortlich. Das befreit mich leider nicht von der Schuld.

Minder- oder Desinformation

Unter Umständen könnte man anführen, dass etwas durchaus vorhersehbar gewesen wäre, wenn man mehr, andere oder genauere Informationen gehabt hätte. Ja, das ist so. Mit der Unvollständigkeit unseres Wissens müssen wir leben. Selten kennen wir sämtliche Puzzleteile, um einen Sachverhalt mit all seinen möglichen Folgen bewerten zu können. Damit gehen wir täglich um.

Mich veranlasst es zum Schmunzeln, dass einige Menschen die Hintergründe und Zusammenhänge gar nicht erst wissen wollen, um nicht in die Verantwortung bewusster Entscheidungen und deren Konsequenzen zu geraten. Das hat etwas fast liebenswert Kindliches. Die Schuld für ihre schlecht oder uninformiert getroffenen Entscheidungen bleibt diesen Leuten leider nicht erspart. Wenn sie früher oder später mit den Folgen ihres Tuns konfrontiert sind, werden sie trotzdem Schuldgefühle erleiden, egal wie gut sie sich für ihr Nichtwissen im Nachhinein rechtfertigen können.

Vielleicht finden sie eine Möglichkeit, etwas ausgleichen zu können, oder ihnen widerfährt die Gnade der Vergebung durch das Opfer ihres Handelns. Dann bleibt ihnen immer noch die schwierige Aufgabe der Selbstvergebung. Damit kann man durchaus ein paar Jahre oder Jahrzehnte lang beschäftigt sein.

Die Rechnung geht erfahrungsgemäß nicht auf, Verantwortung zu vermeiden, damit man später keine Schuld empfindet. Im Gegenteil können wir sogar Schuldgefühle empfinden, ohne dass wir tatsächlich an etwas schuldig sind, also daran ursächlich mitgewirkt hätten.

Eingebildet oder eingeredet

Wir können uns Schuldgefühle einbilden wie eine Wahnidee. Das geschieht häufig, wenn einem etwas leid tut. Die landläufige Verwirrung über die Zusammenhänge zwischen Verantwortung, Schuld und Bedauern sehen wir an der Reaktion auf unsere Bekundung von Mitgefühl: “Es tut mir leid, dass es Dir nicht gut geht.” wird häufig beantwortet mit “Dafür kannst Du doch nichts!” Natürlich nicht. Aber leid tun kann es mir trotzdem. Weit verbreitet ist der Irrglaube, es könne einem nur leidtun, woran man Schuld trüge. Oder umgekehrt, man übernehme Verantwortung für Missstände, die man bedauerte. Nichts davon ist wahr. Jede der Regungen darf für sich betrachtet und einzeln erfahren werden.

Es ist gar nicht so ungewöhnlich, dass wir Schuldgefühle von außen eingeredet bekommen. Weil sie so unerträglich erscheinen, sind sie ein wirksames Manipulationsinstrument. Man schaut lieber gar nicht so genau hin. Schade, so versäumt man vielleicht die Chance zu begreifen, dass einen gar keine Schuld trifft.

Ein gutes Beispiel aus der psychotherapeutischen Sprechstunde ist die sogenannte “Überlebensschuld”: Wenn jemand aus dem Krieg heimkehrt, während seine Kameraden auf dem Schlachtfeld geblieben sind. Oder wenn ein Zwilling überlebt hat, während der andere im Mutterleib gestorben ist. Die Überlebenden tun sich häufig schwer damit, ihr Dasein in die Hand zu nehmen und frei zu gestalten. So als wären sie es dem Toten schuldig, es sich bloß nicht gut gehen zu lassen.

Wir sind nicht die Schöpfer und Entscheider über Leben und Tod. Mit etwas Demut können wir das recht leicht einsehen. Überlebende können nichts dafür, dass sie am Leben sind. Das Schicksal hat entschieden. Und gleichzeitig fühlt es sich falsch an, sich darüber zu freuen, weil jemand anders tot ist. Lösbar ist die Krux nicht durch Sühne, sondern im Gegenteil, durch das Ehren der Toten, indem man das Leben in all seinen Facetten auskostet, es in vollen Zügen genießt, etwas Gutes daraus macht und es bestenfalls sogar weitergibt.

Bewusste Verantwortung hilft

Meinem Erleben nach ist nichts Schreckliches daran, Verantwortung zu übernehmen. Das empfehle ich übrigens auch den Menschen, die Dinge getan haben, auf die sie echt nicht stolz sind. Verantwortungsbewusstsein hilft dabei, die Schuldgefühle zu verarbeiten und öffnet den Weg in die Selbstvergebung.

Bei manchen Schicksalen wundert es einen nicht, wenn die Taten der Vergangenheit bestmöglich ausgeblendet werden. Das ist ein Schutzmechanismus der Psyche. Er heißt Verdrängung und hat seine Berechtigung.

Ich maße mir nicht an, beurteilen zu können, welche Vergehen ein Mensch in der Lage ist, sich einzugestehen. Der eine vielleicht schwerwiegendere als der andere. Wer weiß das schon? Meine Vorstellung ist die, dass wir uns freiwillig oder gezwungenermaßen früher oder später mit unseren wichtigen Erlebnissen befassen.

Die spirituelle Dimension

Mir scheint die Idee einleuchtend, dass unsere Seele die Geschehnisse in umgekehrter Reihenfolge aufarbeitet – also spiegelbildlich ab der Lebensmitte. Je früher ein Trauma stattgefunden hat, desto später erfolgt die Bearbeitung. Traumata können Ereignisse sein, die wir in der Rolle des Opfers oder des Täters erlebt haben. Auf einer universellen Ebene erfolgt ein Ausgleich des Erlebten möglicherweise durch das Einnehmen dieser verschiedenen Blickwinkel über mehrere Inkarnationen.

Aus meiner Sicht als Traumatherapeutin ist das Verarbeiten früher Erlebnisse am Lebensende eine griffige Erklärung für das gehäufte Auftreten von Demenz bei der Nachkriegsgeneration. Was diese Menschen in ihrer Kindheit erleiden mussten, ist kaum zu bewältigen, so dass der Geist sich dafür entscheidet, es lieber zu vergessen – so lautet eine Theorie. Auf der leiblichen Ebene sind dann bestimmte biochemische Mechanismen oder substantielle Faktoren mit im Spiel, die den geistigen Vorgang im materiellen Körper ermöglichen.

Aus der Sterbeforschung wissen wir, dass offene Klärungen den Tod auf verblüffende Weise verzögern können. So als habe die Seele noch etwas zu erledigen, bevor sie gehen kann. Hospizmitarbeiter berichten von unglaublichen Zeitspannen, die Sterbende ohne Nahrung und ohne Wasser überlebt haben, bis endlich ein Verwandter zur Versöhnung ans Totenbett kam. Die Spirale aus Schuld, die auf Irrwege aus Rache und Vergeltung führen kann, ist mächtig – und bindend. Sie bindet weit mehr als man sich das oftmals wünschen kann. Lösend ist die Vergebung.

Falls Sie jetzt innerlich in Widerstand gehen, kann ich das gut verstehen. Über das Wesen von Vergebung hört man allerlei Märchen und Legenden. Diesem Aberglauben und seiner detaillierten Aufklärung widmen wir uns bei baldiger Gelegenheit in einem weiteren Essay.

Mit meinem Beitrag will ich Sie dazu anregen, über die Begriffe nachzudenken und Ihre Gedanken mit Ihren eigenen Gefühlen und Erfahrungen zu verknüpfen. Dabei können Sie auch zu der Erkenntnis gelangen, dass Sie manches ganz anders sehen, bewerten und einsortieren als ich. Das ist vollkommen in Ordnung, solange es Ihrer Bewusstwerdung dient. Wie Sie meine Anregungen für sich nutzen wollen, liegt ganz bei Ihnen.

Text: Petra Weiß
Foto: Dirk Schmidt

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Petra Weiß ist Heilpraktikerin und psychologische Beraterin. Ihre Liebe zur Sprache begleitet sie schon ihr Leben lang. Sie hat zahlreiche Beiträge in Print und Online veröffentlicht. Seit Sommer 2020 gibt Sie die Zeitschrift “Weißheiten: vom Ich zum Selbst” heraus.

Verantwortung – Licht im Nebel

Verantwortungsbewusst sein setzt voraus, dass man versteht, was Verantwortung eigentlich ist. Schauen wir uns an, in welchen Zusammenhängen das Wort landläufig Verwendung findet: Da will jemand verantwortlich sein für ein Budget von 4 Millionen Euro. Jemand anders übernimmt die Verantwortung für ein Projekt und ein weiterer fühlt sich für 25 Mitarbeiter verantwortlich. Soso.

Räumen wir doch erst einmal die Missverständnisse aus dem Weg.

Für Menschen verantwortlich sein kann man nur, wenn man ihr Vormund ist, im Rahmen einer Elternschaft beispielsweise. Vormundschaft setzt die Unmündigkeit der Betreffenden voraus. In der Regel gilt das nicht für Mitarbeiter. Erwachsene mündige Menschen sind grundsätzlich für sich selbst verantwortlich. Punkt.

Verantwortung übernehmen kann man schon mal gar nicht. Verantwortung hat man. Und zwar egal, ob einem das passt oder nicht. Verantwortung hat man ohne weiteres Zutun, ohne irgendeine Erklärung oder besondere Bereitschaft – für jede einzelne Entscheidung, die man trifft, für jedes Wort und jede Tat, die einer Entscheidung folgen. Sogar für das Nichtsagen und für das Nichthandeln trägt man Verantwortung. Automatisch. Die Wahl hat man nur, ob man sich seiner Verantwortung bewusst wird und sich ihr stellt. Man kann sie auch leugnen. Das ändert nichts daran, dass man sie hat. Sie geht mit der Entscheidung einher.

Und wenn Sie sich einfach nicht entscheiden? Tja, dann ist das Ihre Entscheidung, deren Verantwortung bei Ihnen liegt. Der Ball ist in Ihrem Feld, sobald eine Entscheidung fällig wird. Obwohl ständig vom Übernehmen und Übertragen von Verantwortung die Rede ist, halte ich diese Formulierungen grundsätzlich für falsch.

Was man übergibt oder übernimmt, ist eine Aufgabe. Wer sie annimmt ist für die Aufgabe dann zuständig. Das wird oft verwechselt. Verantwortlich ist man für alle Entscheidungen, die innerhalb der Erledigung dieser Aufgabe von einem selbst getroffen werden. Nicht mehr und nicht weniger.

In der Geschäftswelt scheint es in Mode gekommen zu sein, möglichst viel sogenannte „Verantwortung“ in Form von Führungsaufgaben oder Budget einzufordern, ohne dass man Verantwortung im eigentlichen Sinne wirklich tragen will.

Ein Budget an sich ist kein Gegenstand irgendeiner Verantwortung. Geld ist nur ein Werkzeug zur Erfüllung einer Aufgabe, für die jemand zuständig ist. Der finanzielle Rahmen ist eine wichtige Bedingung, die er genau prüfen sollte, bevor er entscheidet, einen Job anzunehmen. Für die Entscheidung – Sie ahnen es – ist er verantwortlich. Für seine Beschlüsse über die Verwendung des Geldes im Rahmen seiner Befugnisse trägt er die Verantwortung.

Wie wirken Rahmenbedingungen auf die Verantwortlichkeit?

Hier kommt der Gesichtspunkt von Rahmenbedingungen auf. Sie sind oft von Bedeutung und werden manchmal viel zu wenig beachtet. Unter welchen Umständen übernehme ich beispielsweise eine Aufgabe? Habe ich alle wesentlichen Informationen, um eine verantwortungsvolle Entscheidung zu treffen? Kann ich mir schlüssig erklären, warum ich nicht nach diesen oder jenen Konditionen gefragt habe? War ich blauäugig? Habe ich mich verlocken lassen? Womit und warum? Wenn ich meine eigene Entscheidung nachvollziehen kann, auch wenn sie sich später als falsch herausstellt, trage ich bewusst die Verantwortung. Wie leicht oder schwer mir das fällt, hängt damit zusammen, ob ich nach meinen eigenen Werten entschieden habe. Und welche Konsequenzen meine Entscheidung hatte.

Was heißt denn das: verantwortlich sein?

Es geht nicht darum, immer alles richtig zu machen, seine eigenen Ansprüche stets zu 100 % zu erfüllen oder immer gemäß seiner Werte zu handeln (das hieße Selbsttreue). Es geht darum, eine gute Antwort zu haben. Nicht für irgendwen, sondern sich selbst gegenüber. Wenn Sie sich eines Tages fragen, warum Sie sich so oder so entschieden haben, brauchen Sie eine Antwort, die aufrichtig ist. Im besten Fall sind Ihre Worte mit Ihren tiefen Überzeugungen dabei in Einklang. Das meine ich mit einer „guten“ Antwort. Solche Antworten setzen Bewusstheit voraus. Sie müssen sich Ihre Beweggründe für eine Entscheidung gewahr und über Ihre Werte im Klaren sein. Zusätzlich brauchen Sie die Unterscheidungsfähigkeit zwischen eigenen Werten und übernommenen. Das ist eine Übung für Fortgeschrittene.

Verantwortung und Werte

Zur Veranschaulichung betrachten wir ein alltägliches Beispiel: Ich habe die Aufgabe übernommen, einen Beitrag zum Thema „Verantwortung“ zu schreiben. Meine Beweggründe sind mir bewusst: Ich möchte mehr Aufrichtigkeit in die Welt bringen. Aufrichtigkeit steht im Mittelpunkt meiner Werte. Das Klären von Missverständnissen trägt dazu bei. Weil ich beobachtet habe, dass Verwirrung herrscht, ist es mir ein Bedürfnis, den Nebel zu lichten. Ich verfüge über die Fähigkeiten und Mittel, das in Form eines Essays zu tun. Die Verantwortung für die Entscheidung, diese Aufgabe zu erfüllen, kann ich mit Leichtigkeit tragen.

Nehmen wir an, ich würde einen Beitrag schreiben, der mit Aufrichtigkeit nichts zu tun hat und der inhaltlich auch kein anderes aus meiner Sicht ehrenhaftes Ansinnen unterstützt. Vielleicht würde ich so einen Auftrag übernehmen, um Geld zu verdienen. Den Lebensunterhalt sichern zu wollen, ist ein gewöhnlicher Grund zum Arbeiten. Daran ist nichts Ehrenrühriges, Verantwortung inklusive.

Anders schaut es aus, falls ich mit dem Job einen meiner wichtigen Werte verletze. Nehmen wir einmal an, ich könnte einen Beitrag für ein Magazin schreiben, dessen Herausgeber gerade wegen Drogenhandels verurteilt worden ist. Wenn ich selber Dealer aus Überzeugung wäre, machte mir das nichts aus.

Steht sein Nebengeschäft und die damit verbundene Haltung meinen Überzeugungen allerdings entgegen, entsteht ein Werte-Konflikt. Gesetzt der Fall, mir wäre es wichtig, dass Menschen ihr Leben frei gestalten können, dann wäre es für dieses Ziel nicht zweckdienlich, jemanden von einer Substanz abhängig zu machen, erst recht nicht, wenn sie seine Sinne vernebelt. Unterstütze ich einen solchen Chef beim Geldverdienen, dann muss ich damit rechnen, dass die durch mein Zutun gewonnenen Euros in unlautere Geschäfte fließen. Also diene ich indirekt einem Ansinnen jenseits meiner vertretbaren Interessen.

Wann kann ich das verantworten und wann nicht?

Entscheide ich mich für den Job in diesem Wissen, brauche ich dafür triftige Gründe. Wenn ich ebenso für jemand anderen schreiben kann, sind sie schwer zu nennen. Sind alle Verlage in Drogenhandel verstrickt oder an meiner Arbeit nicht interessiert, entfällt das Argument. Habe ich ein sattes Polster und bin auf den Umsatz nicht angewiesen, ist die Entscheidung ebenfalls fragwürdig. Müssen sonst meine Kinder hungern oder ich verliere das Dach über dem Kopf, werde ich in ein paar Jahren noch verstehen können, warum ich mich heute so entschieden habe, auch wenn ich nicht stolz auf diese Wahl bin.

Sehen Sie, worin die Verantwortung besteht? Man braucht hieb- und stichfeste Gründe für eine Entscheidung. Sie müssen nicht für irgendwen griffig sein, sondern nur für einen selbst.

Von Natur aus subjektiv

All diese Betrachtungen stelle ich natürlich nur AUS MEINER WARTE an. Mein Blickwinkel ist durch meine Erfahrungen und durch meine Eigenart genau so entstanden wie er ist. Bestimmt werden Sie auch andere Definitionen und Meinungen finden. Ob Sie einen solchen Sachverhalt ähnlich einschätzen oder ganz anders, hängt von Ihren Werten ab, die ebenfalls ihre Entstehungsgeschichte haben. Sie dürfen von meinen durchaus abweichen und tun das wahrscheinlich auch.

Damit wir uns richtig verstehen: Es ist nicht meine Absicht zu beurteilen, wessen Werte „besser“ oder „schlechter“ sind. Wesentlich ist, ob der Entscheider nach seinen eigenen Werten handelt. Dann wird es ihm leicht fallen, Verantwortung zu tragen.

Rechenschaft ablegen

Vielleicht haben Sie schon einmal den Satz gehört: „Dafür müssen Sie sich vor dem Management/vor Gericht/vor Gott verantworten!“ Was ist nun damit gemeint?

Jemand kann Sie nicht direkt belangen, also schaltet er eine Autorität ein, und diese fordert von Ihnen Rechenschaft. Sie ist Kraft ihres Amtes oder aufgrund ihrer Stellung dazu befugt. Sie müssen ihr Rede und Antwort stehen. Das kann mehr oder weniger angenehm sein, je nachdem wie übereinstimmend Ihre Grundwerte mit denjenigen sind, der diese Autorität folgt. Wenn alles richtig läuft, folgt sie den Richtlinien einer Gemeinschaft, der sie vorsteht.

Sie sind ebenfalls Teil dieser Gemeinschaft, in der bestimmte Regeln gelten, die wiederum auf Werten beruhen. Wenn Sie sich für die „Mitgliedschaft“ entschieden haben, dann sind Sie für diese Entscheidung verantwortlich und anerkennen die entsprechenden Regeln. Sie haben die Verantwortung dafür, wenn Sie die Regeln brechen.

Bei Arbeitsverhältnissen sind Pflichten und Rechte vertraglich grob geregelt, nicht aber die Firmenkultur, der Sie sich durch Ihre Unterschrift anschließen. Ihr Chef oder andere Führungskräfte können von Ihnen verlangen, dass Sie sich und Ihre Entscheidungen erklären. Verantwortlich bleiben Sie weiterhin nur sich selbst gegenüber (oder gegenüber Menschen, für die Sie tatsächlich Verantwortung tragen). Rechenschaftspflichtig können Sie gegenüber anderen Menschen oder Einrichtungen sein.

Knifflig wird es dann, wenn Ihre Verantwortung (nach innen) und Ihre Rechenschaftspflicht (nach außen) verschiedene Werte bedienen müssen, die nicht miteinander vereinbar sind.

Unterschiede in der Rangordnung

Nehmen wir an, ein fleißiges Bienchen arbeitet in einer Hotline. Ihr inneres Bedürfnis ist es, Menschen zu helfen, besonders den benachteiligten. Hilfsbereitschaft ist ihr höchstes Gut. Deshalb hat sie sich für diesen Beruf entschieden. Ihr Chef allerdings will jede Minute abrechnen können. Er kennt kein Pardon, wenn ein Kunde gerade in finanzieller Not ist. Die beiden geraten über die Abrechnung einer Hilfsleistung für diesen Kunden in Streit. Auch der Vorgesetzter ist jemandem verpflichtet. Zum einen den Kunden, was über Verträge geregelt ist, zum anderen gegenüber dem Führungskreis, dem Inhaber und letztlich gegenüber dem Unternehmen an sich.

Ein Unternehmen vertritt neben seiner rechtlichen Haltung in Form von Verträgen aufgrund seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch eine Werte-Position nach außen in Form von Werbung und mithilfe der Öffentlichkeitsarbeit. Beides beruht auf einer Strategie. Sie ist das Herz der Firma.

Einverständnis vorausgesetzt

Unterzeichnen Sie niemals einen Arbeitsvertrag, ohne die Strategie des Unternehmens zu kennen. Sie finden diese in der Regel im Internet auf der Website. „Wir sind…“-, „Wir stehen für…“- und „Wir legen Wert auf…“-Sätze sollten Sie aufmerksam lesen. Dort sind die Maßstäbe festgelegt, nach denen Ihre Arbeit bewertet werden wird. Und an diesen Werten wird auch Ihr Vorgesetzter gemessen.

Es ist im Wortsinne wesentlich, ob Sie diese Werte verstehen und mit ihnen in weiten Teilen übereinstimmen. Nur dann werden Ihre Entscheidungen an diesem Arbeitsplatz für Sie leicht verantwortbar sein und Sie können darüber auch guten Gewissens Rechenschaft gegenüber Ihrem Chef ablegen.

Leider finden wir häufig wohlklingende Worthülsen statt aussagekräftiger Texte in den Außenauftritten von Arbeitgebern. Vergleichbares liest man auch in Personalanzeigen. Fragen Sie im Bewerbungsgespräch beharrlich nach, was konkret gemeint ist. Wenn schon der Personalchef keine Ahnung hat, was mit oberflächlichen Begriffen über das Wesen des Unternehmens gesagt werden soll, sind Sie dort nur richtig, falls Sie selbst ein Schwätzer sind.

Zugehörigkeit nicht um jeden Preis

Was für Arbeitsverträge und Firmenstrategien gilt, dürfen Sie auf Vereinszugehörigkeiten und Satzungen übertragen. Nehmen Sie sich Zeit, diese in Ruhe zu studieren und lassen Sie sich nicht durch Ihren Wunsch nach Zugehörigkeit ins Nebulöse drängen. Will der Verein beispielsweise Menschen über ihre Lebensführung belehren, wie viel selbstständigen Gestaltungsspielraum werden Sie dort wohl für Ihre ehrenamtliche Arbeit haben?

Auch ein Blick auf den Gegenstand der Bemühungen ist manchmal hilfreich, um sich ein Bild zu machen: Bietet eine Einrichtung als Seminarschwerpunkt Bastelkurse für Erwachsene an, welchen Grad an Persönlichkeitsentwicklung dürfen Sie dort von den Beteiligten erwarten?

Unfreiwillig dabei

Für die Unterwerfung unter ein Rechtssystem haben wir uns nicht aktiv entschieden. Wir können wählen, in welchem Land wir leben, aber nur bedingt darüber entscheiden, ob wir dort am Rechtssystem teilnehmen wollen oder nicht. Im Zweifel zeigt uns die Staatsgewalt die Grenzen unserer Wahlfreiheit.

In eine Glaubensgemeinschaft werden wir meistens hineingeboren. Viele Menschen sind schon als Kind so von einem bestimmten Weltbild beeinflusst, dass man von einer freien Wahl kaum sprechen kann. Sie können später ihren Glauben ablegen oder einem anderen beitreten. Für diese Entscheidung tragen sie ebenso Verantwortung wie fürs Dabeibleiben.

Falls Sie meinen, heute spiele der Glauben nur noch eine untergeordnete Rolle, irren Sie sich. Das Gegenteil ist der Fall. Zwar haben die „großen Kirchen“ an Einfluss verloren und die Mitgliederzahlen sinken. Das Teilnehmen an gesellschaftlich anerkannten Gruppen, die festgelegte Überzeugungen teilen, hingegen hat häufig ideologische Züge. Ob Sie dabei sind oder sich lieber fernhalten hat dann direkte Auswirkungen auf ihre Zugehörigkeit zu Familie und Freundeskreis und manchmal haben Sie sogar berufliche Nachteile, wenn Sie eine eigene Haltung vertreten.

Mitgefangen, mitgehangen…

Wählen Sie mit Bedacht, wo Sie dabei sein wollen. Sie tragen auch innerhalb einer Gruppe die Verantwortung für alle Ihre Entscheidungen selbst. Das kann Ihnen niemand abnehmen. Sie können zwar sagen: Das haben alle so gemacht, also habe ich es auch so gemacht. Wenn Anpassung Ihre oberste Direktive ist, mag Ihnen diese Erklärung reichen. Vielleicht haben Sie aber auch Werte wie Selbstbestimmtheit, Eigenverantwortung und Individualität. Dann werden Sie sich mit der Verantwortung in solchen Fällen eher schwertun.

Schließen Sie sich Menschen an, die nicht erwarten, dass Sie gegen Ihre inneren Überzeugungen verstoßen, um dabei sein zu dürfen. Am Einfachsten ist das, wenn Sie sich unter Gleichgesinnten aufhalten. Der Entwicklung förderlich ist der Austausch mit Menschen, die zwar eigensinnig sind, aber andere Sichtweisen auch gelten lassen.

Der verständnisvolle Abgleich über unterschiedliche Blickwinkel kann zu einer gemeinsamen Sicht führen. Dazu ist es notwendig, die Unterschiede erst einmal auszuhalten. Das fällt dem einen leichter, dem anderen weniger.

Bewusste Entscheidungen

Manchmal gibt es Lebenslagen, in denen andere Werte gegenüber der Offenheit Vorrang haben. Diplomatie, Harmonie in der Familie oder schlichtweg der Erhalt von Stabilität. Das muss entsprechend der jeweiligen Situation individuell entschieden werden. Sie erinnern sich: Nur Ihnen selbst muss Ihre aufrichtige Begründung für die Entscheidung genügen, ob Sie ins Gespräch oder erst einmal in den Rückzug gegangen sind.

Man kann es nicht immer allen recht machen – auch nicht den eigenen Werten. Wenn sie miteinander im Wettstreit stehen, muss man entscheiden, welcher den Zuschlag bekommt. Mit solchen Beschlüssen werden Sie mitunter nicht glücklich sein. Aber verantworten können Sie jede Entscheidung, die bewusst getroffen wurde.

Nehmen Sie sich also Zeit, Ihre Beweggründe, Ihre Emotionen und Ihre Absichten zu ergründen, wenn schwierige Entscheidungen anstehen

Vergangenheit und Zukunft

Blicken Sie hin und wieder zurück auf vergangene Zeiten und machen Sie sich klar, dass Sie schon immer Entscheidungen getroffen haben – manche haben sich hinterher als richtig, andere als falsch herausgestellt. Und bei sehr vielen können wir unmöglich sagen, wie die Dinge gelaufen wären, wenn wir anders entschieden hätten.

Seien Sie gnädig mit sich. Und haben Sie liebevolles Verständnis für Ihr früheres Ich so wie sie es für einen guten Freund gerne hätten. Das Mitgefühl mit der Person, die Sie einmal waren, erleichtert es Ihnen, heute die Verantwortung für Ihr Leben zu tragen.

Üben Sie sich in der Kunst der Selbstvergebung. Sie ist ein Schlüssel zu einem verantwortungsbewussten und erfüllten Dasein ohne Peinlichkeiten, Scham und Schuldgefühle.

Zu lieben, was wir an uns bewundernswert finden, ist keine Heldentat. Wenn wir uns mit unseren weniger glücklichen oder sogar vielleicht echt verkackten Entscheidungen auseinandersetzen und damit in Frieden kommen, ist das eine gute Grundlage für ein Loslassen der Vergangenheit. Dann wird wieder Energie frei, um die Zukunft bewusst zu gestalten.

Text: Petra Weiß
Foto: Rainer Sturm / pixelio.de

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Petra Weiß ist Heilpraktikerin und psychologische Beraterin. Ihre Liebe zur Sprache begleitet sie schon ihr Leben lang. Sie hat zahlreiche Beiträge in Print und Online veröffentlicht. Seit Sommer 2020 gibt Sie die Zeitschrift “Weißheiten: vom Ich zum Selbst” heraus.

Terror braucht Spaltung

Vor einiger Zeit habe ich einen Radiobeitrag gehört: Ein Psychologe beschäftigt sich mit der Erforschung des Phänomens Terror. Ich dachte immer, wer andere aus ideologischen Gründen quält oder tötet, sei ein Psychopath. Es mangele ihm grundsätzlich an Mitgefühl. Er schere sich nicht um andere. Ihm fehle etwas, das uns als Menschen ausmacht, Empathie, Gewissen, Mitmenschlichkeit. Diese Einschätzung hätte kaum weiter von der Wahrheit entfernt sein können.

Meine Überraschung war groß zu erfahren, dass man nach den Erkenntnissen des Fachmanns jeden zum Attentäter machen kann, wenn man seiner früh genug habhaft wird. Es ist keine Frage der krankhaften Veranlagung, sondern der geschickten Gehirnwäsche zu einem Zeitpunkt, da das Weltbild noch formbar ist.

Ironischerweise habe ich bei meiner Fehleinschätzung genau den Trugschluss getroffen, der als Schlüssel für die Manipulation eingesetzt wird: die Spaltung in Menschliches und Unmenschliches. Attentäter sind in deren Selbstbild keine bestialischen Monster, sondern heldenhafte Märtyrer. Sie fühlen sich von Gott berufen, oder zumindest einer höheren Moral verpflichtet, Ungerechtigkeiten in Ordnung zu bringen. Dafür foltern, morden und sterben sie.

Ein Psychopath bringt sich nicht für irgendein hehres Ziel um. Er will möglichst gut leben. Vielleicht bildet er Terroristen aus, die er glauben macht, es ginge ihm um eine Religion, um Rache, um das Abwenden einer Bedrohung oder um Weltfrieden. Tatsächlich geht es ihm ausschließlich um sein eigenes Wohlbefinden. Er verkauft Waffen, Menschen oder Drogen, ohne dabei mit der Wimper zu zucken. Aber er bindet sich bestimmt keinen Sprengstoffgürtel um und stellt sich auf den Marktplatz.

Die und wir, statt richtig, gut und schön.

Wie bildet man Terroristen aus? Dieser Frage ging der Psychologe nach. Der Vorgang ist facettenreich. Ein wesentliches Element dabei ist das Schaffen einer Wir-und-die-Sichtweise. Eine Spaltung ist vonnöten, sonst bekommt man niemanden dazu, Terror auszuüben. „Die Anderen“ müssen als entscheidend verschieden von „den Unsrigen“ wahrgenommen werden. Das Verbindende wird ausgeblendet und nur das Trennende betrachtet. Um ein in diesem Sinne tragfähiges Feindbild aufzubauen, ist es unabdingbar, der Gegenseite die Menschlichkeit abzusprechen. Notfalls erfindet man Geschichten, die den Gegner in einem unmenschlichen Licht erscheinen lassen, dichtet ihm blutrünstige Schandtaten an und findet dann lauter „Belege“ für das beabsichtigte Urteil: nicht lebenswert, bedrohlich, unmenschlich – muss vernichtet werden.

„Der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert.“ heißt ein geflügeltes Wort. Es finden sich immer „gute Gründe“ etwas im ethischen Sinne Schlechtes zu vertreten. Wenn der Zweck die Mittel heiligt. Daher ist es wichtig, immer auch auf die Mittel zu schauen – unabhängig vom Zweck. Denn der Zweck kann frei erfunden sein.

Nehmen Sie für einen Moment den (angeblichen) Zweck beiseite und betrachten Sie einfach nur, was tatsächlich geschieht. Ist das Geschehen 1. WAHR im Sinne von ehrlich oder den Tatsachen entsprechend? Und ist es 2. GUT im Sinne von dem Leben dienlich? Seien Sie bedächtig in Ihrem Urteil: Als GUT werden uns alle möglichen Dinge angepriesen, deren vorgeblicher Zweck ehrenwert ist. Als oberste Messlatte allerdings bewerten wir sinnvollerweise den Dienst am Leben. Wenn es die Menschheit retten könnte, dass jemand ein unschuldiges Kind abmeuchelt, rechtfertigt dann der gute Zweck die böse Tat? Ist es vertretbar, dass ein Mensch leidet, um etwas (vordergründig) Gutes zu bewirken? Mit solchen Fragen begeben wir uns philosophisch auf ganz dünnes Eis.

Wenn etwas nicht WAHR ist, kann es so gut sein wie es will, und bleibt dennoch falsch. Wenn es weder WAHR noch GUT ist, fühlt es sich vielleicht 3. SCHÖN an. Diesem angenehmen Bauchgefühl zu folgen, ohne die ersten beiden Kriterien (WAHR und GUT) zu berücksichtigen, ist im Kindesalter der Entwicklung angemessen. Bei Erwachsenen können Entscheidungen dieser Art auf direktem Wege ins Verderben führen. Vielleicht kennen Sie den Ausdruck „Bauchpinseln“. Wessen Bauchgefühl hofiert wird, soll auf diesem Weg möglicherweise dazu gebracht werden, unwissentlich und unwillentlich eine böse Absicht zu unterstützen.

Der Missbrauch von Menschlichkeit

Zurück ins Trainingscamp für Nachwuchs-Terroristen. Niemand würde ihnen sagen „Wir benutzen Dich für unsere politischen Absichten. Du sollte unschuldige Menschen umbringen, damit wir mehr Waffen verkaufen können.“ Diese Strategie hätte wenig Erfolgsaussichten. Nein. Man arbeitet ausgerechnet mit ur-menschlichen Werten und Bedürfnissen. Kameradschaft und Loyalität werden groß geschrieben: niemanden im Stich lassen, sich für andere einsetzen, an gemeinsamen Zielen arbeiten, der Gemeinschaft dienen, sich gegenseitig unterstützen, Vertraulichkeit wahren, etc. Wäre der Zweck ein anderer, könnte man diese Grundlagen des Miteinanders durchaus als erstrebenswert einstufen. So gehen die jungen Leute den Rattenfängern auf den Leim. Man schneidet sie nicht von ihrer Menschlichkeit ab, sondern man beschränkt diese auf die Gruppe und betont sie dort. Der Kontrast zwischen Wir-Gut und Die-Böse muss möglichst schwarz-weiß sein. Deshalb ist es wichtig, „die Anderen“ als Unmenschen abzustempeln. So wird das gemacht.

Vor diesem Hintergrund betrachte ich Meldungen über angeblich Unmenschliches. In den letzten Monaten häufen sich Vermutungen, Außerirdische, Klone oder irgendwelche Wesenheiten terrorisierten die Erde. Mancher will in einem Politiker einen Reptiloiden erkannt haben.

Ob das Mumpitz ist oder nicht, kann ich nicht sagen. Vielleicht haben die Spekulationen sogar einen wahren Kern. Wer weiß das schon?! Mir geht es um die psychologische Sicht auf diese Erklärungsversuche. Ich kann sehr gut verstehen, dass man sich wünscht, das Böse läge außerhalb des Menschlichen. Es ist einfacher zu glauben, eine fremde Wesenheit habe von jemandem Besitz ergriffen als dass ein Mensch abgrundtief Böses tut. Was damit geschaffen wird, ist eine Wir-und-die-Sicht, die im Wortsinne wesentlich ist.

Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, ob Verbrecher gegen die Menschlichkeit außerhalb der Menschheit stehen? Bitte seien Sie gnädig mit sich: Sie befinden sich in erlauchtem Kreise. Selbst spirituelle Lehrer tappen in diese verlockende Falle der Spaltung. Ihre Grundlage ist unsere Unterscheidungsfähigkeit, welche eigentlich eine wunderbare Eigenschaft ist. Wir können dadurch uns und andere in ihrer Einzigartigkeit wahrnehmen und wertschätzen. Nur der Irrglaube, alle müssten gleich sein, steht dem entgegen. Die Begriffe werde verwechselt oder verdreht: Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, Gleichheit, Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung seien dasselbe. Durch Gleichmacherei wird den Menschen ihre naturgegebene Einzigartigkeit abgesprochen. Merkmale werden (von Menschen!) festgelegt, die jemand nicht haben darf, wenn er als „Mensch“ bezeichnet werden will.

Zugehörigkeit

Warum sprechen ausgerechnet die Friedensforscher unter den Historikern von einer „Menschheitsfamilie“? Weil sie sich damit beschäftigt haben, welche Sicht notwendig ist, um einen Krieg in Gang zu setzen, nämlich die der Trennung. Sie betonen mit dem Wort die Verbundenheit durch das pure Menschsein und die gemeinsame Abstammung.

Hat Sie schon einmal jemand terrorisiert? Sind Sie schon einmal jemandem absichtlich auf die Nerven gegangen? Welche Absichten haben Sie hinter dem Handeln vermutet? Welche Absichten haben Sie selbst verfolgt? Welche Annahmen gingen dem voraus?

Mir geht es nicht darum, jeden von der Verantwortung für üble Taten freizusprechen, ganz im Gegenteil. Mir geht es darum, zu begreifen, was Verantwortung ist. Wenn wir jemanden gepiesackt haben, weil er irgendetwas tun sollte, was wir für gut und richtig hielten, war der Zweck vielleicht rein, das Mittel aber fragwürdig. Und wenn Sie an irgendeinem Punkt in Ihrem Leben Ihrer Impulse nicht kontrollieren konnten oder wollten und in voller Absicht etwas Böses getan haben? Sind Sie dann kein Mensch mehr?

Innere Spaltung

Durch diesen gedachten Ausschluss aus der Menschheit verhindern wir Entwicklung. Der entsprechende Persönlichkeitsanteil muss abgespalten werden. Doch so geht er natürlich nicht verloren. Im dunklen Keller der Seele führt er fortan sein Dasein. Dort können wir ihn leider nicht heilen. Er wird weiter sein Unwesen treiben, unbemerkt, verdrängt, schöngeredet. Heilung geschieht durch Anerkennen, Verdauen und Wandeln. Als Erstes müssen wir hinsehen und wahrnehmen. Je hartnäckiger wir wegsehen, desto unbeirrter wird ein Anteil ans Licht drängen.

Mir kommt das Symbol für Yin und Yang in den Sinn: In jedem Schwarz ist ein Hauch von Weiß und umgekehrt. Dieses Bild dient uns heute mehr denn je. In jedem noch so guten Menschen ist ein winziger Anteil Böses, auch wenn es nicht zum Ausdruck kommt. Und in jedem Schwerverbrecher ist gewiss auch Gutes vorhanden, selbst wenn wir nichts davon sehen. Anerkennen wir das Unehrenhafte in uns, kann es in die Gesamtpersönlichkeit eingefügt und möglicherweise gewandelt werden. Das geht leichter, wenn uns klar wird, warum wir diese Eigenschaft entwickelt haben. Sie gehört vermutlich zur Anpassung an die Gegebenheiten. Vielleicht diente sie einst dem Überleben. Bevor wir eine Eigenart würdigen, werden wir sie nicht los. Das heißt nicht, dass wir sie GUT finden müssen. Gar nicht.

Selbstliebe

Immer wieder höre ich, dass man jede seiner Eigenheiten lieben soll. Ich weiß nicht, wie viele Menschen sich sinnlos abrackern, um dieses Ansinnen in die Tat umzusetzen. Ich halte den Anspruch für eine Terrormaßnahme, die zur Spaltung der Persönlichkeit führt, was wiederum Terror hervorbringt.

Ihr Selbst können Sie problemlos lieben. Es ist rein und vollkommen. Dem ist nichts hinzuzufügen oder wegzunehmen. Es zu lieben ist unser natürlicher Zustand. Anders schaut es beim Ego aus: Die Persönlichkeit, die aus Ihnen geworden ist, besteht aus vielen Facetten, die mit Ihrem Selbst, mit dem wahren Wesen, mit Ihrer Essenz nicht das Geringste zu tun haben. Es gibt keine Notwendigkeit, diese zu lieben. Das Vorhaben halte ich für nutzlos und für eine echte Entwicklung sogar für schädlich.

Wieso sollten Sie – gesetzt der Fall – das feige und gemeine Arschloch lieben, das Sie geworden sind? Lassen Sie das. Lieben Sie stattdessen den Menschen, der Sie in der Tiefe sind – werden Sie sich der Merkmale bewusst, die unabhängig von den Erfordernissen des Lebens in Ihnen liegen und davon auch nicht verdrängt werden konnten. Das ist Selbstliebe im eigentlichen Sinne. Mit diesem gestärkten Rückgrat können Sie Ihre Persönlichkeit mit all den unliebsamen Teilen annehmen:

Ja, so bin ich. Das ist meine Persönlichkeit an diesem Punkt in meinem Leben. Es gab Gründe, warum ich so geworden bin. Und einiges kann ich ändern, wenn ich das will. Ich werde sorgfältig prüfen, welche Merkmale zu meinem Wesenskern gehören und welche ich verabschieden will. Das Meine werde ich liebevoll integrieren, das Fremde werde ich nach und nach loslassen.

Das geht nicht über Nacht. Der Vorgang kann Beharrlichkeit und Zeit erfordern. Was sich dabei lohnt, ist dass man sich Tag für Tag weiter entwickelt – auf sich selbst zu.

Text: Petra Weiß
Foto: Rainer Sturm / pixelio.de

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Petra Weiß ist Heilpraktikerin und psychologische Beraterin. Ihre Liebe zur Sprache begleitet sie schon ihr Leben lang. Sie hat zahlreiche Beiträge in Print und Online veröffentlicht. Seit Sommer 2020 gibt Sie die Zeitschrift “Weißheiten: vom Ich zum Selbst” heraus.

Dem Selbst treu sein

Seit geraumer Zeit bin ich dabei, meine Sprache in einen Wortschatz zu wandeln, der von Herzen kommt. Es ist mir wichtig, die Menschen nicht nur auf der Ebene des Verstandes, sondern auch auf der Seelenebene zu erreichen. Dazu ist meinem Empfinden nach notwendig, Fremdwörter weitestgehend zu verbannen.

Ausgerechnet bei einer Eigenschaft, die ich für wesentlich halte, habe ich lange überlegt, wie das lateinische Wort angemessen zu ersetzen ist: Integrität.

Wie drückt man das mit einem einzigen Wort unmissverständlich aus? Eine Weile habe ich den Begriff Aufrichtigkeit verwendet. Er gefällt mir, weil er etwas Bildhaftes hat und weil der Leser sofort die Erinnerung an ein Erleben dazu abrufen kann: Jeder weiß, wie es sich anfühlt, den eigenen Leib aufzurichten, die Wirbelsäule zu strecken, den Kopf zu heben. Diese Körperhaltung sagt viel über die innere Haltung aus. Sprichwörter sind oft aufschlussreich, um tiefere Bedeutungen zu ergründen. Vielleicht kennen Sie die Redewendung, dass jemand „Rückgrat zeigt“? Sieht man das Gegenteil, erkennt man daraus schon von weitem die Gestimmtheit eines Menschen: Eine gebückte, gekrümmte oder eingesunkene Figur deutet nicht auf ein heiteres, freies und leichtes Gemüt hin.

Die Definition von Integrität stiftet Verwirrung. Auf Wikipedia können wir lesen: Die „persönliche“ Integrität ist erreicht, wenn man gemäß seiner Werte spricht und handelt. Ich würde diese Beschreibung so ergänzen, dass Denken, Fühlen, Sprechen und Handeln in Einklang sind. Was natürlich auch viel zu platt ist. Denn unser Wertesystem beinhaltet reichlich Aufgezwungenes, das nicht aus uns selbst erwachsen ist. Das Wort „persönlich“ setze ich hier in Anführungszeichen, weil die Person ja gerade das Resultat der Anpassung an äußere Erfordernisse ist. Also das Gegenteil von Integrität. Sie sehen: Mit dieser offiziellen Verlautbarung kommen wir nicht wirklich zum Ziel.

Forschen wir weiter, welche Bedeutungen das Fremdwort noch hat, dann finden wir einen wertvollen Hinweis: In der Biologie und im Völkerrecht hat Integrität etwas mit Unversehrtheit zu tun. Aha. Star-Trek-Zuschauer kennen den Begriff der „Hüllen-Integrität“. Gemeint ist, ob die Schutzhülle des Raumschiffs noch hält. Vielleicht dient uns dieses Bild, bei unserer Betrachtung. Was bleibt heil oder ganz, wenn meine Taten und mein Reden meinen inneren Überzeugungen gemäß sind? Was wird verletzt, wenn ich stattdessen die Welt oder mich selbst belüge durch unaufrichtige Worte oder unstimmiges Handeln?

Es ist die Treue zu mir selbst. Mein Selbst ist mein Kern, meine Essenz, mein wahres Wesen. Dieses Selbst verraten viele von uns im Alltag, indem sie scheinbaren Sachzwängen folgen. Wir tun etwas entgegen unserer Überzeugung. Dafür gibt es zahlreiche Gründe, die ich hier nicht darlegen will. Stattdessen richte ich meine Aufmerksamkeit auf die Folgen des sogenannten Selbstbetrugs.

Warum schreibe ich „sogenannt“? Auch dieser Begriff ist knapp daneben. Das Selbst kann man nicht „betrügen“, weil es sich nicht täuschen lässt. Ganz im Gegenteil: Unsere Empfindungen sind ein Kompass auf dem Weg in die Integrität. Man muss sie schon ausblenden, um sie nicht mehr wahrzunehmen. Dann ist das Selbst um seine Verwirklichung gebracht. Das ist eher ein Raub als eine Betrug. Wir spüren sehr wohl, wenn wir unsere Überzeugungen verraten, egal, welche wohlklingenden Beweggründe wir vordergründig anführen. Das fühlt sich gar nicht gut an.

Viele tun es trotzdem. Sie schieben das schlechte Gefühl beiseite und verdrängen ihre innere Stimme. Es ist zugegebenermaßen auch nicht leicht, unsere ur-eigene Stimme von all dem anderen Gesäusel zu unterscheiden, das wir im Laufe unseres Daseins von unseren Mitmenschen übernommen haben. Die Einflussnahme ist allgegenwärtig. Sie durchdringt jeden Lebensbereich. Unter zahllosen eingeimpften Ansichten liegt irgendwo unsere eigene Betrachtungsweise. Unterscheidungsfähigkeit ist die Eigenschaft, die hier ganz dringend gebraucht wird, sonst vergessen wir, wer wir in der Tiefe sind, und halten uns für die Person, die sich an der Oberfläche zeigt.

Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen werden oft als Wunsch in meiner psychologischen Beratung genannt. Die meisten Menschen verwenden diese Begriffe, ohne sich zu vergegenwärtigen, was sie eigentlich bedeuten. Daher wissen sie auch nicht, was zu tun ist, um ihr Ziel zu erringen. Nur wenn wir uns unseres Selbst bewusst sind, können wir ihm vertrauen. Und nur, wenn wir ihm vertrauen, werden wir ihm folgen. Stattdessen hat eine erschreckend große Anzahl der Leute keine Ahnung, wer sie sind.

Wozu führt diese Selbst-Vergessenheit?

Wir leben an uns vorbei. Wir erfüllen äußere Anforderungen und anderer Leute Bedürfnisse, statt unser Selbst in die Welt zu bringen und dabei unsere einzigartigen Gaben zu verwirklichen. Wenn wir uns aber daran erinnern, wer wir sind – und diese Möglichkeit geht niemals verloren – dann haben wir immer die Wahl, ob wir danach leben wollen oder nicht. Die Treue zu unserem Selbst, die Selbst-Treue, ist unser freier Wille. Wir können uns auch gegen sie entscheiden. Anscheinend ehrenwerte Gründe können dafür benannt werden, das eigene Selbst zu verraten: die viel gepriesene Solidarität gleich vorneweg, das Wohl anderer vor dem eigenen, der Gemeinschaftssinn, blablabla.

Ich möchte in keiner Gesellschaft leben, in der die Menschen sich selbst verraten müssen, um sich gut einfügen zu können. Wer sich selbst verrät, verliert seine Selbst-Achtung. Möglicherweise ist das von bestimmten Kräften so gewollt. Mit einem Menschen ohne Selbst-Achtung kann man letztlich alles machen, weil er abhängig ist. Er benötigt dauernd Bestätigung von außen wie ein Junkie, der ständig die Dosis steigern muss, um seinen Kick zu erhalten. Für diese Anerkennung tut er alles und verrät dabei immer mehr sein Selbst, wodurch die Selbst-Achtung weiter sinkt. Das ist ein Teufelskreis. Und bei diesen sich selbst verstärkenden Spiralen hilft immer nur eins: Sie setzen beherzt einen Fuß dort heraus. Während Sie im Hamsterrad einfach weiter rennen, kommt es nie zum Stillstand. Vielleicht ist weniger Mut erforderlich als Sie denken, und wenn doch, lohnt sich der Einsatz.

Jede noch so kleine Handlung, die dem Inneren im Wesen entspricht, ist Balsam für die Seele. Damit würdigen Sie die Mühe, die sich Ihre Seele gemacht hat, um geboren zu werden, damit sie Ihr Selbst in die Welt bringen kann. Sie hatte gute Gründe dafür, das genau hier zu tun. In Ihrer Einzigartigkeit können Sie einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung der Menschheit an diesem Punkt der Geschichte leisten. Nicht im Mittelalter und nicht in 500 Jahren, sondern genau jetzt.

Lauschen Sie in sich hinein, welche Werte Ihre eigenen sind, und lassen Sie aufgepfropfte Weltanschauungen los. So erlangen Sie Selbst-Bewusstsein. Sie müssen ja nicht gleich zum Gesetzlosen werden wie in einem amerikanischen Western. Wählen Sie mit Bedacht, wo Sie damit beginnen, Ihr wahres Wesen behutsam ans Licht der Welt zu bringen. Sie würden ein Kind auch nicht im Supermarkt gebären. Es ist wichtig, dass die Umgebung und das Umfeld dem Geschehen gemäß sind.

Machen Sie Erfahrungen. Lernen Sie aus den unangenehmen und schöpfen Sie Zuversicht aus den angenehmen. So bauen Sie Ihr Selbst-Vertrauen auf. Fangen Sie damit an, sich selbst treu zu sein. Jeden Tag ein bisschen mehr. Die so errungene Selbst-Achtung macht Sie unabhängig und frei, Ihr Leben nach Ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten.

Warum ich so viel Wert auf den präzisen Einsatz von Worten lege? Sprachliche Genauigkeit ist bedeutsam für psychologische Fragestellungen. Ich möchte damit einen Aufruf senden: Lassen Sie sich nicht verwirren von einem Mangel an Trennschärfe bei der Beschreibung ganz wesentlicher Begriffe. Internet-Lexika sind nicht das Maß der Dinge. Hinterfragen Sie Definitionen und treffen Sie notfalls lieber Ihre eigenen. Sprache ist elementar. Sie dient uns dabei, innere Landkarten zu erstellen, an denen wir uns bei unserer Entwicklung entlangtasten. Kaum eine Sprache hat so eine Klarheit in den Details wie die deutsche. Wir lassen sie uns von schicken Fremdwörtern nicht nehmen.

Text: Petra Weiß
Foto: Alexandra H. / pixelio.de

Danke schön

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Petra Weiß ist Heilpraktikerin und psychologische Beraterin. Ihre Liebe zur Sprache begleitet sie schon ihr Leben lang. Sie hat zahlreiche Beiträge in Print und Online veröffentlicht. Seit Sommer 2020 gibt Sie die Zeitschrift “Weißheiten: vom Ich zum Selbst” heraus.

 

Der Fluch der guten Tat

Essay von Petra Weiß. Lesedauer ~8 Minuten
Rubrik: Manipulative Muster erkennen

Heute kann ich keinen Collageblock mehr kaufen, ohne damit ein gutes Werk zu vollbringen. Reicht es nicht, dass ich für mein Geld karierte Blätter mit Spiralbindung erhalte? Warum muss ich gleichzeitig in Uganda einem Kind eine Stunde Unterricht bezahlen? Was soll das?

Wenn ich ein Hilfsprojekt unterstützen möchte, mache ich das freiwillig. Ich wähle ganz bewusst, welche Hilfe ich wem zukommen lassen will. Und selbstverständlich kann mir das ein bisschen Mühe wert sein. Es darf mir nicht zu viel Aufwand bedeuten, die Nummer eines Spendenkontos in Erfahrung zu bringen und eine Überweisung zu veranlassen.

Für mich grenzt dieses erzwungene Heldentum der automatischen Spende an emotionale Erpressung. Bin ich kein guter Mensch mehr, wenn ich das nächste Mal meinen Spiralblock von einer anderen Marke kaufe, weil dort die Qualität überzeugender ist oder der Preis niedriger oder weil es für mich bequemer ist, ihn in meiner Stadt zu kaufen? Wird jede Entscheidung, die ich in meinem Alltag treffe, jetzt zum Richtmaß darüber, ob ich zu den Guten gehören darf?

Wie emotional beurteile ich mein Handeln, wenn glückliche Kindergesichter in Schuluniform meine Kaufentscheidungen beeinflussen?

Wenn wir schon politische Käufer sein wollen, dann gibt es noch tausend andere Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

Woher stammt das Holz? Welche Transportwege hat das Produkt hinter sich gebracht? Kann ich auch direkt beim Hersteller bestellen? Wer ist der Großhändler und wie fair beschäftigt er seine Mitarbeiter? Welcher Lieferservice bringt die Ware und womit werden die Fahrzeuge betrieben? Wie entsorge ich am Ende die „Überreste“?

Hätte ich lieber einen kleinen Laden in der Innenstadt unterstützen sollen, auch wenn dann Kinder in Uganda kein Schulgeld von mir bekommen? Welche Form der Ausbildung erhalten diese Schüler? Wie ist das Schulsystem in diesem Land aufgebaut? Ist es überhaupt aus meiner Sicht unterstützenswert? Oder vermittelt es in erster Linie Staatspropaganda und hält die Menschen davon ab, selbstständig zu denken und ihr Leben zu gestalten?

Warum gehen wir davon aus, dass unsere wohlmeinende Hilfe für die armen Menschen tatsächlich auch immer ein Segen sein muss?

Die Gegend von Uganda gilt als “Wiege der Menschheit”. Dort entstand laut geltender Lehrmeinung unsere Spezies. Wir Menschen hatten also gerade in Uganda die meiste Zeit, uns zu entwickeln. Bemerkenswert ist, dass erst Mitte des 19. Jahrhunderts in Uganda die Schrift eingeführt wurde. Bevor die britischen Kolonialmächte mit der Ausbeutung des Landes begannen, haben die Ureinwohner ohne das überlebt, was wir als Maß des Fortschritts einer zivilisierten Kultur bewerten. Und zwar am längsten von allen.

Aufgrund der Schriftlosigkeit stufen Geschichtswissenschaftler die Zeit vor 1850 in Uganda als “prähistorisch” ein. Historisch war hingegen das sogenannte “Protektorat” der Briten. Das Wort stammt vom Begriff für Schutz. Besatzer bezeichnen sich seit jeher gerne als Schutzmacht. Der Britische Schutz bestand unter anderem daraus, dass man im Bürgerkrieg mal die eine, mal die andere Seite militärisch unterstützt hat. Gerade so, wie es aus politischen Gründen für die Krone eben passend erschien. Uganda wurde zum Spielball von Machtansprüchen der Franzosen und Deutschen, was dazu führte, dass während der Auseinandersetzungen lauter fremdartige Erreger in das Land eingeschleppt wurden, die in der Folge von Krieg und Hunger zu katastrophalen Epidemien geführt haben. Und dann kam die Gnade abendländischer Medizin über sie.

Wie mittlerweile bekannt geworden ist, führen westliche Wissenschaftler auf dem afrikanischen Kontinent schon seit langem Menschenversuche zu medizinischen Zwecken durch. Wer sich einmal so richtig gruseln möchte, googel die Suchbegriffe “Robert Koch”, “Menschenversuche” und “Afrika” und findet einen gewissenhaft recherchierten Beitrag vom Deutschlandfunk.

Und nun erheben wir uns, diesem Land unsere Art von Bildung und Kultur beibringen zu wollen – inklusive Schuluniform! Wer glauben wir eigentlich, dass wir sind?

Natürlich läge es in der Verantwortung der Wirtschaftseliten, den durch ihre Vorfahren verursachten Schaden wieder gut zu machen, zumindest den materiellen. Glauben Sie ernsthaft, es fehle an Geld? Wenn mein kleiner Beitrag aus dem 2,99 Euro Block eine Schulstunde ermöglicht, könnte man das ganze Land alphabetisieren aus der Portokasse jedes europäischen Verteidigungsministeriums. Doch wer hätte Interesse daran, die ehemaligen Sklaven aus der Abhängigkeit zu entlassen und ihnen fortan auf Augenhöhe zu begegnen? Mich würde sehr interessieren, wie die Kolonialzeit in den vom Westen gesponserten Geschichtsbüchern dargestellt  wird.

Was mich wirklich anwidert ist, dass diese Menschen weiterhin benutzt werden. Und die selbsternannten Helden fühlen sich dabei nicht einmal schlecht. Im Gegenteil: Jeder darf zum Retter werden, wenn er einen Schreibblock kauft. Menschen aus Uganda werden als Sympathiebringer für absatzfördernde Maßnahmen missbraucht.

Wer Näheres über die beteiligte Hilfsorganisation wissen will, gelangt über den QR-Code auf eine Website, die dadurch Klicks generiert und zu weiteren Spenden aufruft.

Angesichts der sich häufenden Skandale bei gemeinnützigen Einrichtungen möchte ich mir erst recht selbst aussuchen dürfen, wohin mein Geld im Namen der Wohltätigkeit fließt. Ich empfinde es als übergriffig, dass Werbe-Strategen entscheiden, ob ich mit dem Erwerb meiner Büromaterialien etwas Gutes tun muss und in welche Kanäle meine Spende gelangt.

Sexuellen Missbrauch, wie er gerade in einem überwältigenden Ausmaß bei Hilfsorganisationen wie Oxfam, SOS Kinderdörfer und der WHO ans Tageslicht kommt, will ich sicher nicht unterstützen. Mein Einkommen stammt zum Teil von Opfern sexuellen Missbrauchs, die in meiner traumatherapeutischen Sprechstunde Hilfe suchen. Soll ich ihre Geschichten auf einen Block schreiben, mit dessen Erwerb ich womöglich unabsichtlich institutionellen Missbrauch gefördert habe?

Ich behaupte nicht, dass die Hilfsorganisation, welche das Schulprojekt in Uganda finanziert, in irgendwelche Machenschaften verwickelt ist, aber überprüfen kann ich das nicht.

Meine Wut richtet sich gegen die peinlich platte Marketing-Maßnahme, die was mich betrifft komplett nach hinten losgeht. Von dieser Marke werde ich nie wieder einen Block kaufen.

Wenn es dem Hersteller wichtig ist, etwas zu spenden, soll er das tun. Das kann man auch, ohne sich dafür im Rampenlicht der Öffentlichkeit beklatschen zu lassen. Humanitäre Hilfe, die von Herzen kommt, ist ein Akt der Menschlichkeit und Nächstenliebe – keine imageträchtige Werbe-Kampagne.

Bitte seien Sie achtsam, wenn Sie durch solche Manipulationsversuche an eine Marke oder an ein Produkt gebunden werden sollen. Sie dürfen einen Block auch einfach kaufen, weil Sie einen Block brauchen. Dadurch sind Sie kein schlechter Mensch.

Wenn Sie anderen helfen wollen, ist das eine natürliche Regung. Ihr nachzukommen, dient Ihnen und der Menschheit. Sie finden bestimmt persönlichere Möglichkeiten der Unterstützung. Fragen Sie Ihre Nachbarn, ob Sie beim Einkauf helfen können, oder Ihre Kollegin, ob sie ihr aus der Kaffeeküche etwas mitbringen sollen. Etablieren Sie lieber eine aufrichtige Kultur des Helfens in Ihrem direkten Umfeld als gnädig ein paar Groschen nebenbei in ein Schwellenland zu werfen, wenn es gerade keine Mühe kostet. Das ist unwürdig. 

Falls Sie eine gemeinnützige Einrichtung fördern wollen, ist es Ihre Verantwortung, sich ganz genau zu erkundigen, wofür Ihr Geld ausgegeben wird. Nur dann dient Ihre Spende den anderen. Wieso sage ich das so? Weil Ihre Spende auch in erster Linie Ihnen selbst dienen kann, und zwar um sich von einem schlechten Gewissen freizukaufen, weil es Ihnen materiell besser geht als anderen – sie ist dann so eine Art Ablasszahlung. Damit wird sehr viel Geld verdient.

Spüren Sie in sich hinein, worin der Zweck Ihrer Spende tatsächlich besteht. Was ändert sie in Ihnen? Sind Ihre Schuldgefühle erst mal besänftigt, bis das nächste Kindergesicht Sie traurig aus einem Hochglanzprospekt anschaut? Mitgefühl zu haben ist menschlich. Mit Ihrem Mitleid wird aber spekuliert. Es wird benutzt, um Ihnen Geld zu entlocken. Das ist auch eine Form von Missbrauch, nämlich Missbrauch Ihrer gesunden menschlichen Regungen.

Noch einen Aspekt solcher Aktionen möchte ich beleuchten: Ihr Blick wird gelenkt, und zwar (aus Sicht des materiellen Wohlstands) von oben nach unten. Sie schauen auf ärmere Menschen und schämen sich für Ihr materielles Wohlergehen. Ihr natürlicher Wunsch nach Gerechtigkeit veranlasst Sie zum Spenden. Wäre es nicht angemessen, mindestens genauso aufmerksam ab und zu in die andere Richtung zu blicken?

Ist Ihnen bewusst, dass 1 % der Menschen über 80 % des weltweiten Vermögens verfügt. Erhalten wir von diesen Eliten Spenden? Oder erbringen wir ganz im Gegenteil unsere Lebensleistung, um ihren Reichtum ins Unermessliche zu steigern?

Und wie sehen die ach so gütigen Spenden der selbsternannten Heilsbringer aus der Riege der Multimillionäre für Afrika tatsächlich aus? Der oberflächliche Blick reicht hier nicht, um die Situation beurteilen zu können. Statt in die Tiefe zu gehen, und uns des Ausmaßes der globalen Ungerechtigkeit bewusst zu werden, lindern wir nur rasch unser schlechtes Gewissen und schauen lieber woanders hin. Verständlich. Aber nicht hilfreich. 

Wir müssen uns nicht missbrauchen lassen für anderer Leute Bedürfnisse.

Wenn es ganz klar MEIN Bedürfnis ist, etwas zu spenden, weil ICH dann ein gutes Gefühl habe, und mir das BEWUSST ist, kann ich das auch machen, ohne mich um die Hintergründe zu kümmern. Alles andere ist Selbstbetrug.

Warum betrügen wir uns, indem wir (uns selbst und anderen gegenüber) den Eindruck erwecken, wir seien die Retter des Planeten? Warum ist es uns nicht genug, in unserer kleinen Welt etwas zu bewirken? Wieso ziehen wir das unpersönliche Helfen in der Fremde dem direkten Kontakt von Mensch zu Mensch vor?

Aus meiner Warte sind das Auswirkungen eines systematisch untergrabenen Selbstwertgefühls. Von klein auf wird uns eingebläut, wir müssten mehr sein als wir sind. Ich stimme aus eigenem Erleben und aus den Erfahrungen meiner Patientinnen dem Hirnforscher Gerald Hüther zu, der beklagt, dass unser Schulsystem die kindliche Freude am Lernen behindert. Und ich pflichte dem Pädagogen und Philosophen Gunnar Kaiser bei, der sich aus dem Schulsystem zurückgezogen hat, weil die Schule ein Ort der Unterdrückung freier Entfaltung von heranwachsenden Menschen ist. Ich würde gerne glauben, dass das in Uganda anders ist als hierzulande. Zuversichtlich bin ich da leider nicht. 

Text: Petra Weiß
Foto: Dietrich Schneider / pixelio.de

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Zur Autorin

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Petra Weiß ist Heilpraktikerin und psychologische Beraterin. Ihre Liebe zur Sprache begleitet sie schon ihr Leben lang. Sie hat zahlreiche Beiträge in Print und Online veröffentlicht. Seit Sommer 2020 gibt Sie die Zeitschrift “Weißheiten: vom Ich zum Selbst” heraus.

Besser ist der Feind von Gut.

Essay von Petra Weiß. Lesedauer ~20 Minuten
Rubrik: Umdenken

In meiner Praxis begegnen mir häufig Menschen, die sich auf unbestimmte Weise irgendwie nicht gut genug fühlen. Sie leisten Großartiges und ernten vielfach Anerkennung. Trotzdem erscheinen ihnen ihr Tun und ihr Sein niemals als ausreichend. Es genügt ihnen nicht und sie haben den Eindruck, bestimmten Leuten oder der Welt im Allgemeinen nicht gerecht zu werden.

Der Beitrag beleuchtet verschiedene Gründe für das „Nicht-gut-genug“-Phänomen.

Als Frau der Sprache begebe ich mich zuerst hier auf Ursachenforschung.

In der Psychologie ist die Erscheinung schon lange bekannt und weit verbreitet. Sie wird wie eine Krankheit behandelt. Führer hat man von „Minderwertigkeitskomplexen“ gesprochen. Allein die Bezeichnung klingt in meinen Ohren wie ein Schimpfwort, als sei jemand gestört und müsse sich dafür auch noch schämen. Heutzutage sagt man eher „Selbstwertschätzung“ und meint damit gar nicht die Wertschätzung für das Selbst, sondern die Wertschätzung für die eigene Person, das Ich oder das Ego. Entsprechende Bemühungen, daran zu arbeiten, sind schon aufgrund dieser Verwechslung wenig erfolgversprechend. Vielleicht liegt genau hier ein Teil der Lösung.

Ein verhängnisvolles Missverständnis

Das Selbst ist ein unveränderlicher Teil von uns, es wird auch das wahre Wesen oder die Essenz genannt. Wir können dem Selbst nichts wegnehmen und nichts hinzufügen. Das Wort „Selbst-Optimierung“ ist daher schon in sich ein Widerspruch. Wer antritt, sein Selbst zu optimieren, hat keine Chance auf Erfolg. Und keine wahre Wertschätzung für sein Selbst. Das Selbst will einfach nur in die Welt gebracht werden, damit es dort wirken kann. Merkwürdig, dass der Begriff oft in abwertender Weise verwendet wird: die Selbst-Verwirklichung.

Etwas ganz anderes ist die Persönlichkeit. Dieses Ich ist das Ergebnis unserer Anlagen und all der Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens gemacht haben. Deshalb besteht sie unter anderem aus Abwehrmechanismen, Vermeidungsstrategien, Glaubenssätzen, Verletzungen und vielem Weiteren, was wir sonst noch so angesammelt haben. Die Ursachen dieser Anteile liegen in der Vergangenheit. Vielleicht waren sie einmal lebensrettend. Ihre Entstehungsgeschichte zu kennen und ihren ursprünglichen Zweck zu achten, kann uns mit unserem So-Sein versöhnen. Das heißt nicht, dass wir so bleiben (müssen). Ganz im Gegenteil: Wenn wir anerkennen, wer wir geworden sind, weil wir unsere Geschichte verstehen, wird der Weg frei für eine ehrliche und tiefgreifende Veränderungen. Wir sind in gewissem Sinne „ver-wickelt“ in unsere früheren Erlebnisse. Wenn wir also etwas „ent-wickeln“ wollen, dann die Persönlichkeit.

Diesseits von Gut und Böse.

Menschen, die glauben, sie seinen nicht gut genug, fühlen sich immerzu getrieben, noch mehr zu leisten und dabei ständig besser zu werden. Wussten Sie, dass „besser“ vom Wortstamm her verwandt ist mit „böse“? Ich würde so weit gehen zu sagen: „Besser“ ist der Feind von „Gut“. Durch das Streben nach „besser“ verhindern wir „zufrieden“ und „gelassen“ und viele andere Worte, die mit kraftvollen Zuständen verbunden sind.

Sich „optimieren“ zu wollen, ist in Mode gekommen. Für das Fremdwort „optimieren“ gibt es bezeichnender Weise keine deutsche Entsprechung, die genau dasselbe aussagt. Es ist ein Kunstwort. Das Optimieren hat nichts Natürliches. Es zeugt von der Verdrehung unseres naturgegebenen Drangs nach Entwicklung in ein mit Macht herbeigezwungenes Hinbiegen auf ein Ziel zu, das nicht erreichbar ist: das unverbesserliche „Optimum“. Ich hasse dieses Wort.

Was mich bei meiner Suche nach den gesamtgesellschaftlichen Ursachen des Perfektionswahns regelrecht anspringt, ist die Bezeichnung der Schulnoten im Zeugnis. Wer kam nur auf die Idee, den Schülern die Bewertungen „sehr gut“ und „gut“ zu geben? Was bedeutet es, wenn sie dieses Niveau nicht erreichen? Fragen wir doch mal nach der Logik: Was liegt außerhalb von „gut“, bzw. was ist das Gegenteil von „gut“? Je nach Blickwinkel gibt es zwei mögliche Antworten: Im Leistungssinne ist das, was nicht gut ist, „schlecht“. Im moralischen Sinne ist das Nicht-Gute sogar „böse“.

Können Sie sich vorstellen, was so eine Bandmarkung in einer Kinderseele hinterlässt, auch wenn oder vielleicht gerade weil sie unausgesprochen im Raum steht?

Und es wird noch schlimmer: „befriedigend“ ist nicht gut genug, um als „gut“ zu gelten. Da muss man sich über Spätfolgen der Benotung für das Unterbewusstsein nicht wundern. Wie sollten wir denn mit dem „befriedigenden“ Ergebnis unserer Bemühungen jemals zufrieden sein, wenn wir von Kindesbein an lernen, dass das Zufriedenstellende es nicht verdient hat, als „gut“ zu gelten? Von „mangelhaft“ und „ungenügend“ ganz zu schweigen!

Kleine Anpassung, große Wirkung

Machen Sie sich frei, von dem Wort „besser“. Probieren Sie aus, womit Sie es ersetzen wollen. „lieber“ ist häufig zutreffend, wenn der Zusammenhang ein allgemeiner ist. „Lass uns besser/lieber am Montag treffen.“

Wenn es um einen Optimierungsversuch geht, kann es sehr erhellend sein, das „Besser“ genau zu benennen. Dann fällt einem häufig auf, wie unsinnig das Ansinnen eigentlich ist.

Wollen Sie zum Beispiel eine „bessere Hausfrau“ werden: Was genau wollen Sie verändern? Ist der Anspruch realistisch? Welches Ergebnis versprechen Sie sich davon? Wie werden Sie erkennen, dass Ihr Bestreben erfolgreich war? Ist Ihr Gradmesser für den Zweck überhaupt geeignet?

Sie nehmen sich beispielsweise vor, dass Sie für mehr Ordnung und Sauberkeit in Ihrem Zuhause sorgen wollen. Das erkennen Sie daran, dass Ihr Mann nicht mehr meckert? Wirklich? Der Gradmesser ist denkbar ungeeignet. Ihr Mann ist vielleicht ein notorischer Nörgler. Dann werden Sie Ihr Ziel nie erreichen. Merken Sie etwas? Wenn Ihr Gradmesser untauglich ist, hat das ganze Vorhaben keinen Sinn.

Lobhuddelei und ihre Folgen

Den Maßstab für die Bewertung des eigenen Verhaltens einem anderen Menschen in die Hand zu legen, ist selten eine gute Idee. Leider sind wir daran so gewöhnt, dass uns das im Alltag nicht einmal mehr auffällt. Wir lechzen so nach Anerkennung, dass wir jedes Lob aufsaugen, egal wer sich gerade anmaßt, uns belobigen zu wollen und wofür.

Wann ist es angemessen, dass uns ein anderer Mensch sagt „Das hast Du gut gemacht!“ Welche Rollenverteilung tönt da mit? Lob ist wie Wasser: Es fließt grundsätzlich von oben nach unten. Wer uns lobt, stellt sich über uns. Das setzt eine Hierarchie voraus, die es in manchen Zusammenhängen tatsächlich gibt: zwischen Eltern und Kindern, zwischen älteren und jüngeren Geschwistern, zwischen Lehrern und Schülern oder zwischen Professoren und Studenten. Auch im Geschäftsleben wird gelobt. Es mag angemessen sein, dass ein Chef seine Mitarbeiter lobt oder ein Auftraggeber den Dienstleister. Wir nennen das neudeutsch „Feedback“.

Ehrliche Rückmeldungen erkennen Sie daran, dass etwas ganz Bestimmtes lobend erwähnt wird, und zwar eine Ihrer Eigenschaften in Zusammenhang mit einer konkreten Leistung z.B. Ihre Zuverlässigkeit in der Terminplanung oder Ihre Kreativität beim Design des neuen Produktes oder Ihre Fachkenntnisse in diesem oder jenem Bereich.

Statt sich beide Beine auszufreuen, dass man Ihnen ein Krönchen aufsetzt, fragen Sie sich, ob der Kollege sich gerade in die Chef-Rolle aufschwingt, wenn er Ihnen ein Lob ausspricht. Und auch wenn die Rollen passen, lohnt es sich, ein Kompliment zu hinterfragen. Betrifft es eine Eigenschaft, für die Sie geschätzt werden wollen. Wenn man Sie so mit Arbeit zumüllt, dass Sie kaum mehr atmen können und trotzdem haben Sie einen wichtigen Termin gehalten, dann bedeutet das Lob Ihrer Termintreue: “Prima, wir können Dich weiterhin ausnutzen und Deine Bedürfnisse ignorieren. Du funktionierst trotzdem.”

Häufig wird die ausgesprochene Anerkennung für bestimmte Zwecke genutzt und verliert damit jeden Glanz. Solange wir von der Wertschätzung durch andere abhängig sind, wirken Lob und Tadel wie Zuckerbrot und Peitsche: Sie konditionieren uns auf ein gewünschtes Verhalten.

Führungskräfte lernen, dass sie ihre Mitarbeiter durch Lob motivieren müssen, damit diese noch mehr, noch effektiver, noch flexibler etc. zu arbeiten oder einfach, um bei der Stange zu bleiben. Manch ein Angestellter vergisst im Freudentaumel des Gelobtwordenseins, dass ihm längst eine Gehaltserhöhung zustünde. Oder er nimmt einen unliebsamen Auftrag an, weil man ihm Honig um den Bart geschmiert hat.

Diese Schein-Wertschätzung als Hilfsmittel der Manipulation hat viel Misstrauen in den Austausch von Freundlichkeiten gebracht. Schade. Vielleicht haben Sie sich auch schon einmal dabei erwischt, dass Ihnen jemand etwas Nettes sagt und Sie denken reflexhaft „Was will der von mir?“ Es ist sehr traurig, dass die Frage durchaus berechtigt sein kann. In modernen Kommunikationstrainings wird den Leuten beigebracht, dass sie zuerst etwas loben müssen, bevor sie die Kritikkeule auspacken. Im Zweifel schlucken Sie dann leichter, wenn Sie jemand im Anschluss beleidigt und beschimpft. Die oft geforderte Kritikfähigkeit nehmen wir aber ein andermal auseinander. Heute liegt unser Schwerpunkt auf dem Lob.

Wertschätzung, die von Herzen kommt

Sie sehen: Lob hat Risiken und Nebenwirkungen. Wann ist es aber angebracht, dass man eine Rückmeldung gibt und in welcher Weise?

Aufrichtigkeit und Verbundenheit sind Voraussetzungen für Wertschätzung, die in Form von Worten zwischen zwei Menschen liebevoll fließt.

So könnte das Lob der Termintreue ausschauen, das man bedenkenlos annehmen kann: „Ich war so erleichtert, dass Du trotz der technischen Schwierigkeiten den Termin eingehalten hast! Der Kunde hat sich auf mein Versprechen verlassen. Ich stand bei ihm im Wort. Beim nächsten Auftrag dieser Art planen wir 5 % mehr Puffer in den Zeitplan ein, damit Deine Arbeitsgruppe am Ende des Projekts keine Nachtschichten machen muss.“ Diese Rückmeldung ist persönlich und wertschätzend, sie würdigt nicht nur das Ergebnis, sondern auch den Weg dorthin, und zielt nicht auf weitere Ausbeutung.

„Deine Torte schmeckt mir so gut! Die Füllung erinnert mich an den Erdbeerkuchen von meiner Oma, den ich so geliebt habe.“ hört sich ganz anders an als „Die Torte hast Du gut gemacht. Die Füllung ist cremig und der Teig ist schön fluffig geworden. “ Die zweite Fassung klingt nach Gefälle. Zwischen dem Konditormeister und seinem Lehrling ist das passend. Am Kaffeetisch bei Schwiegermuttern kann eine solche Aussage diplomatische Verwicklungen nach sich ziehen.

Achten Sie darauf, was Sie bei anderen wahrnehmen und natürlich auch, was Sie selbst von sich geben. Ich-Botschaften sind in der Regel gute Vermittler für Anerkennung und Dank.

Bei sich selbst beginnen…

Egal, wie herzlich eine wertschätzende Aussage gemeint ist: Wenn wir uns selbst – oder treffender gesagt: unser Selbst – nicht angemessen wertschätzen, kommt jeder Versuch von Wertschätzung durch unser Umfeld entweder gar nicht oder schräg an.

Bei einem Mangel an Selbstwertschätzung warten wir auf das Lob von außen wie eine Spinne im Netz. Wir tun viel dafür, damit es endlich kommt. Wir verausgaben uns bis zum Letzten, um ein Kompliment zu erhaschen. Und wenn es dann da ist, reicht es uns nicht. Es ist zu wenig. Genügt nicht. In einem Akt der Projektion verleihen wir dem Lob dieselbe Note, die wir uns selbst gegeben haben: „ungenügend“ oder „mangelhaft“, weil nicht „gut“ oder „sehr gut“, und in keiner Hinsicht „befriedigend“.

Meine Empfehlung: Machen Sie sich möglichst unabhängig von Wertschätzung aus Ihrem Umfeld. Freuen Sie sich ruhig, wenn jemand Ihnen etwas Liebes sagt, das ist zutiefst menschlich. Aber gieren Sie nicht danach. Die Wertschätzung kommt eh nicht an, wenn Ihre Antennen dafür fehlen oder verkümmert sind.

Wie richten wir diese Antennen aus, um überhaupt mitzubekommen, dass jemand uns echte Wertschätzung entgegenbringt?

Ein guter erster Schritt ist es, wenn Sie sich darüber klar zu werden, welche Fähigkeiten Ihnen Freude bereiten, die Ihnen in die Wiege gelegt sind, oder die Sie mit Leichtigkeit hervorgebracht haben. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass diese Eigenschaften etwas mit Ihrem natürlichen So-Sein zu tun haben. Seien Sie stolz darauf, auch und gerade wenn Ihnen bestimmte Tätigkeiten keine Mühe bereiten. Wir haben ja oft gelernt, dass unsere Leistungen nichts wert sind, wenn wir uns nicht anstrengen. Das Gegenteil ist der Fall. Was Ihnen besonders leicht von der Hand geht, wird unterstützt durch eine Gabe. Unsere Talente gehören nicht zu unserem Tun, sondern zu unserem Sein. Diese selbst zu schätzen, macht das Leben einfacher und glücklicher. Freuen Sie sich an ihren Schätzen! Sie gehören zu Ihnen. Erforschen Sie Ihre Gaben, schreiben Sie sie auf, wenn Sie das wollen.

Fällt Ihnen die Übung schwer? Dann schimpfen Sie bitte nicht mit sich. Bei vielen Menschen herrscht seit frühester Kindheit ein innerer Kritiker mit das Zepter der Bewertung. Diese Gewohnheit ist meist unbewusst und reflexhaft. Sie zu verändern, erfordert Beharrlichkeit und Ausdauer. Aber es lohnt sich.

Erschwernisse auf dem Weg

Der Richter im Rucksack ist besonders ungnädig nach narzisstischem Missbrauch. Durch einen Narzissten erfahren wir ein hohes Maß an mehr oder weniger offen feindseliger Abwertung. Während wir direkte Angriffe erkennen und uns klar dagegen stellen können, werden kaum greifbare Vorhaltungen früher oder später vom Opfer verinnerlicht.

Lob vom Narzissten ist in der Regel vergiftet. Zu Beginn des Kontakts überschwemmt er seine Opfer mit Komplimenten aus Kalkül, er wickelt sie darin ein und macht sie davon abhängig. Später verpackt er in scheinbar freundliche Äußerungen kleine Spitzen der  Gehässigkeit, oder das Gelobte hat man (angeblich) ihm zu verdanken, und er lobt indirekt nur sich selbst. Kein Wunder, dass manche Kinder narzisstisch gestörter Eltern später kaum ertragen, belobigt zu werden. Sie müssen es mühsam lernen, dass wirklich sie gemeint sind und es keinen Haken an der Sache gibt.

Es muss aber nicht unbedingt etwas vorgefallen sein, um eine problematische Beziehung zur eigenen Selbstwertschätzung zu haben.

Nicht jeder Mensch hat die gleiche Anlage dafür, mich sich zufrieden sein zu können. Es gibt Typen, die sich damit schwertun, sich mit der eigenen Unvollkommenheit abzufinden.

Gerne greife ich zur Verdeutlichung auf die Typenlehre des Enneagramms zurück: Der Typ EINS hat sogar den Beinamen „der Perfektionist“. Seine Wahrnehmung ist dergestalt, dass er immer sieht, was nicht genau passt, was man noch verbessern könnte. Sein Radar ist stets auf Optimierungspotenzial gerichtet. Daher entspringen sein Tatendrang, seine Bedächtigkeit und seine Präzision. Und leider oft auch seine Melancholie, sein Pessimismus und sein Weltschmerz. Er hat eine große Sehnsucht nach Vollkommenheit, weil das die Erinnerung ist, die er aus der Einheit mitgebracht hat. Außer im Paradies, wird sie natürlich nirgends erfüllt. Versucht man einen Menschen dieses Typs zu loben, wird er es überhören oder abwiegeln und aufzählen, was alles noch nicht gut ist. Der Zaubertrunk für die EINS heißt „Gut ist gut genug.“

Aus der Homöopathie kennen wir mehrere Konstitutionen, die sich (und/oder ihr Umfeld) mit dem Anspruch auf eine perfekte Welt quälen (Arsenicum, Lycopodium, Kalium etc.). Wenn man mit so einer Veranlagung geboren wird, löst sie sich nicht in Luft auf, wenn man nur hart genug an sich arbeitet. Aber man kann versuchen, sich insgesamt in eine ausgeglichene Balance zu bringen, damit man leichter Fünfe grade sein lassen kann. Und im Zweifel hilft ein Kügelchen, die heftigsten Ausschläge auf der Enttäuschungsskala etwas zu glätten.

Ein Blick ins Horoskop hilft manchmal herauszufinden, ob der hohe Anspruch an sich selbst und an die Mitmenschen gottgegeben ist. Die Jungfrau steht in dem Ruf, immer etwas zu finden, woran sie herummäkeln kann. Ihr Streben nach Reinheit gibt ihr andererseits etwas kindlich-naiv Bezauberndes. Wenn Sie wissen wollen, ob Sie solch eine Anlage mitgebracht haben: Betrachten Sie nicht nur das Sonnenzeichen, sondern immer auch die restlichen Planeten und vor allem den Aszendenten.

Erste Schritte in die Schwerelosigkeit

Was unterstützt Sie bei Ihrer Bewusstwerdung auf dem Weg zur Selbstwertschätzung?

Die genannten Denkanstöße dienen Ihnen im Alleingang oder im vertrauensvollen Austausch mit einem wertschätzenden Gegenüber. Narzisstische Erfahrungen verarbeiten Sie in der Regel nicht in Eigenregie, insbesondere wenn es sich um Kindheitserlebnisse handelt. Suchen Sie sich fachkundige Hilfe. Und achten Sie darauf, dass Sie nicht – aufgrund der Resonanz – an einen narzisstischen Therapeuten geraten.

Ihr homöopathisches Konstitutionsmittel finden Sie in der Begleitung eines erfahrenen Mediziners. Eine laienhafte Ruck-Zuck-Homöopathie a la 3×5 Kügelchen D6 ist hier nicht angebracht.

Kraftvoll und sanft wirken Bachblüten. Sie eignen sich zur Selbstbehandlung und sind für kleines Geld rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Ich empfehle für die Selbstwertschätzung folgende Mischung:

    • Crab Apple: Vernünftige Ansprüche an sich und an die Welt richten.
    • Rock Water: Raus aus der Rigidität.
    • Larch: Selbstvertrauen und innere Sicherheit.
    • Rock Rose: Nachwirkungen traumatischer Erlebnisse auflösen.
    • Impatiens: Geduld mit sich und anderen.
    • Pine: Schuldgefühle loslassen.

Falls Sie das Bedürfnis verspüren, mir eine Rückmeldung zu dem Beitrag zu senden, können Sie das bei Bedarf gleich üben: Bleiben Sie bei SICH und sagen Sie mir, wie der Artikel auf Sie gewirkt hat und was Sie für sich daraus ziehen können.

Dass ich mein Wissen und meine Erfahrungen in geschmeidige Worte fassen kann, weiß ich schon 🙂 Das fällt mir leicht. Es ist meine Gabe.
Und falls kein Mensch mir eine Rückmeldung für diese Arbeit gibt, bin ich trotzdem ganz zufrieden.

Text: Petra Weiß
Foto: twinlili / pixelio.de

Danke schön

Herzlichen Dank an alle Leser, die meine freiberufliche Tätigkeit durch einen Energieausgleich würdigen. Ich liebe die Arbeit an Texten. Mir macht es Freude, mein psychologisches Wissen, meine Praxis-Erfahrungen und meine Überlegungen mit Ihnen zu teilen. Gleichzeitig habe auch ich alltägliche Bedürfnisse wie ein Dach über dem Kopf und etwas Sojasahne im Kühlschrank. Daher bitte ich Sie, freiwillig einen angemessenen Energieausgleich zu leisten:

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Petra Weiß ist Heilpraktikerin und psychologische Beraterin. Ihre Liebe zur Sprache begleitet sie schon ihr Leben lang. Sie hat zahlreiche Beiträge in Print und Online veröffentlicht. Seit Sommer 2020 gibt Sie die Zeitschrift “Weißheiten: vom Ich zum Selbst” heraus.

Werkzeuge zur Bewusstwerdung

Essay. Lesedauer ~26 Minuten
Rubrik: Manipulative Muster erkennen

Niemand kann Ihnen sagen, wer Sie sind. Sie werden es selbst herausfinden, und zwar auf Ihre eigene Art und Weise. Wie wir alle wissen, führen viele Wege nach Rom. Es gibt nicht nur den einen Pfad der Selbsterkenntnis. Nur Sektenführer oder Gurus behaupten, als einzige den Stein der Weisen zu besitzen. In solche Hände will man nicht gelangen.

In unsicheren Zeiten blühen überall neue Glaubensrichtungen auf, was grundsätzlich in Ordnung ist. Einige davon geben sich allerdings als etwas anderes aus, zum Beispiel als politische Gruppierungen.

Vor Menschen, die ihre Beweggründe und Absichten verschleiern, dürfen Sie sich zu Recht in Acht nehmen. Ihre angemessene Wachsamkeit lässt Sie vielleicht auch aufhorchen, wenn Ihnen gute Möglichkeiten begegnen. Hier ist es wichtig, eine gesunde Vorsicht walten zu lassen, ohne jedoch hinter allem und jedem etwas Böses zu vermuten. Der innere Kompass, mit dem wir von Geburt an gesegnet sind, wird durch Manipulation verwirrt und unser natürliches Empfinden geht dabei manchmal verloren.

Sind Sie auf Ihrem Weg der Selbsterkenntnis schon einmal auf anscheinend zwielichtige Hilfsmittel gestoßen? Wurden Sie für Ihre Versuche, sich und die anderen besser zu verstehen, verlacht? Hat man Sie mit unheilschwangerer Stimme davor gewarnt, sich auf eine bestimmte Methode einzulassen?

Solche Einmischungen in Ihre inneren Angelegenheiten geschehen manchmal offen, häufiger aber in Andeutungen, die wesentlich schwieriger zu klären sind. Sie entfalten ihre Wirkung. Schlimmstenfalls werden Sie davon abgehalten, Ihren ganz persönlichen Weg der Bewusstwerdung beherzt weiter zu beschreiten. Wer will sich schon lächerlich machen oder auf Abwege geraten?! Wie beurteilen Sie, was Ihnen dienlich sein könnte und wodurch Sie Schaden erleiden?

Kostbare Hilfsmittel unter Beschuss

Als ich die Homöopathie für mich entdeckt habe, sah ich in ihr eine von vielen naturheilkundlichen Heilweisen. Dank einer Einzelmittelbehandlung durch einen erfahrenen Arzt habe ich Heilung auf verschiedenen Ebenen erleben dürfen. Mich faszinierte die Wirkung der süßen Kügelchen. Mit Begeisterung vertiefte ich mich in ihren reichen Wissensschatz. Später erschien es mir folgerichtig, mich in Homöopathie ausbilden zu lassen und das Verfahren als einen wesentlichen Mosaikstein in meine heilpraktische Arbeit einzufügen.

Heute schätze ich die Homöopathie als medizinische Unterstützung ebenso wie als Entwicklungshelfer auf dem Weg der Selbsterkenntnis. Betrachtet man die Gemütssymptome der Arzneimittelbilder und die Ausführungen der konstitutionellen Homöopathie mit Blick auf die tiefen Beweggründe und wiederkehrenden Handlungsmuster, zeichnen sie vielschichtige und schlüssige Charakterstudien. Auf mich wirkt so eine Beschreibung spannender als jeder Krimi. Beim Lesen erscheinen Menschen vor meinem geistigen Auge, die zu dem Mittel passen könnten. Ich erinnere mich an Begebenheiten, in denen solche Züge bei ihnen zum Vorschein kamen. Jedes neue Arzneimittel, mit dem ich mich befasse, jeder überraschende Blickwinkel auf ein bekanntes Mittel ist für mich wie eine Reise durch den bunten Tiergarten des Menschseins. Meine Erlebnisse mit den Erkenntnissen der Homöopathie zu verbinden, gibt meinen Erfahrungen einen sinnvollen Rahmen.

Je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, dass die Homöopathie nicht nur im Kreuzfeuer der Kritik steht, weil sie so eine wirkungsvolle Heilweise ist. In ihr liegt ein Schlüssel zur Selbsterkenntnis und damit zur Selbstliebe und Selbstverwirklichung. Das Bewusstwerden der Menschen über ihr Selbst, das Entwickeln von Selbst-Bewusstsein im wörtlichen Sinne, wird unterdrückt.

Die Taktik der Unterdrückung

Das Muster habe ich erst erkannt, als ich begann, mich eingehender mit Astrologie zu beschäftigen. Über die 4 Elemente Medizin und die Mondhomöopathie hatte ich mich langsam und zögerlich für die Sternenkunde geöffnet. Ein paar Jahre vorher, wäre das undenkbar gewesen. Die Verleumdungskampagne zur Astrologie hatte bei mir üppige Früchte getragen. Ich schaute mitleidig auf Leute, die ihr Horoskop in der Zeitung lasen und daraus etwas für sich ableiten wollten. „Jaja: Wenn der Hahn kräht auf dem Mist…“ spottete ich. Ich hatte keine Ahnung, dass wir mit der „Vulgär-Astrologie“ einen armseligen Abklatsch der astrologischen Möglichkeiten gezeigt bekommen, damit wir die Aussagen als unzutreffend oder allgemeingültig abtun können und die Idee, uns mit dem „Aberglauben“ näher befassen zu wollen, von vorn herein verwerfen.

Es gibt etwas Vergleichbares in der Homöopathie: Diese ausgeklügelte Heilkunst wird ebenfalls im Niveau für die breite Masse soweit gesenkt, dass sie im Glücksfall hilft, oft gar nichts bringt und manchmal sogar schadet. Samuel Hahnemann hat die eher grobstofflichen D-Potenzen nicht entwickelt. Gegen Ende seines Schaffens hat er im Gegenteil die Ausgangsstoffe noch feiner verrieben und höher potenziert. Und nur in wenigen Ausnahmefällen hätte er standardmäßig 3×5 Kügelchen für ein bestimmtes Malheur eingeworfen – ohne Ansehen der Person!

Ungeschulte Laien, die ihr Wissen aus dem Internet und aus Patientenratgebern beziehen, sind in der Regel nur oberflächlich informiert. Sie können beispielsweise nicht unterscheiden, ob sie gerade eine Erstverschlimmerung erleben, die für das Mittel spricht, oder ob die Arznei falsch gewählt war. Manche haben ein Händchen für Homöopathie und erreichen trotzdem Beachtliches.

Die anderen wenden sich enttäuscht ab: „Hab ich probiert, nützt bei mir nix.“ Dabei hätten sie vielleicht nur eine andere Potenz gebraucht oder eine weiter Gabe. Oder sie hätten stattdessen früher mit der Behandlung aufhören sollen, um die erzielte Wirkung aufrecht zu erhalten. Wenn man Homöopathika zu lange einnimmt, löst man mitunter genau die Symptome aus, die man eigentlich loswerden will. Wissen, Erfahrung und Geduld sind vonnöten. Mit „Vulgär-Homöopathie“ kann man vielleicht ein wehes Knie bei der Heilung unterstützen, aber wohl kaum einer ernsthaften Erkrankung zuleiberücken. Das sagt man den Leuten aber nicht. Man tut einfach so, als seien 3×5 Globuli Arnika D6 das Beste, was die Homöopathie zu bieten hat. Das ist „Wenn der Hahn kräht auf dem Mist…“ auf Homöopathisch.

So hält man die Menschen wirksam davon ab, sich eine Betrachtungsweise anzueignen, die sie auf ihrem Weg zu sich selbst hilfreich begleiten könnte.

Der lange Kampf ums Überleben

Hahnemann wurde schon zu Lebzeiten (1755-1843) bekämpft, und zwar von Medizinern, die damals viele Methoden anwandten, die man heute als Naturheilkunde bezeichnen würde, oder die aus der Therapie verschwunden sind, weil sie mehr Schaden anrichten als Heil. 230 Jahre nach seinem erkenntnisreichen Selbstversuch mit Chinarinde sind seine Mittel immer noch im Einsatz.

Die Astrologie versucht man noch weit länger zu unterdrücken – mit fraglichem Ergebnis. Man hat es nicht geschafft, sie den Menschen ganz vorzuenthalten. Aber man baut genug Barrieren ein, damit sich die Selbsterkenntnis dem Durchschnittsbürger (falls es so etwas gibt) nicht allzu sehr aufdrängt.

Einst war es vollkommen normal, dass Staatsleute sich astrologischer Auswertungen bedienten, wenn sie wissen wollten, wann ein guter Zeitpunkt für einen Krieg oder für eine Vermählung unter Königshäusern war. Es würde mich nicht im Geringsten wundern, wenn unsere Herrscher nach wie vor dieses bewährte Hilfsmittel für ihre Entscheidungen einsetzten, auch wenn man davon in der Zeitung nichts liest. Ich kenne Unternehmer, die bedeutsame Termine für ihre Firma nach astrologischen Gesichtspunkten planen. Davon finden Sie sicher nichts auf deren Internet-Seiten. Das passt nicht ins Image. Gemacht wird es trotzdem.

Wissenschaft und Forschung haben die Astrologie erst belächelt, dann bekämpft und am Ende verdrängt. Wussten Sie, dass die Kunst der Sternendeutung an Deutschen Universitäten gelehrt wurde? Zuletzt 1835 in Erlangen. Dann verbannte man sie aus der akademischen Bildung und verweigerte ihr die wissenschaftliche Anerkennung. So wie man es auch mit der Homöopathie versucht, allen wissenschaftlichen Studien zum Trotz.

Aus der Massenpsychologie weiß man, dass Lügen sich in den Köpfen der Menschen festsetzen, wenn man sie nur oft genug wiederholt. Daher wird mantraartig immer und immer wieder gesagt, die Wirkung homöopathischer Arzneien sei nicht erwiesen. Die Behauptung ist schlicht falsch, gewinnt aber an Glaubwürdigkeit durch ihre unermüdliche Wiederholung.

Es gibt tausende von Fachgebieten. Wenige erleben so einen auf Vernichtung ausgerichteten Kampf. Warum ist es so schlimm, wenn sich jemand mit Homöopathie oder Astrologie befassen will? Und für wen?

Gute Absichten – und was danach ausschaut

In verschiedenen Bereichen konnte man im Laufe der Geschichte beobachten, wie viel versprechende Ansätze, die der Menschheit dazu dienen könnten, ihr Bewusstsein weiter zu entwickeln, erst von außen und dann von innen heraus beschädigt oder zerstört worden sind.

Ursprünglich in guter Absicht gegründete Vereinigungen werden unterwandert, gekapert und ihre Leitfiguren legen dann Bestimmungen fest, die vorgeben, der Sache zu dienen, doch ihr tatsächlich schaden. Ich bin besonders aufmerksam, wenn ein Schild mit den Worten „Sicherheit“ oder „Schutz“ hochgehalten wird. Langwierige und sündhaft teure Fortbildungen werden „zum Schutz der Verbraucher“ eingerichtet. Die Prüfungen sind „aus Gründen der Qualitätssicherung“ lebensfern, von Willkür geprägt oder unsinnig schwer.

Wichtige Hinweise auf das Selbst sendet der Leib in Form von Erkrankungen. Wenn wir uns von unserem Selbst entfernen, geht es uns nicht gut. Daher kann es sehr erhellend sein, sich mit seinem eigenen Körper auseinanderzusetzen und eine Sinnhaftigkeit in den Beschwerden zu finden, besonders, wenn sie chronisch geworden sind. Dann steht zu vermuten, dass etwas in der Tiefe gelöst werden will. Ganzheitsmedizinische Ärzte und Heilpraktiker unterstützen ihre Patienten dabei.

Ärzte, die sich alternativen Heil- und Betrachtungsweisen zuwenden, erleben aus ihrem Kollegium – freundlich formuliert – nicht immer Zuspruch und Verständnis. Heilpraktiker werden offen angegriffen und diskreditiert. Wenn sich Hintergründe einer gesellschaftlichen Erscheinung nicht spontan erschließen, lohnt sich manchmal ein Blick in die Geschichte:

Warum fallen 80 % der Heilpraktiker-Anwärter bei der Prüfung durch? Sind sie einfach nur zu dumm, schlecht vorbereitet oder neigen sie zur hemmungslosen Selbstüberschätzung, sich zu der Prüfung anzumelden ohne das erforderliche Wissen? Was meinen Sie? Dient die hohe Durchfallquote dem Schutz der “Volksgesundheit”, wie es im Heilpraktikergesetz genannt wird? Oder sind da vielleicht noch ganz andere Interessen im Spiel?

Jeder Anwärter lernt die Paragraphen des Heilpraktikergesetzes auswendig, damit er vor dem Amtsarzt aufsagen kann, was er als Heilpraktiker alles NICHT darf. Die Prüfung sichert keineswegs, dass ein fähiger Heilpraktiker seinen Patienten bestmöglich dienen kann, sondern nur, dass er keinen Schaden anrichtet. Was für ein Geist schwingt in diesem Gesetz und in dem Prüfungswesen mit?

Das Heilpraktikergesetz vom 17.02.1939 war von den Nazis ursprünglich als „Aussterbegesetz für den Berufsstand des Heilpraktikers“ geplant, wie man auf Wikipedia nachlesen kann. Es müsste eigentlich „Anti-Heilpraktiker-Gesetz“ heißen. Man wollte den Beruf ausrotten. Mag man der Hitler-Regierung unterstellen, sie habe sich um das Wohl der Patienten gesorgt? Wenn ich betrachte, was im Namen medizinischer Forschung im Dritten Reich verbrochen wurde, wäre ein unpassendes Kügelchen oder ein falsch gewähltes pflanzliches Heilmittel zu der Zeit aus Patientensicht meine geringste Sorge gewesen.

In den 1950er Jahren musste man einräumen, dass dieses Gesetz in einigen Passagen verfassungswidrig war und lies zähneknirschend die nicht-ärztlichen Naturheilkundler weiter ihrer Berufung folgen. Man fand andere Wege, ihnen das Leben schwer zu machen.

Ihr Ansehen in der Öffentlichkeit wird stets aufs Neue beschmutzt: Besteht auch nur der leiseste Verdacht auf einen Behandlungsfehler, wird die Geschichte in der Presse breitgetreten und der ganze Berufsstand infrage gestellt. Eine gewissenhafte Nachverfolgung der Anschuldigungen und konsequente Aufklärung, wie sich der Verdacht verflüchtigt hat, wird dann leider nicht betrieben.

Statt auf die anspruchsvollen Prüfungen hinzuweisen, wird gebetsmühlenartig das gleiche Kriterium für die Prüfungszulassung in den Blickpunkt gezerrt, nämlich, dass man nur einen Hauptschulabschluss braucht, um Heilpraktiker zu werden. Was für ein Licht wirft das auf die Kompetenz?

Die Zunft wird mit einem Wust von sich ständig ändernden Auflagen und Regelungen fruchtlos beschäftigt. Während ich den Sinn der (mit Bravour bestandenen) Hygieneprüfung durch das Gesundheitsamt noch nachvollziehen konnte, war mir schleierhaft, wieso die Größe der Fläche meiner Praxisräume sich auf die Anzahl der benötigten Patientenparkplätze auswirken soll.

Als ich 2006 meine Praxis gründete, durfte ich mit nur drei Therapierichtungen auf mein Praxisschild oder in Anzeigen werben. So eine Bevormundung! Nicht nur mir gegenüber, sondern auch gegenüber den Patienten. Als ob sie mit mehr als drei Nennungen überfordert gewesen wären. Die Regelung “zum Schutz der Patienten” ist mittlerweile überholt.

Wen schützt man hier eigentlich wovor?

Schauen wir uns doch einmal den Patientenschutz und seine Reglementierungen an einem Beispiel genauer an:

Die Stiftung Homöopathie Zertifikat (SHZ) hat es sich zur Aufgabe gemacht, über die Qualität homöopathischer Aus- und Weiterbildung zu richten. Schulen werden SHZ-zertifiziert, Lehrer werden SHZ-zertifiziert. SHZ-Homöopathen verpflichten sich, nach Ausbildung und bestandener Prüfung drei Jahre lang bei einem SHZ-zertifizierten Supervisor “in die Lehre” zu gehen.

Ich kenne kein einziges naturheilkundliches Verfahren, das so reglementiert worden ist. Wir verstehen uns hier bitte nicht falsch: Natürlich müssen Mediziner gut ausgebildet sein und wissen, was sie tun. Diese Zertifizierung geht darüber weit hinaus.

Die Schulen und Lehrer sind gezwungen, sich nach SHZ-Standards zertifizieren zu lassen, um SHZ-zertifizierte Therapeuten hervorzubringen. Standards, die eine Kommission festgelegt hat, welche weder einer staatlichen Einrichtung angehört, noch aus gewählten Standesvertretern besteht.

Egal, wie hilfreich ein Arzt oder Heilpraktiker in der Praxis für seine Patienten wirkt: Ohne das aufwändige und kostspielige Zertifikat ist er ein Homöopath zweiter Klasse. Das hat direkte Auswirkungen auf sein Einkommen und auf seine Möglichkeiten der Kundengewinnung.

Denn Krankenkassen machen vom SHZ-Zertifikat des Therapeuten abhängig, ob sie ihren Patienten eine homöopathische Behandlung erstatten. Es reicht nicht, dass seine Ausbildungsstätte und seine Lehrer SHZ-zertifiziert waren, was eine standardisierte Fortbildung gewährleistet. Der Therapeut selbst muss das Zertifikat erwerben.

Solche Einschränkungen der Leistungserbringung geschehen bestimmt nicht aus Sparsamkeit oder Geiz, geschweige denn aus politischen Gründen, sondern stets zum Wohle der Krankenkassenmitglieder.

Glauben Sie das?

Damit die Patienten sich durch das Gängelband nicht bevormundet fühlen, sondern gut beschützt, muss die Mär der Scharlatanerie am Leben gehalten werden: Es wimmelt da draußen nur so vor skrupellosen Beutelschneidern und Scherenschleifern, die mit Doktor-Titel oder – noch schlimmer! – als Heilpraktiker die Gesundheit ihrer Patienten mit Kügelchen ruinieren würden, wenn man sie nicht mit Macht davon abhielte.

Ist das so?

Wer seinen Patienten Leid zufügt, muss sich dafür verantworten. Das regelt die Rechtsprechung. Was glauben Sie wohl, mit welchen Medikamenten das häufiger der Fall ist? Werfen Sie doch einmal einen Blick in die Statistik, wenn Sie sich die Wahrheit zumuten wollen.

Was wäre wenn…

Die gleiche Argumentation, die gegen die Heilpraktiker und gegen die Homöopathie Verwendung findet, wird gegen die Astrologie eingesetzt: Gefährlich! Das glaube ich wohl. Aber für wen?

Als Kontrapunkt zur “Vulgär-Astrologie” wird sich auch hier zu-Tode-zertifiziert. Der Verband sichert die Qualität mit auserwählten Lehrern. Meine Anfrage nach einer Quelle für seriöses astrologisches Wissen wurde mit der Aussage quittiert, dieses könne man nur durch die zertifizierte Fortbildung erwerben.

Kommt Ihnen das Muster bekannt vor?

Nehmen wir einmal an, ein jeder könnte sich selbst erkennen und wüsste, wer er ist, wozu er auf Erden weilt und welche seiner Gaben er den Menschen aus vollem Herzen schenken kann. Würden wir dann einen ungeliebten Beruf weiterhin ausüben, damit wir als Ersatzbefriedigung noch mehr überflüssige Konsumgüter kaufen können?

Wenn wir mit erhobenem Haupt zu unserem So-Sein stünden, statt uns ständig dem Joch eines wahnhaften Perfektionierungszwangs zu beugen, wer wollte uns dann seinen Willen mithilfe von schlechtem Gewissen und Schuldgefühlen aufdrücken?

Hätten wir ein Bewusstsein über unsere naturgegebene Einzigartigkeit, welchen Herden würden wir nachlaufen in der Hoffnung, irgendwo dazu gehören zu dürfen?

Wer könnte uns noch sagen, dass etwas Grundlegendes an uns falsch wäre, weswegen wir uns schämen müssten, und wie wir gefälligst zu sein haben?

Wir wären frei. Frei in einem umfassenden Sinne, den wir uns in unserer Gesellschaft heute kaum vorstellen können.

Uns davon abzuhalten, der zu werden, der wir sind, ist ein machtvolles Herrschaftsinstrument. Gehen Sie davon aus, dass die Methoden, die uns dabei am nützlichsten wären, am gnadenlosesten bekämpft werden. Das betrifft alle Lebensbereiche.

Förderliche Bedingungen

Wohlstand wäre beispielsweise eine gute Voraussetzung, uns auf unsere seelisch-geistige Entwicklung zu konzentrieren, was wir nicht können, wenn wir all unsere Lebensenergie für die Existenzsicherung aufbringen müssen. Anstelle dessen erleben wir Mangel, wohin wir auch schauen. Die meisten Menschen rödeln von früh bis spät, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie sind durch Brotkrumen lenkbar, die man ihnen gnädig hinwirft. Statt zu verlangen, was ihnen zusteht, verneigen sie sich demütig, wenn ihnen ein Almosen gewährt wird. Es geht den Eliten nicht darum, dass sie noch reicher werden. Ihr Ziel ist es, dass die Armen arm bleiben. Dann sind die Massen beschäftigt und steuerbar.

Den Menschen wird es aus gutem Grund schwer gemacht, sich ihrer Anlagen, ihrer tiefen Bedürfnissen und kostbaren Fähigkeiten gewahr zu werden.

Jeder Mensch hat ein Recht darauf, sich zu entwickeln. Vielleicht sogar die Pflicht. Ein jeder in der ihm gemäßen Weise. Kostbare Hinweisgeber auf der Suche nach dem Selbst wurden seit jeher in erhabene Kreisen genutzt und vor dem niederen Volk geheim gehalten.

Weitere Beispiele

Das Enneagramm ist eine überaus hilfreiche Typenlehre. Die Kirche arbeitet in der Seelsorge seit Jahrhunderten mit der Weisheit des Enneagramms. Die Typologie dient dazu, den Menschen in seinen tiefliegenden Motiven und daraus resultierenden Handlungsmustern zu erfassen, um ihm so zu begegnen, wie es seinen Bedürfnissen und Möglichkeiten entspricht. Erst in den 1980er Jahren kamen die ersten Enneagramm-Bücher auf den Markt. Seither bahnt sich das vormals okkulte Wissen seinen Weg über Fachleute wie Coaches und Personalberater in die Breite der Bevölkerung.

Typentests – mittlerweile auch im Internet – wollen anhand von ein paar Fragen bestimmen, welchem Persönlichkeitsmuster man angehört. Dieses Vorgehen entspringt dem verständlichen Wunsch, die zeitraubende Erforschung durch einen erfahrenen Enneagramm-Berater abzukürzen. Und führt häufig nicht zum Ziel, weil es weder der komplexen Methode noch dem Facettenreichtum des Menschseins gerecht werden kann. Durch dieses ungemäße Abspecken landen viele in einer falschen Schublade, und die Betroffenen versuchen jahrelang vergeblich, sich deren Format anzupassen. Damit ist niemandem gedient. Das bringt dieses wertvolle Werkzeug in Verruf und die Menschen auf Irrwege.

Nach dem 2. Weltkrieg entwickelte ein begabter junger Arzt ein einzigartiges Werkzeug, mit dessen Hilfe man anhand der Auswahl von Farben psychische Zustände treffsicher und objektiv diagnostizieren kann: den Lüscher-Color-Test. Der schweizer Psychiater Prof. Max Lüscher erhielt von seinen Kollegen für die Entdeckung weder Anerkennung noch Unterstützung. Seine Veröffentlichungen richteten sich notgedrungen an die Laienleserschaft. So verkam die bahnbrechende Erfindung eine Zeitlang zum Partyspiel. Heute soll eine aufwändige Fachfortbildung die Qualität für den klinischen Einsatz des Diagnoseverfahrens in der Praxis sichern. Ob sie dadurch in Fachkreisen die angemessene Würdigung erfahren wird, steht in den Sternen.

Entfaltung braucht Bereitschaft

Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich sagen, dass die Korrektur eines verzerrten Selbstbildes zwar schmerzhaft sein kann, sich aber für die weitere Persönlichkeitsentwicklung sehr lohnt. Wem dieser Schritt ein Gräuel ist, wird sich an das falsche Bild klammern. Selbst wenn er um eine Auswertung seiner Veranlagungen gebeten hat, kann er sehr wütend werden über eine unerwartete Enttarnung – vor allem, wenn sie punktgenau zutrifft.

Ich habe den „heiligen Zorn“ miterlebt, der einem Kollegen und seiner Arbeit entgegengeschleudert wurde, weil er mit seiner präzisen Analyse der Konstitution eines selbstgefälligen Mannes, dessen trügerisches Image in Scheiben fallen lies. Und er hatte es nicht einmal im Ansatz unfreundlich gemeint oder gefühllos vermittelt. Mit erbittertem Hass hat der Narzisst die Methode später bekämpft, die ihn in seinem Wesenskern erkannt hat.

Selbstverständlich steht es uns nicht zu, jemandem unaufgefordert zu sagen, wer er ist. Das Bedürfnis nach Selbsterkenntnis muss aus dem Betroffenen erwachsen. Dann findet er auch die für sich passenden Wege.

Um bewerten zu können, welche Mittel Ihnen wirklich dienen, braucht es einen klaren Verstand. Schauen Sie zuerst, von wem Sie etwas erfahren und fragen Sie sich, welche Absichten er wohl verfolgt. Geschriebenes Wort ist leider nicht immer Wahrheit. Ist das Gelesene logisch und plausibel? Kann das wahr sein? Wenn ja, befragen Sie Ihr Bauchgefühl. Falls nein, nützt es Ihnen nichts, dass es sich schön anfühlt oder als gut erscheint. Sobald Kopf, Herz und Bauch zustimmen: Sammeln Sie Erfahrungen und vergleichen Sie die Theorie mit ihrem Erleben.

So können Sie unterscheiden, was Ihnen nutzt und was Ihnen schadet, wer es ehrlich mit Ihnen meint und wer Sie für seine Zwecke einspannen will. Warten Sie nicht auf einen Führer, Guru oder Messias. Sie selbst sind der Schlüssel zu Ihrem Glück. Sie müssen nicht die Welt retten. Wenn sich jeder auch nur ein bisschen entwickelt, entfaltet die Menschheit nach und nach ihr gesamtes Potenzial.

Text: Petra Weiß
Foto: tokamuwi / pixelio.de

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Zur Autorin

Schreibkunst Redakteur PR-Text
Petra Weiß ist Heilpraktikerin. Das Enneagramm nutzt sie in ihren psychologischen Beratungen. Die Homöopathie übt sie seit 15 Jahren aus, seit 2016 mit dem Segen einer SHZ-zertifizierten Schule. Die Lüscher-Color-Diagnostik ist eine der Grundlagen für die Moderne 4-Elemente-Medizin nach Dr. Peter Vill, die sich unter anderem astrologische Auswertungen zunutze macht. 2016 hat sie gemeinsam mit Dr. Vill den Patientenratgeber “Gesundheit gestalten mit den 4 Elementen” veröffentlicht. Sie hat zahlreiche Beiträge in Print und Online veröffentlicht. Seit Sommer 2020 gibt Sie die Zeitschrift “Weißheiten: vom Ich zum Selbst” heraus.

Wie Sprache unser Zeitempfinden beeinflusst

Viele von uns haben in der Schule unter Fremdwort-beladenen Grammatik-Stunden gelitten. Haben Sie sich als Teenager für Plumperquatsch-Perfekt und nummerierte Zukünfte begeistern können? Ich habe damals nicht verstanden, wie mir diese Kenntnisse für mein Leben nützlich sein sollen. Stattdessen hätten wir lieber gelernt, wie uns der bewusste Einsatz unserer schönen Sprache dient, um glücklich und selbst-bestimmt zu leben. Der Sprachgebrauch hat viel mit unseren Gewohnheiten zu tun. Wir können durch ein paar kleine Anpassungen einfach und wirkungsvoll unsere Wahrnehmung und unser Erleben zum Guten verändern.

Vielleicht haben Sie das schon einmal beobachtet: Wenn uns ein früheres Ereignis noch ganz nah ist, verfallen wir beim Erzählen in die Jetzt-Zeit: „Bei der Abschlussfeier waren alle pünktlich bis auf Uli. Und dann kommt er auch noch mit einem ungeladenen Gast!“ Oder wir holen Künftiges sprachlich in die Gegenwart: „Morgen fahre ich nach Mannheim.“ Oft bemerken wir das gar nicht. Oder wir halten es für nebensächlich. Das ist es aber nicht.

Menschen, die durch ihre Art zu reden das Kommende immer schon hier haben, neigen zu Stress. Falls Sie zu den Menschen gehören, die unter Termindruck leiden, kann es ausgesprochen hilfreich sein, wenn Sie genau unterscheiden, was tatsächlich eben gerade passiert und was erst später: „Ich sitze gerade im Garten. Morgen werde ich nach Mannheim fahren.“ Diese Umstellung entschleunigt Ihr Leben und packt alle Vorhaben in die Zukunft, wo sie hingehören.

Wenn Sie inneren Abstand zu unerfreulichen Erlebnissen bekommen wollen, sind Sie gut beraten, die Vergangenheitsform bewusst zu wählen. Es hat eine sehr unterschiedliche Wirkung auf die gefühlte Aktualität, wenn Sie sagen „Er gibt mir eine Ohrfeige“ oder „Er hat mir eine Ohrfeige gegeben.“ oder „Er gab mir eine Ohrfeige.“ Die Energie der Tat ist bei „gibt“ ganz präsent. Sie wirkt bei „hat gegeben“ noch in die Gegenwart hinein. Die Formulierung „gab“ entfernt die Ohrfeige aus dem Jetzt. Das Ereignis ist wirklich vorbei.

Bei Vorgängen, die sehr rasch abgelaufen sind, ist die Geschwindigkeit eines der Probleme. Alles scheint gleichzeitig zu passieren, was uns völlig überfordert. Dann bringt die genaue Abfolge beim Erzählen Klarheit und eine Gliederung der Erlebnisse. Das spendet Halt und Orientierung.

Als praktisches Beispiel dient uns die Beschreibung eines Autounfalls: „Das Auto fuhr in die Seitenstraße ein. Dann hat es einen lauten Knall gegeben. Davor war noch ein leises Zischen zu hören.“ Erschließt sich Ihnen spontan, was hier geschah? Wann genau war das Zischen zu hören?

Günstiger für die Verarbeitung des Geschehens wäre folgende Ausdrucksweise: „Erst war ein leises Zischen zu hören. Dann gab es einen lauten Knall. Und danach fuhr das Auto in die Seitenstraße.“ Alle Wahrnehmungen sind abgeschlossen (war, gab, fuhr). Die Reihenfolge ist nicht nur eindeutig. Sie entspricht auch dem Vorgang, so wie er sich ereignet hat.

Wenn wir über Ursache und Wirkung sprechen, scheint es unerheblich, was davon wir zuerst erwähnen. Tatsächlich dient es uns sehr, wenn wir die Ursache voranstellen. Also statt: „Das Glas liegt auf der Erde, weil ich es umgestoßen habe aufgrund meiner Unkonzentriertheit. Ich hatte zuvor einen aufwühlenden Bericht gelesen.“ schreiben wir lieber „Ich habe einen aufwühlenden Bericht gelesen, daher war ich unkonzentriert und habe das Glas umgestoßen. Also liegt es jetzt am Boden.“ Das Gehirn muss sich nicht so verrenken, um zu begreifen, was sich ereignet hat.

Wann immer wir Orientierung brauchen, hilft Klarheit – gerade in turbulenten Zeiten.

A propos Klarheit: Hier geht es darum, was Sie für sich tun können, wenn Sie das wollen. Sie müssen es nicht. Sie dürfen auch einfach so bleiben wie Sie sind. Sprachgewohnheiten sind etwas sehr Persönliches, über viele Jahre gewachsen und gehören zu uns wie ein lieb-gewonnener Schlafanzug.

Lassen Sie sich bitte nicht verleiten, an anderer Leute Sprache herumzumäkeln, falls Ihnen die Beziehung zu diesem Menschen etwas bedeutet. Kritiksucht und Missionarseifer sind fehl am Platz. An solchen Übergriffen können Sie auch mit sprachlichen Kniffen nichts beschönigen. Ihre “gut gemeinten” Verbesserungsvorschläge können zu Recht als Angriff auf die Identität Ihres Opfers gewertet werden. 

Meine Empfehlung:

Gehen Sie es spielerisch an. Versuchen Sie nicht, alle Tipps gleichzeitig zu befolgen. Fischen Sie sich eine Anregung heraus, die Sie besonders ansprechend finden, und starten Sie damit ohne übertriebenen Ehrgeiz. Freuen Sie sich jedes Mal, wenn Ihnen der „Fehler“ auffällt, statt sich darüber zu grämen, dass Sie ihn noch nicht ausgemerzt haben.

Ich würde am Anfang gar nicht auf das Ersetzen der Formulierung zielen, sondern nur auf das Entdecken. Pirschen Sie sich behutsam an solche Veränderungen heran, statt etwas übers Knie brechen zu wollen. Die moderne Hirnforschung hat bestätigt, was wir alle schon seit unserer Schulzeit wussten: Mit Freude lernt es sich am Leichtesten!

Text: Petra Weiß
Foto: Timo Klostermeier / pixelio.de

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Petra Weiß ist Heilpraktikerin und psychologische Beraterin. Ihre Liebe zur Sprache begleitet sie schon ihr Leben lang. Sie hat zahlreiche Beiträge in Print und Online veröffentlicht. Seit Sommer 2020 gibt Sie die Zeitschrift “Weißheiten: vom Ich zum Selbst” heraus.

Von Wahrheit, Wirklichkeit und Realität

Durch unsere Gedanken können wir uns in fast jede beliebige Stimmung hineinversetzen. Erinnern wir uns an einen schönen Moment im letzten Urlaub, werden wir ganz anders gestimmt sein als wenn wir uns eine verpatzte Prüfung oder eine schmerzhafte Trennung ins Gedächtnis rufen. Es ist menschlich, dass unsere Gemütsverfassung über Gedanken beeinflussbar ist.

Nun entstammen nicht ausnahmslos alle Gedanken unserem Kopf, die sich dort befinden. Wenn wir etwas hören, sind das zunächst die Gedanken des Sprechers, die aus seinem Mund durch unsere Ohren in unser Gehirn gelangen. Sie bewirken dort etwas. Ebenso geht es uns mit geschriebenen Worten, Bildern oder Farben, die über die Augen wahrgenommen werden und unseren Zustand direkter verändern.

Während beim Gehörten und Gelesenen die Phantasie aus den Worten erst ein Bild entstehen lässt, wird bei Foto und Film die bildhafte Vorstellung frei Haus geliefert.

Gesehenes und Gehörtes wird über den Verstand bewertet und führt in der Folge zu Sorge, Furcht, Traurigkeit oder Empörung.

Noch unmittelbarer ist die Wahrnehmung von Gerüchen, weil der Verarbeitungsweg des Riechnervs direkt im Limbischen System endet, das für unsere Bindungen und Gefühle verantwortlich ist, ohne Filter über das Verstandeshirn, den Präfrontalen Cortex. Wir ordnen also die Eindrücke des Riechsinns nicht ein, bevor ihre Auswirkungen uns erreichen.

Das ist entwicklungsgeschichtlich sinnvoll, damit man durch die blitzschnelle Empfindung von Ekel und Abscheu erst gar nicht in eine verdorbene Frucht beißt oder von brackigem Wasser kostet. Das war seit jeher wichtig für unser Überleben. Immerhin muss der Geruchssinn einem Überlebenstrieb Einhalt gebieten, nämlich Hunger und Durst.

Sie werden viele verschiedene und teils widersprüchliche Beschreibungen für die von mir verwendeten Begriffe finden. Mir ist nur wichtig, dass wir zwischen Regungen unterscheiden, die von innen oder außen aufgrund von Gedanken erzeugt worden sind und jenen, die durch unmittelbares Erleben ausgelöst werden. Beide fasse ich unter den Begriffen Gestimmtheit zusammen. Die Stimmung und die geistige Verfassung gemeinsam nenne ich Gemüt. Moderner würde man als Überbegriff für mentale und seelische Zustände auch „Psyche“ sagen. Mir liegen die Fremdwörter nicht so. Deshalb bleibe ich bei den für mich eingängigeren Bezeichnungen.

Gemütszustände, die von Gedanken ausgelöst wurden, nenne ich Emotionen. Ein Gedanke hat mein Gemüt bewegt, e-motio. Sie können bestenfalls bewusst von mir selbst ausgelöst werden und schlimmstenfalls von außen, ohne dass ich den Einfluss erkenne. Emotionen müssen mit der tatsächlichen Welt um mich herum nicht das Geringste zu tun haben.

Bei der Gelegenheit möchte ich ein paar Missverständnisse auflösen. Das Wort Realität ist verwandt mit Royalität: was der König möchte, das sein Volk glaubt. Die Realität ist das, was man uns zeigt, vorführt oder präsentiert. Das kann, muss aber nicht mit der Wahrheit zu tun haben.

Wahrheit ist ein völlig verwässerter Begriff. Ich höre immer wieder, jeder habe ein Recht auf „seine Wahrheit“. Größer könnte der Schaden an Verwirrung bei den Menschen nicht sein als durch solchen mutwillig gestreuten Aberglauben. Wenn wir uns an der Verlässlichkeit von Wahrheit nicht mehr festhalten können, sind Tür und Tor geöffnet für jede Form der Täuschung und des Betrugs.

Es gibt nur eine Wahrheit. Sie ist durch den Verstand grundsätzlich erkennbar. Man mag verschiedene Blickwinkel auf diese Wahrheit einnehmen oder nur bestimmte Teile davon betrachten. Aus diesem unvollständigen Eindruck zieht man mitunter falsche Schlüsse. Das heißt aber nicht, dass jeder Blödsinn Anspruch auf ein Wahrheitssiegel hat.

Wir verleugnen unsere Fähigkeit der Unterscheidung von richtig und falsch und damit unseren naturgegebenen Verstand, wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf moralische Gesichtspunkte richten, noch bevor wir mit wachen Sinnen den Wahrheitsgehalt geprüft haben. Wir fragen „Ist das gut oder böse?“, statt zu fragen „Stimmt das überhaupt? Ist die Annahme richtig oder falsch?“ Wozu das führt, sehen Sie allenthalben.

Und wo wir gerade dabei sind, klären wir noch, was Wirklichkeit ist: Wirklichkeit ist das, was wirkt. Insofern hat jeder seine eigene Wirklichkeit. Sie kann mehr oder weniger mit der Wahrheit übereinstimmen und wird von der Realität mal stärker, mal leichter beeinflusst.

Kommen wir zurück zu den Emotionen und den Gefühlen.

Unsere Emotionen werden von unserer Wirklichkeit beeinflusst. Was wir denken und erleben, löst etwas in uns aus.

Unsere unmittelbaren Erfahrungen sind in diesem Sinne wahr. Die Blume riecht jetzt so. Das Brot schmeckt so. Der Sessel fühlt sich so an. Ich sehe ein Haus. Ich höre ein Musik-Stück. Wahr-Nehmung ist immer echt. Aus ihr entspringen Gefühle. Wut ist so ein Gefühl. Sie ist leicht zu unterscheiden von der künstlichen Emotion der Empörung, bei der immer der Anschein einer sittlichen Überlegenheit mitschwingt.

Wenn Sie einem Tiger gegenüberstehen, der die Zähne fletscht, werden sie keine sorgenvollen Gedanken haben wie: „Wer kümmert sich um meinen Garten, während ich mich im Krankenhaus von dem Biss erhole?“, sondern sie werden nackte Angst erleben, die eine unmittelbare Handlung bewirkt. Sie werden rennen oder kämpfen oder sich tot stellen. Angst ist ein Gefühl. Sie ist in ihrer Auswirkung nicht leicht zu unterscheiden von Furcht, aber in ihrer Dauer. Angst vergeht mit der beängstigenden Lage. In Furcht können wir monatelang bleiben. Sie ist gemacht.

Furcht kann man deshalb so leicht erwecken, weil unser Überleben als Art davon abhing, dass wir mögliche Bedrohungen blitzschnell erkennen. Unser Gehirn vergleicht rund um die Uhr, ob etwas, das uns eben gerade begegnet, uns an frühere Gefahren erinnert. Falls das auch nur ganz entfernt der Fall ist, schalten wir in den Alarmmodus um. Der ganze Körper wird in Habachtstellung gebracht. Hormone werden ausgeschüttet, die Verdauung und die Abwehr werden heruntergefahren, die Muskulatur spannt sich an, die Sinne sind geschärft.

Im echten Leben begegnen uns glücklicherweise sehr selten solche Anlässe. Sie stehen in der Regel keinem Tiger gegenüber. Sie sehen ihn nur im Fernsehen. Im Gehirn heulen aber die Sirenen, weil unsere archaischen Überlebensfunktionen nicht unterscheiden zwischen tatsächlichen und digitalen Bedrohungen.

Vielleicht nehmen Sie das gar nicht mehr bewusst wahr, weil Sie sich allabendlich zur Unter-Haltung den Horror ins Wohnzimmer holen. Aber ihre Amygdala (Mandelkern im Gehirn) weiß nichts von TV, Hollywood und Special Effects. Sie wird zuverlässig ihre Warnschüsse abgeben, als stehe der Terminator mitten in Ihrem Haus. Fühlen Sie doch mal Ihren Puls während eines Actionfilms. Dann werden Sie sehen, dass die Welt in dem eckigen Kasten direkte Auswirkungen auf Ihre erlebte Wirklichkeit hat.

Während wir uns bei Science Fiction Streifen noch damit beruhigen können, dass der Inhalt unrealistisch oder extrem unwahrscheinlich ist, entfällt bei Dokumentationen oder Nachrichten (das für den Zuschauer Nach-Gerichtete) bei gutgläubigen Menschen diese Prüfung. Sie halten das Gezeigte erst mal für echt und wahr. Das mag zutreffen. Aber wir wissen es nicht.

Wir sehen ein Bild und hören einen Ton. Das ist unsere Wahrnehmung. Ob der Inhalt des Gehörten oder Gezeigten echt ist und der Wahrheit entspricht, ist ungewiss. Sicher ist nur: Nachrichten lösen etwas in uns aus – eine Emotion, die von einem Gefühl nicht zu unterscheiden ist, weil sie unmittelbar auf etwas Erlebtes folgt. Etwas aus zweiter Hand Erlebtes. Das ist keine echte Erfahrung. Das ist Hören-Sagen. Wir glauben, wir hätte etwas mit eigenen Augen gesehen. Haben wir aber nicht. Wir haben ein BILD mit eigenen Augen gesehen. Und wir haben gehört oder gelesen, dass dieses Bild in einem bestimmten Zusammenhang entstanden ist. Dessen müssen wir uns bewusst sein. Sonst kann man unsere Stimmung, unsere Meinung und unser Handeln über künstliche Realitäten beliebig steuern.

Bleiben Sie wach und achtsam. Wann immer Sie einen Beitrag lesen oder hören, der Sie in Furcht oder Empörung versetzt, sind Sie manipuliert worden. Drehen Sie dem Stimmungsmacher den Saft ab. Wenn wir die Beeinflussung enttarnen, verliert sie ihre Kraft.

Erleben Sie bewusst echte Gefühle. Das geht in der Natur besonders gut. Spüren Sie die Wärme der Sonne, sehen Sie einem Schmetterling zu oder nehmen Sie den Duft des feuchten Waldbodens in sich auf. Sie können natürlich auch in ein leckeres Stück Kuchen beißen oder ein heißes Bad nehmen. Beobachten Sie, welches Behagen in Ihnen entsteht, wie Ihr lebendiger Leib sich dabei anfühlt und welche Gefühle sich in Ihnen ausbreiten. Das ist echt. So ist Leben. Lassen Sie sich nichts anderes erzählen von Figuren, die aus der bunten Scheinwelt eines toten Elektrokasten zu Ihnen sprechen.

Text : Petra Weiß
Foto: michael hirschka / pixelio.de

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Zur Autorin

Schreibkunst Redakteur PR-Text
Petra Weiß ist Heilpraktikerin und psychologische Beraterin. Ihre Liebe zur Sprache begleitet sie schon ihr Leben lang. Sie hat zahlreiche Beiträge in Print und Online veröffentlicht. Seit Sommer 2020 gibt Sie die Zeitschrift “Weißheiten: vom Ich zum Selbst” heraus.